Neoadjuvante Chemotherapie beim HER2+ Mammakarzinom ohne Anthrazyklin
Die 3-Jahres-Daten der Phase-III-Studie TRAIN-2 haben gezeigt, dass zusätzliche Anthrazykline zu 6 Zyklen TCHP die Wirksamkeit der neoadjuvanten Therapie bei Patientinnen mit frühem HER2-positivem Mammakarzinom, die eine duale HER2-Blockade erhalten, nicht erhöhen, aber mit klinisch relevanter Toxizität assoziiert sind. Im 3-Jahres-Follow-up der Studie wurde keine Verbesserung des ereignisfreien (EFS) oder des Gesamtüberlebens (OS) durch die Anthrazykline bei den Frauen mit HER2+ Mammakarzinom in den Stadien II oder III, die eine duale Anti-HER2-Blockade erhielten, beobachtet.
In der TRAIN-2-Studie hatten 438 Patientinnen in einer 1:1-Randomsierung neoadjuvant entweder erst 3 Zyklen 5-FU/Epirubicin/Cyclophosphamid erhalten, gefolgt von 6 Zyklen Paclitaxel/Carboplatin oder 9 Zyklen Paclitaxel/Carboplatin, jeweils in Kombination mit Trastuzumab und Pertuzumab, gefolgt von der Trastuzumab-Komplettierung auf ein Jahr und ggf. endokriner Therapie oder Bestrahlung.
Bei den Patientinnen, die auch die Anthrazyklin-basierte Kombination erhalten hatten, kam es vor allem zu einem Rückgang der linksventrikulären Ejektionsfraktion, wobei sich die Herzfunktion bei einem Drittel der betroffenen Patientinnen nicht wieder erholte, wie Dr. Anna van der Voort, Amsterdam, beim ASCO berichtete [1].
Die Daten der Studie ändern nichts an den derzeitigen Leitlinien-Empfehlungen, nämlich bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom neoadjuvant zur HER2-Blockade entweder ein sequentielles anthrazyklinhaltiges Schema zu geben, wie z. B. 4-mal EC, gefolgt von 12-mal Paclitaxel mono wöchentlich, oder ein Anthrazyklin-freies Taxan-haltiges Regime, z. B. TCHP.
Taxan-basierte Chemotherapie plus duale HER2-Blockade bleibt Standard
Therapiestandard für das HER2+ frühe Mammakarzinom ist eine Chemotherapie und eine Anti-HER2-Therapie über ein Jahr. Die KAITLIN-Studie untersuchte, ob sich durch Ersetzen von Taxan und Trastuzumab durch Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) nach einer Anthrazyklin-haltigen Chemotherapie eine Steigerung der Wirksamkeit und eine Reduktion der Toxizität erreichen ließe.
Die primäre Analyse der Studie legt nun allerdings nahe, dass der Austausch des Taxans durch T-DM1 in der adjuvanten Therapie des frühen HER2+ Mammakarzinoms keine Vorteile bringt. Die randomisierte, unverblindete Phase-III-Studie hatte bei 1.846 Patientinnen mit HR-negativem, HER2+ frühem Mammakarzinom (N+ oder N-, Tumor > 2 cm) nach der Operation und nach 3–4 Zyklen einer Anthrazyklin-basierten Chemotherapie das Antikörper-Drug-Konjugat T-DM1 plus Pertuzumab mit der Kombination aus Taxan, Trastuzumab und Pertuzumab verglichen.
Die Studie erreichte ihre ko-primären Endpunkte nicht, das Überleben ohne invasive Erkrankung (IDFS) war weder bei nodalpositiven Patientinnen noch in der Intention-to-treat-Population im T-DM1-Arm verbessert. In beiden Armen wurde ein sehr gutes IDFS-Outcome für dieses Hochrisikokollektiv erzielt, so Prof. Nadia Harbeck, München. Ihr Fazit: Chemotherapie + duale HER2-Blockade bleiben Standard für Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom mit hohem Rezidivrisiko [2]. Die Leitlinie der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) 2020 empfiehlt die duale Blockade insbesondere für nodalpositive Patientinnen.
