Leitliniengerechte Diagnostik
Schwangerschaftsrelevante Viren
Die AWMF-S2k-Leitlinie („formale Konsensfindung“) widmet sich der Labordiagnostik von Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Da diese inapparent verlaufen können, kommt neben der sicheren Erfassung des Erregers auch den Screeningverfahren und der serologischen Überprüfung des Impfschutzes große Bedeutung zu.
Schlüsselwörter: Virusinfektion, Schwangerschaft, Immunität
Virusinfektionen in der Schwangerschaft bergen ein erhöhtes Risiko sowohl für die werdende Mutter als auch für die Entwicklung ihres Kindes. Zum einen kann es zu besonders schweren oder komplikationsreichen Krankheitsverläufen kommen, zum anderen können bestimmte Viren zu Entwicklungsstörungen des Embryos führen.
Diagnostische Herausforderungen ergeben sich vor allem dann, wenn bei der Schwangeren wegweisende Symptome fehlen oder die Infektion bereits einige Zeit zurückliegt, ehe Auffälligkeiten beim Kind festgestellt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Ringelröteln, die bei der Schwangeren meist gar keine Symptome hervorrufen, beim Kind aber in der Folge eine schwere Anämie und einen Hydrops fetalis auslösen können.
Wichtig für das Management schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen ist deshalb aus Sicht der Labordiagnostik neben der sicheren Erfassung des Erregers ein effektives Screening und gegebenenfalls die Überprüfung des Impfstatus.
Aktuelle Konsensus-Leitlinie
2013 wurde unter der Federführung der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV) eine Konsensus-Leitlinie (S2k) für die Labordiagnostik ausgewählter Virusinfektionen publiziert. Weitere beteiligte Verbände kamen aus der Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG, BvF), Neonatologie und Pädiatrie (GNPI, DGPI) sowie der Mikrobiologie (BÄMI).
Die Leitlinie ist unter www.awmf.org mit der Registernummer 0093/001 abrufbar. Sie behandelt im ersten Teil grundlegende, für die meisten Virusinfektionen gültige Empfehlungen, beispielsweise zur Hygiene und Impfung. Im zweiten Teil fokussiert sie sich auf Screening und Diagnostik derjenigen Virusinfektionen, die entweder kausal mit Embryopathien, Fetopathien und fetalen Todesfällen sowie mit Spätfolgen in der Neonatalperiode einhergehen oder die die Gesundheit der Schwangeren in hohem Maße gefährden.
Allgemeine Empfehlungen
Jede Schwangere sollte so früh wie möglich über hygienische Maßnahmen zur Infektionsvorbeugung beraten werden. Neben einer sorgfältigen Händehygiene wird vor allem empfohlen, den Kontakt der Mund-, Nasen- und Augenschleimhaut mit dem Speichel, Urin oder Stuhl von Kindern unter drei Jahren zu vermeiden.
Auch alle Personen, die beruflichen Kontakt zu Schwangeren haben, sollten über Präventionsmaßnahmen Bescheid wissen. Wichtig ist Immunität bzw. ausreichender Impfschutz gegen Röteln, Masern, Mumps, Hepatitis B, Windpocken und auch die saisonale Influenza. Die betroffenen Mitarbeiter müssen auf die Gefahren einer Übertragung dieser Infektionen auf Schwangere hingewiesen werden. So kann es bei Influenza, Masern und Windpocken zu schweren Komplikationen bei der Schwangeren kommen.
Die sichere Unterscheidung einer akuten von einer länger zurückliegenden bzw. persistierenden Infektion, etwa durch das Zytomegalie-Virus, ist oft nur möglich, wenn eine Serumprobe von einem früheren Zeitpunkt als Referenz für Vergleichsmessungen zur Verfügung steht. Aus diesem Grund wird empfohlen, ein Serum aus der Frühschwangerschaft bei -20 °C zu archivieren und für zwei Jahre aufzubewahren. Dann kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch festgestellt werden, ob die Mutter die Infektion tatsächlich erst im Lauf der aktuellen Schwangerschaft erworben hat.
Spezifische Diagnostik
In der Leitlinie werden die schwangerschaftsrelevanten Virusinfektionen in solche mit und ohne die Möglichkeit der Impfprävention gegliedert (siehe Tabelle). Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellen-Impfung müssen vor der Schwangerschaft durchgeführt worden sein, da sie in der Schwangerschaft kontraindiziert sind. Wenn die empfohlene Anzahl von Impfungen dokumentiert ist, darf bei Masern, Mumps und Röteln Immunität angenommen werden; andernfalls wird die serologische Überprüfung der Immunität durch spezifische IgG-Bestimmung empfohlen. Immunität für Windpocken kann bei selbst erinnerter Erkrankung oder dokumentierter zweifacher Impfung angenommen werden; andernfalls wird auch hier IgG bestimmt. Eine saisonale Impfung gegen Influenza ist nicht nur für Schwangere, sondern auch für Kontaktpersonen von Schwangeren und Wöchnerinnen in geburtshilflichen Einrichtungen angeraten, eine Überprüfung der Immunität gibt es hier nicht.
