In ihrem Vortrag besprach PD Dr. Amanda Tufman, München, eigene Erfahrungen mit dem RET-Inhibitor Selpercatinib (Retsevmo®). Sie berichtete von einem Patienten, bei dem nach umfangreicher Vorbehandlung mit einer Radiochemotherapie (Cisplatin/Pemetrexed) und einer Erhaltung mit Durvalumab ein erneuter Progress auftrat. „Dieser Patient erhielt im Januar 2020 Selpercatinib und befindet sich nun bereits seit rund 1,5 Jahren in einem stabilen Zustand der partiellen Remission“, so die Onkologin.Damit bestätigt sich laut Tufman die Wirksamkeit von Selpercatinib in der klinischen Praxis, die bereits in der zulassungsrelevanten Studie LIBRETTO-001 an 105 stark vorbehandelten NSCLC-Studienteilnehmern belegt werden konnte. Auch in dieser Untersuchung konnte unter der Gabe von Selpercatinib (2 x 160 mg/d) unter anderem ein progressionsfreies Überleben (PFS) von Median 16,5 Monaten erreicht werden. Tufman betonte insbesondere die gute Wirksamkeit bei Hirnmetastasen (intrakranielle objektive Ansprechrate (ORR) 87 %) [1].
Dieselben Erfahrungen machte PD Dr. med. Achim Rittmeyer, Immenhausen, mit eigenen Patienten, die auch bereits vor der Zulassung über ein NPP (Named Patient Program) in den Vorzug einer Behandlung mit Selpercatinib gekommen waren. Dabei verwies er auf eine Patientin, die nach der Drittlinienbehandlung in einer äußerst schlechten Verfassung war. „Eine Lunge fehlte, die andere war voller Metastasen. Sie können sich vorstellen, wie es der Patientin ging.“
Nach der Gabe von Selpercatinib „sahen wir eine Wahnsinns-Remission“, betonte Rittmeyer. Die multiplen Meta-stasen schrumpften erheblich; es konnte eine sehr gute partielle Remission beobachtet werden, die inzwischen seit nahezu 1,5 Jahren anhält. „Die Patientin ist froh, dass sie wieder gut Luft bekommt. Sie saß initial im Rollstuhl und bekam Sauerstoff, und jetzt kommt sie wieder reingeflitzt, wenn ich sie aufrufe“, so Rittmeyer. Wünschenswert wäre nach Ansicht des Onkologen, wenn Selpercatinib zukünftig bei diesen Patienten auch in der Erstlinie einsetzbar wäre, doch dafür besteht derzeit keine Zulassung. „Solange geben wir diesen Patienten in der Erstlinie eine Mono-Chemotherapie, weil Checkpoint-Inhibitoren bei RET-Positivität meistens gar nicht funktionieren. Danach können wir dann zulassungsgemäß in der Zweitlinie auf Selpercatinib übergehen“, erklärte Rittmeyer.
Reimund Freye