Nachweis und Wirkung von K.-o.-Mitteln: Ist nach zwölf Stunden nichts mehr zu finden?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.03.10

Als K.-o.-Mittel werden Substanzen bezeichnet, die meist ohne das Wissen der Person, die sie aufnimmt, verabreicht werden und die die Handlungs- und Widerstandsfähigkeit negativ beeinflussen können. Als Substanzen kommen – neben den klassischen Vertretern wie Gamma-Hydroxybuttersäure und Benzodiazepinen – eine große Anzahl weiterer zentral dämpfender Medikamente und besonders Alkohol in Betracht. Auch eine unbeabsichtigte Wechselwirkung bzw. Wirkpotenzierung durch Alkohol kann eine Rolle spielen. Die Nachweisbarkeitsdauer ist – abhängig von der Substanz und ihrer Halbwertzeit – (sehr) kurz, sodass bei Verdacht eine zeitnahe Probenabgabe extrem wichtig ist. Vor allem muss Urin asserviert werden, da hier das Nachweisfenster größer ist. Eine umfangreiche und sensitive Analytik sollte in einem dafür spezialisierten Labor durchgeführt werden.

Schlüsselwörter: Prävalenz, Immunchemie, Flüssigchromatographie, Gaschromatographie, Massenspektrometrie

Unter dem Begriff „K.-o.-Mittel“ bzw. K.-o.-Tropfen werden Substanzen zusammengefasst, die einer Person (meist) unbemerkt verabreicht werden, um sie in ihrer Handlungs- und Widerstandsfähigkeit zu beeinträchtigen. Häufig sind damit auch eine Bewusstlosigkeit und eine Erinnerungslücke verbunden. Im englischsprachigen Raum werden die Begriffe „substanzassoziierte sexuelle Übergriffe“ („drug facilitated sexual assault“; DFSA) oder „substanzassoziierte Straftaten“ („drug facilitated crimes“; DFC) verwendet. Hierin spiegeln sich bereits die Ziele der Täter wider: K.-o.-Mittel werden häufig im Rahmen (geplanter) sexueller Übergriffe oder von Raubdelikten eingesetzt.

 

Welche Substanzen kommen infrage?

Folgt man den Angaben in den Medien, so werden hauptsächlich Gamma-Hydroxy­buttersäure („Liquid Ecstasy“; GHB) und ihre (nicht unter das Betäubungsmittelgesetz gestellten) Vorstufen Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol eingesetzt. Doch kommt auch eine große Anzahl weiterer Substanzen in Betracht: Grundsätzlich sind alle Substanzen geeignet, die eine zentral dämpfende Wirkung haben. So hat die amerikanische Forensisch-Toxikologische Gesellschaft (SOFT) in ihrer Empfehlung zur Analytik 2022 eine Anzahl von über 100 Substanzen inklusive ihrer Metabolite aufgeführt [1]. Da häufig zusätzlich Alkohol konsumiert wird, ist eine gegenseitige Wirkungsverstärkung typisch. Auch Alkohol alleine ist in ausreichender Dosis ein sehr wirksames K.-o.-Mittel.

 

Wie wirken K.-o.-Mittel?

Üblicherweise werden K.-o.-Mittel oral verabreicht; eine inhalative Aufnahme z. B. über manipulierte Zigaretten oder eine parenterale Verabreichung über eine Injektion wird ebenfalls in seltenen Fällen berichtet. Das sogenannte „Needle-spiking“, das seit geraumer Zeit durch die Medien geistert [2] und bei dem den Opfern während des Tanzens/Diskobesuchs unbemerkt Substan­zen verabreicht werden sollen, ist aus toxikologischer Sicht eher nicht plausibel. Die Verabreichung einer ausreichend hohen Dosis (z. B. 2–3 ml GHB) wäre nur schwerlich unbemerkt möglich.

Der Wirkungseintritt erfolgt nach oraler Verabreichung nach etwa 15 bis 30 Minuten und hält je nach Substanz und Dosierung über mehrere Stunden an. Die zentral dämpfende Wirkung zeigt sich initial meist durch das Gefühl des „Betrunkenseins“, durch Enthemmung, Schwindelgefühle, eine verwaschene Sprache und durch motorische Unsicherheit. Viele Opfer beschreiben auch ein Gefühl von „in Watte gepackt sein“. Es treten dann weitere Wirkungen wie Muskelschlappheit, Anxiolyse, Übelkeit und Erbrechen sowie Somnolenz auf. Bei ausreichend hoher Dosis kommt es zum Tiefschlaf bis zur Bewusstlosigkeit oder zum Koma. Letzteres ist jedoch nicht zwingend zu erwarten: Es wird von Fällen berichtet, bei denen die Personen trotzdem noch in der Lage waren, mit dem Täter/der Täterin einen Ortswechsel vorzunehmen, zu telefonieren oder sich „normal“ zu unterhalten.

