NSCLC ohne Treibermutation
Die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren spielt beim NSCLC ohne behandelbare Treibermutationen mittlerweile die zentrale Rolle: Für die Erstlinientherapie haben bisher der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab (als Monotherapie bei PD-L1-Expression > 50 % oder in Kombination mit Chemotherapie unabhängig vom PD-L1-Status) und der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab (in Kombination mit Bevacizumab, Paclitaxel und Carboplatin) eine Zulassung. Die Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab ist in den USA auf Basis der CheckMate-227-Studie zugelassen, der Zulassungsantrag bei der EMA wurde jedoch von BMS zurückgezogen [1]. Erfreulicherweise brachte nun die Phase-III-Studie CheckMate-9LA mit 719 Patienten einen signifikanten Vorteil für die Chemotherapie-Nivolumab-Ipilimumab-Kombination. Darin wird die Hypothese überprüft, ob die Zugabe von zwei Zyklen Chemotherapie zur IO/IO-Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab eine rasche Reduktion der Tumorlast bewirkt und dadurch die Ergebnisse noch verbessern könnte [2]. Im Kontrollarm wurden vier Zyklen einer Chemotherapie gegeben – beim Plattenepithelkarzinom Paclitaxel/Carboplatin, beim Nicht-Plattenepithelkarzinom Pemetrexed und ein Platinsalz.
In einer geplanten Interimsanalyse nach mindestens acht Monaten zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS) durch Immun- und Chemotherapie von median 10,7 auf 14,1 Monate (Hazard Ratio 0,69; p = 0,0006), ebenso beim progressionsfreien Überleben (PFS) und beim Gesamtansprechen (ORR). In einer aktualisierten Analyse nach mindestens 12,7 Monaten Nachbeobachtung war der OS-Vorteil noch ausgeprägter (median 15,6 vs. 10,9 Monate; HR 0,66; 95-%-Konfidenzintervall 0,55–0,80), die 1-Jahres-Überlebensrate betrug 63 % versus 47 %. Der Vorteil zeigte sich in beinahe allen untersuchten Subgruppen unabhängig von Histologie und PD-L1 Expression und war bei einer kleinen Subgruppe von Patienten mit Hirnmetastasen besonders ausgeprägt (HR 0,38).
Vor allem die frühe Trennung der Überlebenskurven scheint die Hypothese zu bestätigen, dass die zusätzliche Chemotherapie die Tumorlast rasch reduziert und dadurch den Nutzen der Immuntherapie verstärkt. Das Konzept ist durch die Kürze der Chemotherapie und durch die Doppel-Immuntherapie besonders attraktiv. Die Zulassung wird für 2021 erwartet.
NSCLC mit Treibermutationen
Als Treibermutationen, die sich mit Inhibitoren ausschalten lassen, wurden beim NSCLC solche im EGF-Rezeptor, in der BRAF-Kinase sowie Translokationen von ALK und ROS1 identifiziert. Des Weiteren sollten Patienten mit NTRK-Translokationen einen NTRK Inhibitor – Larotrectinib oder nach Zulassung Entrectinib – erhalten. Der nächste Kandidat in der Reihe könnte MET sein, ein Rezeptor für den Hepatozyten-Wachstumsfaktor: Vor allem Skipping-Mutationen im Exon 14, die zur Stabilisierung und damit zur Überexpression von MET führen, finden sich bei ca. 4 % aller NSCLC-Patienten. Außerdem werden Amplifikationen des MET-Gens als Treiber bei mehreren Tumortypen diskutiert, und sie sind ein häufiger Mechanismus der Resistenz gegen EGFR-Inhibitoren bei Tumoren mit aktivierenden EGFR-Mutationen. MET-Amplifikationen findet man bei 1–6 % aller Patienten mit NSCLC, bei etwa 2 % mit zehn und mehr Kopien des Gens [3].
Den MET-Inhibitor Capmatinib erhielten in der Phase-II-Studie GEOMETRY mono-1 364 NSCLC-Patienten mit MET-Exon-14-Skipping-Mutationen in mehreren Kohorten, in einer Dosis von 2 x 400 mg/d. Einige Kohorten mit weniger als zehn Kopien des MET-Gens wurden bereits wegen Unwirksamkeit geschlossen, aber Jürgen Wolf, Köln, konnte Ergebnisse für zwei Kohorten mit insgesamt 84 Patienten präsentieren, die mehr als zehn Kopien des Gens und keine Exon-14-Mutation aufwiesen; 69 von ihnen hatten bereits mindestens eine systemische Therapie erhalten, während die übrigen 15 therapienaiv waren [4].
