Molekulares Tumorboard – auch für Kopf-Hals-Tumoren relevant?
Molekulare Diagnostik verspricht effektivere Therapien für Patienten mit Krebs, basierend auf genetischer, epigenetischer und proteomischer Charakterisierung individueller Tumoren. Um molekular-basierte Therapiekonzepte zu entwickeln, wurden an Krebszentren molekulare Tumorboards (MTBs) eingeführt, um auf Basis wissenschaftlich valider Analysen individuelle Therapieempfehlungen zu erarbeiten. MTBs stellen ein sich rasant entwickelndes Konzept in der Krebsmedizin dar, doch vielfache konzeptionelle und strukturelle Herausforderungen sind zu lösen, um molekulare Diagnostik sinnvoll in die klinische Praxis zu implementieren. Eine besonders große Herausforderung ist die inter- und intratumorale Heterogenität von Krebs. Inzwischen ist bekannt, dass sich Tumoren der gleichen Lokalisation und mit vergleichbarem histologischen Erscheinungsbild signifikant in ihren molekularen Charakteristika unterscheiden können. Kopf-Hals-Tumoren sind ein gutes Beispiel für dieses Paradigma, betrachtet man die bedeutenden molekularen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Plattenepithelkarzinomen (z. B. HPV-positiv versus -negativ), die enorme Heterogenität der Speicheldrüsenkarzinome und der Krebserkrankungen unklaren Primärursprungs, um die drei häufigsten Entitäten in der Kopf-Hals-Region zu benennen. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über den Stand der molekularen Charakterisierung und des molekularen Tumorboards bei Tumoren der Kopf-Hals-Region. Es wird ersichtlich, dass eine wachsende Zahl teils sehr effektiver, molekular zielgerichteter Therapien für Krebserkrankungen dieser Region existieren; in selektionierten Fällen ist die Vorstellung in einem akademischen Krebszentrum für die molekulare Diagnostik und die nachfolgende Besprechung in einem qualifizierten molekularen Tumorboard indiziert.
Tumorboard, molekular, genetisch, Kopf-Hals-Tumoren, Plattenepithelkarzinom, Speicheldrüsenkarzinom, Krebs mit unbekanntem Primärtumor, Larotrectinib, Entrectinib
Kasuistik
Der Fall eines 34-jährigen Patienten mit einem metastasierten sekretorischen Karzinom der Glandula submandibularis wurde am 21.1.2021 im molekularen Tumorboard des Universitären Krebszentrums Leipzig/Mitteldeutsches Krebszentrum besprochen. Die Erstdiagnose war vor 5 Jahren extern gestellt worden, damals unter der Annahme eines Azinuszellkarzinoms. 2016 erfolgte eine Tumorresektion mit Level I–V Neck Dissection links (pT3 pN1 (1/46), G1, L0, V0, Pn0, R0). Es schloss sich keine Nachbestrahlung an. Nach Diagnose lokaler Rezidive 2017 und 2019 erfolgten erneute Tumorresektionen, bei R1-Status in 2019 mit nachfolgender Radiotherapie zervikal links (60 Gy, konventionell fraktioniert mit Boost bis 66 Gy). Anfang 2021 zeigte die Bildgebungsgestützte Nachsorge ein multilokuläres Lymphknotenrezidiv links submandibulär und supraklavikulär beidseits, teils in-field gelegen, und anatomisch nicht R0-resektabel.
Die pathologische und referenzpathologische Untersuchung der Gewebeproben führte zur Diagnose eines high-grade transformierten sekretorischen (sog. Mamma-analogen) Speicheldrüsenkarzinoms. Die daraufhin eingeleitete molekulare Diagnostik einschließlich FISH-Analyse und RNA-basierter Fusionsanalyse erbrachte den Befund einer ETV6-NTRK3-Genfusion, welche funktionell zur onkogenen Aktivierung der Tropomyosin-Rezeptor-Kinase (TRK) 3 führt (Abb. 1, 2) [1, 2].
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