Bei erhaltener Handlungsfähigkeit, aber verminderter Wehrfähigkeit, können auch sexuelle Handlungen geduldet werden. Je nach Substanz kann es zu einer vollständigen anterogeraden Amnesie (einem „Blackout“) kommen, vor allem nach der Aufnahme von Benzodiazepinen (für die dieses Phänomen auch im klinischen Kontext bekannt ist) sowie bei hohen Blutalkoholkonzentrationen (> 2,4 Promille). Aber auch niedrigere Alkoholkonzentrationen können bereits zu Erinnerungslücken führen („Filmriss“)[3].

 

Epidemiologie

Belastbare epidemiologische Daten zur Häufigkeit substanzassoziierter Sexual­delikte existieren aufgrund der vermuteten hohen Dunkelziffer nicht. Häufig werden die Delikte nicht zur Anzeige gebracht, oder ein analytischer Nachweis einer Substanz gelingt aufgrund ungeeigneter Analysetechnik oder – häufiger – einer zu späten Sicherung von Probenmaterial nicht. In der Literatur findet sich eine Reihe an Studien, die die Prävalenz der verschiedenen nachgewiesenen Substanzen bei K.-o.-Verdachtsfällen in unterschiedlichen Ländern berichten. Bei der am häufigsten nachgewiesenen Substanz handelt es sich um Alkohol. Hier liegt die Prävalenz zwischen 22 % (Italien [4]), 26 % (Deutschland [5]), 45 % (Dänemark [6]) und 56 % (Vereinigtes Königreich [7]). An zweiter Stelle folgen die illegalen Drogen (THC, Kokain, Amphetamin-Derivate) [8]. Von Relevanz sind ebenfalls diverse Medikamente. Vor allem können Benzodiazepine regelmäßig nachgewiesen werden. In einzelnen Studien lag ihre Prävalenz sogar bei über 20 % (USA [9], Neuseeland [10]). Zusätzlich besitzen Opioide und Psychopharmaka (Anti­depressiva, Antipsychotika, Hypnotika) eine relativ hohe Prävalenz [5, 6]. Oft ist dies nicht mit einer unbemerkten, sondern mit einer ärztlich verordneten Einnahme zu assoziieren. Allerdings kann hier ein synergistischer Effekt in Kombination mit Alkohol zu unerwartet starker Sedierung führen. GHB wird typischerweise nur relativ selten nachgewiesen. So liegt die Prävalenz zwischen 0,4 % in Italien [4] und 5,9 % in den USA [9]. Die relativ geringe Anzahl an positiven GHB-Proben kann allerdings auch mit der relativ kurzen Nachweisbarkeit, einer verzögerten Probenasservierung (häufig erst nach 12 bis 24 Stunden [6]) und dem endogenen Vorkommen der Substanz im Körper zusammenhängen. Somit kann eine hohe Dunkelziffer nicht ausgeschlossen werden.

Sowohl in der Kölner als auch in der Hamburger Rechtsmedizin hat sich die Anzahl der Analyseaufträge auf K.-o.-Mittel im Zeitraum von 2017 bis 2022 fast verdoppelt (Abb. 1).

Dies ist sicherlich nicht alleine auf die gestiegene Anzahl an Delikten zurückzuführen, sondern zumindest teilweise auf die bessere Aufklärung und die damit verbundene Sensibilisierung. Allerdings geht die gestiegene Anzahl an Aufträgen nicht direkt mit einer gestiegenen Anzahl an positiven Nachweisen einher.

 

Nachweisbarkeitsdauer

Abhängig von der jeweiligen Halbwertzeit und der verabreichten Dosis können Substanzen im Blut ein bis zwei Tage und im Urin zwei bis drei Tage nachgewiesen werden, in Ausnahmefällen (z. B. bei langwirksamen Benzodiazepinen) auch etwas länger. Alkohol und GHB sind in der Regel jedoch maximal zwölf Stunden im Urin und noch kürzer im Blut nachweisbar. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass Proben möglichst zeitnah nach der vermuteten Aufnahme gewonnen werden. Urin ist hier das Untersuchungsmaterial der Wahl, Blut sollte (zumindest ein bis zwei Tage nach dem Vorfall) zusätzlich entnommen werden. Die mediale Botschaft, dass eine Probennahme mehr als zwölf Stunden nach der Aufnahme nicht mehr sinnvoll sei, hält sich hartnäckig. Da jedoch in der Regel nicht bekannt ist, welche Substanz(en) potenziell wirksam war(en), sollten auf jeden Fall zumindest bis zu drei Tage nach einer Aufnahme Proben sichergestellt werden.