Keine prädiktiven Biomarker für T-DM1
Prof. Carsten Denkert, Marburg, stellte erste explorative Biomarker-Daten aus der KATHERINE-Studie vor, die T-DM1 mit Trastuzumab in der adjuvanten Situation bei HER2-positiven Patientinnen, die nach der neoadjuvanten Therapie keine pCR erzielt hatten, unter-suchte. PIK3CA-Mutationen beeinflussten demnach nicht die Therapie-Ergebnisse von Trastuzumab oder T-DM1. Der Therapie-Erfolg mit T-DM1 scheint unabhängig von allen untersuchten Biomarkern zu sein; damit bleibt T-DM1 Standard beim HER2-positiven frühen Mammakarzinom, falls durch eine leitliniengerechte neoadjuvante Therapie wie z. B. 4-mal EC gefolgt von 12-mal Paclitaxel plus Anti-HER2-Therapie oder 6-mal TCH oder TCHP keine pCR erreicht wurde [3].
Dosisdichte Chemotherapie
Nachdem Daten aus Metaanalysen Hinweise auf einen Vorteil für eine dosisdichte Therapie bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom mit hohem Risiko lieferten, untersuchte die Phase-III-Studie GAIN-2 Wirksamkeit und Sicherheit einer dosisintensivierten und dosisdichten Gabe von Epirubicin, nab-Paclitaxel und Cyclophosphamid im Vergleich zu einer angepassten, dosisdichten Epirubicin/Cyclophosphamid-Gabe, gefolgt von angepasster, dosisdichter Gabe von Docetaxel.
In der vorgestellten Interimsanalyse zeigten sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des IDFS zwischen beiden Armen und keine überraschenden Toxizitäten, sodass eine dosisdichte Therapie immer erwogen werden sollte, wenn eine Hochrisiko-Situation vorliegt [4].
Neue Substanzen beim HER2+ metastasierten Mammakarzinom
Die Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 zeigte die Wirksamkeit einer Monotherapie mit dem gegen HER2 gerichteten Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan bei intensiv vorbehandelten Patientinnen mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom nach T-DM1-Vorbehandlung mit einer objektiven Ansprechrate von 60,9 % und einem medianen progressionsfreien Überleben (mPFS) von 16,4 Monaten. Die beim ASCO präsentierte Subgruppen-Analyse bestätigte nun sowohl Ansprechrate als auch mPFS in allen untersuchten Subgruppen [5] In den USA hat Trastuzumab-Deruxtecan eine Schnellzulassung der FDA für die Anwendung bei Patientinnen mit HER2-positivem, nicht-resezierbarem und/oder metastasiertem Mammakarzinom nach Versagen von mindestens zwei vorangegangenen anti-HER2-Therapien erhalten.
Die HER2CLIMB-Studie hat bereits klinisch bedeutsame und statistisch signifikante Verbesserungen von PFS und OS bei allen Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom und eine Verlängerung des PFS bei Frauen mit Hirnmeta-stasen durch den in Europa noch nicht zugelassenen HER2-Inhibitor Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin gezeigt [6].
In den USA ist Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin zur Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittenem, nicht-resezierbarem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom – auch bei Patientinnen mit Hirnmetastasen – zugelassen, wenn die Patientinnen mindestens eine Anti-HER2-Therapie für ihre metastasierte Erkrankung erhalten hatten.
Eine zum ASCO 2020 vorgestellte exploratorische Wirksamkeitsanalyse bei 118 intensiv vorbehandelten Patientinnen mit aktiven Hirnmetastasen aus der Studie demonstrierte nun, dass Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin das Risiko für eine intrakranielle Progression und Tod reduziert [7]. In der Subgruppenanalyse verdoppelte der hochselektive HER2-Kinase-Inhibitor die intrakranielle Ansprechrate bei aktiven Hirnmetastasen und reduzierte das Risiko einer intrakraniellen Progression oder Tod um 64 %, und das Risiko zu versterben um die Hälfte (Abb. 1a und 1b) – ein angesichts der wenigen systemischen Therapieoptionen bei Hirnmetastasen umso wichtigeres Ergebnis.