Von den vorbehandelten Patienten sprachen 29 % an, von den therapienaiven 40 %, die Krankheitskontrollraten lagen bei 71 % bzw. 66,7 %, die Dauer des Ansprechens bei median 8,3 bzw. 7,5 Monaten, das PFS bei 4,1 bzw. 4,2 und das OS bei 10,6 bzw. 9,6 Monaten. Patienten mit über zehn Kopien von MET sprechen also auf Capmatinib an, aber diejenigen mit MET-Exon-14-Mutationen schnitten mit Ansprechraten von 39 % bei den vorbehandelten und über 70 % bei den therapienaiven Patienten deutlich besser ab [5]. Capmatinib hat eine „Breakthrough“-Zulassung durch die FDA erhalten, für die Einreichung zur Zulassung bei der EMA wurde Novartis jedoch aufgefordert, weitere Daten vorzulegen. Daten für Tepotinib wurden ebenfalls vorgestellt; diese Substanz hat eine ähnliche Effektivität wie Capmatinib.
Savolitinib, ein weiterer MET-Inhibitor, wird derzeit in mindestens 26 klinischen Studien untersucht, darunter welche zu gastrointestinalen Tumoren, aber auch zum NSCLC. Ein Schwerpunkt einer aktuellen Phase-II-Studie lag auf der seltenen Subgruppe der sarkomatoiden Lungenkarzinome (pulmonary sarcomatoid carcinoma, PSC), bei denen sich Exon-14-Skipping-Mutationen im MET-Gen besonders häufig finden und die eine schlechte Prognose haben. In einer chinesischen Phase-II-Studie, so Shun Lu, Shanghai, erhielten 70 solche Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren Savolitinib. Ein gutes Drittel davon (35,7 %) litt an einem PSC, 57 % an einem Adenokarzinom, keiner hatte vorher bereits eine gegen MET gerichtete Therapie erhalten [6].
Primärer Endpunkt war die ORR, die bei 49,2 % lag – bei einer Krankheitskontrollrate von über 90 %. Die mediane Ansprechdauer betrug 9,6 Monate, das mediane PFS 6,9 und das mediane OS 14 Monate. PSC-Tumoren sprachen etwa genauso gut an wie andere Formen von NSCLC; auch eine Vorbehandlung hatte keinen Einfluss auf die Ergebnisse.
Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3, vor allem periphere Ödeme, Nausea, erhöhte Leberwerte, Erbrechen und Hypoalbuminurie, gab es bei 41 % der Patienten, 14 % mussten die Behandlung nebenwirkungsbedingt abbrechen, meist wegen Leberfunktionsstörungen oder Hypersensitivität.
Weitere Daten zu HER2-mutierten Lungenkarzinomen mit einem Antikörper-Toxin-Konjugat wurden vorgestellt – mit einer ORR von über 60 %. Diese Substanz wird derzeit in weiteren Phase-II- und Phase-III-Studien bei HER2-IHC-positiven und HER2-mutierten Patienten geprüft. Ein weiteres interessantes Konzept wurde mit einem Anti-CEACAM5-Immuntoxin vorgestellt, das ebenfalls eine hohe Effektivität bei hoch CEA-exprimierenden Tumoren zeigte. Schließlich wurden die Daten zu Loxo 292 (Selpercatinib) und BLU667 (Pralsetinib) bei Patienten mit NSCLC und RET-Translokation aktualisiert; insbesondere die ZNS-Aktivität beider Substanzen konnte belegt werden.
Kleinzelliges Lungenkarzinom
Positive Daten für Pembrolizumab …
Fortgeschrittene kleinzellige Lungenkarzinome (extensive-stage, ES-SCLC) weisen eine hohe Mutationslast auf und sind daher eigentlich natürliche Ziele für Immuntherapien. Der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab ist in Kombination mit Carboplatin und Etoposid bereits zur Erstlinienbehandlung zugelassen [7], und in der Phase-III-Studie KEYNOTE-604 wurde Pembrolizumab nun bei insgesamt 453 Patienten in dieser Situation in Kombination mit einer Chemotherapie gegen die Chemotherapie alleine getestet, wie Charles Rudin, New York, berichtete [8].
Vier Zyklen einer Kombination aus Etoposid und einem Platinsalz wurden randomisiert mit einer Pembrolizumab-Erhaltungstherapie für bis zu zwei Jahre (200 mg alle drei Wochen) oder Placebo kombiniert. Patienten, die nach dem vierten Zyklus angesprochen hatten, konnten prophylaktisch kraniell bestrahlt werden.