Sollte der Zeitraum bereits überschritten worden sein, kommt allenfalls noch eine Untersuchung einer Haarprobe in Betracht. Hier sollte mindes­tens drei Wochen mit der Probennahme gewartet werden, damit der entsprechende Haarabschnitt aus der Kopfhaut herausgewachsen ist. Die Entnahme der Haarprobe sollte durch erfahrenes Personal und die Untersuchung in einem dafür spezialisierten Labor erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit, eine einmalige Substanzaufnahme durch eine Haaranalyse zu beweisen, ist sehr gering, aber nicht völlig ausgeschlossen.

Analytischer Nachweis

Durch die Analysemethode(n) müssen sehr niedrige Konzentrationen einer gro­ßen Anzahl von Substanzen erfasst werden können. Die üblichen immunchemischen Drogenscreenings sind hier nicht geeignet. Je nach Empfindlichkeit des Tests und dem Zeitpunkt der Probenabgabe können allerdings zumindest Hinweise auf die Aufnahme illegaler Drogen gewonnen werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Ergebnisse nicht gerichtsverwertbar sind und dass immer eine chromatographische Bestätigungsanalyse erfolgen muss. Gerade für Benzodiazepine ist die Sensitivität dieser Immunoassays nicht ausreichend, da die niedrig dosierten und kurzwirksamen Vertreter dieser Gruppe nicht oder nur schlecht erfasst werden. Die Proben sollten deshalb in einem für diese Fragestellung spezialisierten Labor analysiert werden. Dort werden flüssigchromatographische oder gaschromatographische Verfahren mit massenspektrometrischer Detektion kombiniert, welche ein großes Panel an Substanzen und – für die Analyse von Urinproben unbedingt notwendig – ihrer Metabolite beinhalten. Exemplarisch ist in Abb. 2 ein Chromatogramm der Methode aus dem Institut für Rechtsmedizin in Hamburg abgebildet, die mehr als 140 Analyten umfasst.

Der seit 2010 verfügbare enzymatische GHB-Test ist sehr hilfreich für die Detektion akuter GHB-Intoxikationen [11], jedoch aufgrund der wenig verlässlichen und häufig falsch-positiven Resultate im niedrigen Konzentrationsbereich für die K.-o.-Mittel-Fragestellung nicht geeignet.

Im Handel tauchen immer wieder Teststreifen, Nagellacke oder Armbänder auf, die es ermöglichen sollen, Getränke auf K.-o.-Mittel zu testen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass – abhängig vom Test und dem getesteten Getränk – allenfalls GHB detektiert werden kann. Die Vorstufen GBL oder 1,4-Butandiol sowie weitere zentral wirksame Substanzen werden nicht erfasst.

 

Hinweise für die Praxis

Eine zeitnahe Sicherstellung von Untersuchungsmaterial ist unbedingt erforderlich: Bis zu zwei Tage ist die Entnahme einer Blutprobe und bis zu drei (bis vier) Tage die Sicherstellung einer Urinprobe sinnvoll. Haarentnahmen sollten frühes­tens drei Wochen nach dem vermuteten Delikt durchgeführt werden. Die Proben können auch über längere Zeit gelagert werden (Urin und Serum tiefgekühlt, Haare bei Raumtemperatur), falls eine Beauftragung zur Analyse noch nicht erfolgen soll. Die Analysen müssen in einem dafür spezialisierten Labor durchgeführt werden, da immunchemische Verfahren nicht das gesamte Spektrum möglicher Substanzen abbilden und auch eine zu niedrige Sensitivität aufweisen.

Trotzdem kann nach Anwendung einer umfangreichen Analytik aus einem negativen Untersuchungsergebnis im Blut/Urin oder Haar nicht geschlussfolgert werden, dass kein K.-o.-Mittel aufgenommen wurde.

Autoren
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Hilke Andresen-Streichert
Paul Stach, M. Sc.
Institut für Rechtsmedizin
Arbeitsbereich Forensische Toxikologie und Alkohologie
Uniklinik Köln
Dr. rer. nat. Anne Szewczyk
Institut für Rechtsmedizin
Arbeitsbereich Forensische und Klinische Toxikologie
Uniklinikum Hamburg-Eppendorf
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