Das Licht der Welt
Perinatale Sterblichkeit
Mutter zu werden ist in vielen Ländern noch immer lebensgefährlich. Täglich sterben fast tausend Frauen an vermeidbaren Komplikationen infolge von Schwangerschaft und Entbindung, 99% davon in den Entwicklungsländern.
In Deutschland gibt es dagegen nur etwa 30 solcher Todesfälle im ganzen Jahr – jeder für sich eine Tragödie, aber mit weniger als 0,05 Promille aller Geburten doch ein verschwindend geringer Anteil. Das höchste Risiko geht von Embolien und Blutungen aus, gefolgt von septischen Infektionsverläufen und Präeklampsie (mehr dazu auf S. 236).
Der Eintritt ins Leben ist im Vergleich dazu mit einer rund 100-fach höheren Gefährdung belastet. Laut WHO werden in Deutschland jährlich etwa 2.400 Kinder tot geboren, und über 1.200 Säuglinge versterben in den ersten sieben Lebenstagen. Zu den führenden Todesursachen in der Perinatalperiode zählen Komplikationen während der Entbindung und kindliche Unreife bei Frühgeburten.
Positiver Trend
Aber diese scheinbar hohen Zahlen relativieren sich angesichts der 738.000 Kinder, die 2015 bei uns das Licht der Welt erblickten. Damit liegt sowohl der Anteil der Totgeburten als auch die neonatale Mortalität weit unter einem halben Prozent (Abb. 1).
Das war bekanntlich nicht immer so: Um 1900 betrug die Säuglingssterblichkeit noch rund 25%, vor allem bedingt durch epidemisch auftretende, bakterielle Infektionskrankheiten wie etwa Diphtherie, Scharlach oder Typhus. Impfungen und Antibiotika brachten hier den Durchbruch – und der positive Trend setzt sich auch im 21. Jahrhundert fort, was vor allem auf Fortschritte bei der Versorgung Frühgeborener zurückgeführt wird.
Innerhalb Europas schneidet Deutschland gut ab; nur Skandinavien kann etwas bessere Zahlen vorweisen. Sehr erfreulich ist, dass ehemalige Ostblockstaaten wie zum Beispiel Polen nach der Wende rasch Anschluss an westliche Standards fanden.
Ein „dunkles“ Kapitel
Auf einem seit Jahrzehnten unvermindert hohen Niveau verharrt dagegen die Zahl der Totgeburten. Bekannte Ursachen sind einerseits Entwicklungsstörungen des Feten aufgrund genetischer Defekte oder intrauteriner Infektionen (siehe nächste Seite), andererseits Plazenta- oder Zervixinsuffizienz seitens der Mutter.
In den meisten Fällen aber bleibt die Ursache für den Tod im Mutterleib buchstäblich im Dunkeln, weil abgesehen von den Screeninguntersuchungen im Rahmen der gesetzlichen Mutterschaftsvorsorge keine weiterführende Diagnostik durchgeführt wird. So beschränkt sich die Erkennung einer immunologischen Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind bislang auf die Erythrozytenmerkmale AB0 und Rh, obwohl es sinnvoll wäre, auch die fetale Alloimmun-Thrombozytopenie (FAIT) aufzunehmen.Sie wird durch diaplazentar übertragene Plättchenantikörper ausgelöst, führt zu teilweise tödlichen Hirnblutungen oder schwerer Behinderung des Kindes und ist mit einer Inzidenz von etwa 1 : 1.000 gar nicht so selten. Bislang wird nur etwa jeder fünfte Fall entdeckt.
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