Bei der zweiten geplanten Interimsanalyse nach median 13,5 Monaten war das PFS mit Pembrolizumab signifikant besser: Obwohl die Medianwerte mit 4,5 versus 4,3 Monaten identisch waren, spricht eine Hazard Ratio von 0,74 für eine signifikante Reduktion des Risikos um rund ein Viertel (p = 0,0023). Bei der finalen Analyse nach median 21,6 Monaten zeichnete sich auch beim OS ein Vorteil ab, mit median 10,8 versus 9,7 Monaten (HR 0,80). Der p-Wert lag zwar mit 0,0164 noch oberhalb des festgelegten Werts für statistische Signifikanz (p = 0,0128), aber in einer Post-hoc-Analyse der nach Protokoll behandelten Patienten wäre der Unterschied mit einer Hazard Ratio von 0,78 und einem p-Wert von 0,0124 knapp signifikant. Obwohl die Studie statistisch gesehen negativ war, stützt sie das Konzept der Kombination von Immun- und Chemotherapie beim metastasierten SCLC.
… und für Durvalumab
In der dreiarmigen Phase-III-Studie CASPIAN erhielten 805 Patienten mit nicht vorbehandeltem ES-SCLC Etoposid und ein Platinsalz alle drei Wochen (im Chemotherapie-Arm sechs, in den beiden anderen Armen vier Zyklen) und in den beiden experimentellen Armen zusätzlich den PD-L1-Antikörper Durvalumab alleine (1.500 mg) oder zusammen mit dem CTLA4-Inhibitor Tremelimumab (75 mg). Durvalumab wurde nach Ende der Chemotherapie in vierwöchigen Zyklen bis zur Progression weitergegeben, im dritten Arm mit einer zusätzlichen Dosis Tremelimumab. Im Chemotherapie-Arm war eine prophylaktische kranielle Bestrahlung erlaubt.
Nach median 25 Monaten war ein OS-Vorteil für die Kombination mit Durvalumab gegenüber der Chemotherapie alleine erkennbar (median 12,9 vs. 10,5 Monate; HR 0,75; p = 0,0032), so Luis Paz-Ares, Madrid [9]. Nach zwei Jahren waren in den beiden Armen noch 22,2 % bzw. 14,4 % der Patienten am Leben. Der Vorteil war in allen untersuchten Subgruppen erkennbar, im Arm der Kombination mit Durvalumab plus Tremelimumab zeigte sich hingegen kein signifikanter OS-Vorteil.
Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 waren unter Durvalumab bzw. alleiniger Chemotherapie etwa gleich häufig, allerdings war Durvalumab mit mehr Immun-Toxizitäten assoziiert. Die Durvalumab-Tremelimumab-Kombination war toxischer, insbesondere traten hier mehr Todesfälle auf. Durvalumab in Kombination mit Etoposid und Platin kann man daher als einen neuen Standard in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen SCLC ansehen, so Paz-Ares. Die Kombination von Durvalumab und Tremelimumab ist jedoch nicht effektiver als die reine Chemotherapie, d. h. wie in vorhergehenden Studien bringt Tremelimumab keinen additiven Vorteil zu Durvalumab.
Pleuramesotheliom
Das fortgeschrittene Pleuramesotheliom ist ein weiterer schwierig zu behandelnder Lungentumor, bei dem die Immuntherapien neue Optionen eröffnen: In der RAMES-Studie erhielten 81 Patienten mit Progression nach der letzten Dosis eines Platin- oder Pemetrexed-haltigen Erstlinien-Regimes Gemcitabin und zusätzlich randomisiert Placebo oder den anti-angiogenen Antikörper Ramucirumab an Tag 1 eines jeden Zyklus, wie Maria Pagano, Reggio Emilia, berichtete [10].
Mit der Kombination überlebten die Patienten median 13,8 Monate gegenüber nur 7,5 Monaten in der Placebogruppe (HR 0,71; 70-%-KI 0,59–0,85; p = 0,057). Nach einem Jahr waren noch 56,5 % bzw. 33,9 % der Patienten am Leben. Der Vorteil von Ramucirumab war unabhängig von der progressionsfreien Zeit nach der Erstlinien-Chemotherapie und vom histologischen Subtyp.
Beide Regimes waren gut verträglich, Unterschiede gab es lediglich beim Symptom Bluthochdruck vom Grad ≥ 3, das bei 6,3 % der Patienten im Ramucirumab-Arm, aber bei keinem im Placeboarm registriert wurde. Ramucirumab, so Pagano, stellt sich damit als gut verträgliche neue Option zur Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Pleuramesothelioms dar.