Für Hepatitis B werden alle Schwangeren ab der 32. SSW auf HBsAg untersucht, um eine Übertragung der Infektion bei der Geburt zu verhindern. Da inzwischen eine antivirale Therapie während der Schwangerschaft möglich ist, wird die HBsAg-Bestimmung bei erhöhtem Expositionsrisiko (HBV-infizierter Partner oder Familienangehörige, i. v. Drogengebrauch, HIV- oder HCV-Infektion, Herkunft aus HBV-Hochendemie-Regionen) oder bei erhöhten Transaminasen schon in der Frühschwangerschaft empfohlen. Liegt keine Infektion vor, so kann während der Schwangerschaft eine Impfung erfolgen. Die Immunität nach Hepatitis-B-Impfung wird durch Bestimmung von Anti-HBs, überprüft.
Die Diagnose der akuten Masern-, Mumps- und Rötelninfektion wird heute am besten durch eine PCR aus Rachenabstrich und Urin gestellt, da zum einen die serologischen Methoden in der Frühphase der Erkrankung noch negativ sein können und zum anderen auch falsch positive Befunde vorkommen. Vor allem bei der Rötelnvirus-Infektion darf die schwerwiegende Diagnose nicht allein auf einer positiven Serologie basieren.
Bei den Windpocken sind IgM und IgG in den ersten vier bis fünf Tagen noch negativ; auch kann das IgM oft nicht vor dem IgG gemessen werden. In Zweifelsfällen sollte man die ansonsten klinische Diagnose durch eine PCR aus Bläscheninhalt absichern. Ein positives VZV-IgM eignet sich nicht zum Beweis einer Primärinfektion, da Kreuzreaktivitäten vorkommen und das IgM auch infolge einer Rekurrenz positiv ausfallen kann.
Neonatale Varizellen sollen mittels VZV-DNA-Nachweis im Bläschenabstrich und/oder Blut abgeklärt werden. Bei Verdacht auf neonatale Varizellen muss jedoch sofort, noch vor Erhalt des Laborergebnisses, eine antivirale Therapie eingeleitet werden.
Zu den nicht-impfpräventablen Viren zählen HIV, HCV, HSV und CMV. Da eine HIV-Übertragung häufig bei der Geburt oder durch Stillen erfolgt, wird allen Schwangeren ein HIV-Test empfohlen; die Infektion kann und soll während der Schwangerschaft behandelt werden, um eine Übertragung auf das Kind zu verhindern.
HCV-Infektionen sind mit den weiter oben genannten Risikogruppen sowie Empfängern von Bluttransfusionen vor 1992 assoziiert; liegt eine entsprechende Anamnese vor, sollte ein HCV-Antikörpertest veranlasst werden. Bei positivem Anti-HCV-Test, zeigt eine quantitative Viruslastbestimmung den Infektionsstatus der Patientin an.
Das Herpes-simplex-Virus (HSV) kann perinatal im Rahmen einer Herpes-genitalis-Infektion, postnatal durch Schleimhautkontakt und extrem selten auch intrauterin im Rahmen einer HSV-Primärinfektion auf das Kind übertragen werden. Die Infektion verursacht beim Neugeborenen schwerste Symptome mit oft tödlichem Ausgang oder Defektheilung (Herpes neonatorum). Die Übertragung kann durch prophylaktische Maßnahmen verhindert, die Infektion beim Säugling antiviral behandelt werden.
Eine transplazentare Übertragung von CMV – ebenfalls ein Virus aus der Herpes-Familie – erfolgt bei Primärinfektion im Gegensatz zur Reinfektion/Reaktivierung häufig (über 30% im ersten und über 60% im letzten Trimenon). 90% der infizierten Kinder kommen symptomlos auf die Welt, können aber in der Folge eine Innenohr-Hörstörung entwickeln. Die symptomatisch geborenen Kinder haben oft schwere neurologische Entwicklungsstörungen. Ob eine Infektion des Fötus vorliegt, kann durch eine PCR aus Fruchtwasser festgestellt werden.
Die lymphozytäre Chorio-Meningitis ist eine Zoonose, die durch das LCM-Virus verursacht und von Nagetieren, beispielsweise dem Goldhamster, auf den Menschen übertragen werden kann. Bei immunkompetenten Personen verläuft die Erkrankung nahezu symptomlos, bei Schwangeren kann das Virus jedoch auf das ungeborene Kind übertragen werden und schwere Schäden hervorrufen.
Ähnliches gilt für die Ringelröteln, verursacht durch Parvovirus B19 (B19V). Die Infektion verläuft beim immunkompetenten Erwachsenen nahezu symptomlos, während sie beim Föten einen Abort oder Hydrops fetalis hervorrufen kann. Entero- und Parecho-Virusinfektionen gehen mit Symptomen eines grippalen Infekts einher und können bei der Geburt übertragen werden. Beim Neugeborenen verursachen sie eine sepsisähnliche Erkrankung oder aseptische Meningitis. Da es sich um unbehüllte Viren handelt, müssen viruzide Desinfektionsmittel zur Hände- und Flächendesinfektion verwendet werden.
Dr. med. Daniela Huzly
Institut für Virologie, Universität Freiburg
daniela.huzly[at]uniklinik-freiburg[dot]de
Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion