Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology 2020 (ASCO20 Virtual)
Neue Studiendaten zu gastrointestinalen Tumoren
Der Jahreskongress ASCO 2020 lieferte auch in seiner diesjährigen virtuellen Form interessante Studiendaten zur Behandlung gastrointestinaler Tumoren. Im folgenden Beitrag sind Kongress-Highlights zum Magenkarzinom und zu Übergangskarzinomen, zum Pankreas-, zum hepatozellulären sowie zum kolorektalen Karzinom zusammengestellt. Einige der neuen Studiendaten besitzen das Potential, in absehbarer Zeit den Therapiestandard zu verändern.
Magenkarzinom, Übergangskarzinome, Pankreaskarzinom, kolorektales Karzinom, Immuntherapie, Pembrolizumab, Apatinib, Durvalumab, Sintilimab, Ramucirumab
Magenkarzinom/Tumoren des Ösophagus/ösophagogastralen Übergangs
Perioperative Situation
Im Bereich der perioperativen Therapie stellte sich die Frage, ob eine Ergänzung des perioperativen Therapiestandards FLOT mit dem Antikörper Ramucirumab die nach wie vor schlechten Therapieergebnisse von Patienten mit resezierbarem gastroösophagealem Adenokarzinom verbessern kann. Dazu wurden die Ergebnisse des Phase-II-Teils der Phase-II/III-Studie RAMSES/FLOT7 der Arbeitsgruppe Internistische Onkologie (AIO) der Deutschen Krebsgesellschaft und der italienischen Gruppe GOIM vorgestellt. In die Untersuchung gingen 180 Patienten mit HER2-negativem Adenokarzinom, GEJ < cT2 oder cN+ ein, die nach 1:1-Randomisierung entweder FLOT oder FLOT plus Ramucirumab als perioperative Therapie erhielten. Primärer Endpunkt war die explorativ erhobene pathologische Komplettremission (pCR) oder die fast komplette Remission nach Becker, erhoben in einem zentralen Review [1].
Die Zugabe von Ramucirumab zu FLOT führte zu keiner Steigerung der pCR-Rate. Allerdings war eine signifikante Steigerung der R0-Resektionsrate durch Zugabe von Ramucirumab im Vergleich zu FLOT alleine zu verzeichnen (97 % vs. 83 %).
Wenn Patienten mit Siewert-Typ-I- Tumoren und Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren aus der Studie ausgeschlossen wurden, erwies sich die Kombination Ramucirumab/FLOT zudem als sichere Option. Nun soll die hohe R0-Resektionsrate in einer Phase-III-Studie weiter evaluiert werden.
Sehr interessante Ergebnisse gab es für die neoadjuvante Therapie HER2-positiver Tumoren. So wurde etwa in einer Phase-III-Studie der NRG Oncology/RTOG-1010-Gruppe die Fragestellung untersucht, ob bei Adenokarzinomen des Ösophagus T1N1–2, T2–3N0–1 die Zugabe von Trastuzumab zu einer neoadjuvanten Radiochemotherapie zu einer Ver-besserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS, primärer Endpunkt) führt – analog zur TOGA-Studie beim Magenkarzinom. Insgesamt zeigte sich kein synergistischer Effekt von Radiochemotherapie und Trastuzumab bei HER-2- positiven ösophagealen Adenokarzinomen. Die Zugabe von Trastuzumab zur Radiochemotherapie war zwar nicht mit zusätzlichen Toxizitäten assoziiert, enttäuschte aber in puncto Effektivität: Im Vergleich zur alleinigen trimodalen Therapie war weder eine Verbesserung des DFS (HR 0,97) noch des Gesamtüberlebens (OS, HR 1,01) oder der pCR (27 % vs. 29 %) festzustellen [2]. Insgesamt waren die DFS-Daten im Vergleich zur CROSS-Studie und zu perioperativen Studien mit FLOT deutlich kürzer, trotz höherer Strahlendosis (50,4 Gy). Dies könnte eventuell daran liegen, dass die HER2-Expression prognostisch bedeutsam ist bzw. in beiden Armen nur knapp über 80 % der Patienten eine Resektion erhielten. Dieses Konzept sollte in dieser Form nicht weiterverfolgt werden.
Nun sollen molekulare Analysen Subgruppen von Patienten identifizieren, die möglicherweise doch von der Zugabe von Trastuzumab profitieren. Zudem soll die Effektivität der HER2-Blockade in dieser Indikation zukünftig durch Antikörper-Drug-Konjugate wie Trastuzumab-Deruxtecan oder eine HER2-gerichtete Immuntherapie verbessert werden.
Eine weitere interessante Studie im perioperativen Setting war die Phase-II/III-Studie PETRARCA. Sie sollte die Frage beantworten, ob beim HER2-positiven resezierbaren gastroösophagealen Adenokarzinom die HER2-Doppelblockade mit Trastuzumab und Pertuzumab zusammen mit FLOT die Therapieergebnisse gegenüber FLOT alleine verbessern kann. Tatsächlich führte die Zugabe von Trastuzumab plus Pertuzumab zu FLOT zu einer signifikanten Verbesserung der pCR-Rate (35 % vs. 12 %; p = 0,002) und der Rate an nodal- negativen Patienten (68 % vs. 39 %) [3]. Unter der HER2-Doppelblockade mit FLOT traten allerdings mehr Diarrhöen und Leukopenien ab Grad 3 auf als mit FLOT allein (41 % vs. 5 % % bzw. 23 % vs. 13 %). Die Rate an R0-Resektionen sowie die chirurgische Morbidität und Mortalität waren in beiden Armen vergleichbar. Fazit: Laut Leitlinien kann die zusätzliche Anti-HER2-gerichtete Antikörpertherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren trotz der überzeugenden Ergebnisse nicht empfohlen werden. Bislang ist auch der Zusatznutzen der Pertuzumab-Therapie nicht erwiesen. Die Ergebnisse der noch rekrutierenden EORTC-INNOVATION- Studie bleiben abzuwarten.
Palliative Situation
Die randomisierte Phase-II-Studie DESTINY-Gastric01 untersuchte, ob das Antikörper-Drug-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) die Therapieergebnisse von Patienten mit HER2-positiven fortgeschrittenen Adenokarzinomen des Magens oder gastroösophagealen Übergangs die objektive Ansprechrate (ORR) im Vergleich zu einer Chemotherapie mit Irinotecan oder Paclitaxel verbessern kann [4]. 180 Patienten mit mindestens zwei Vortherapien und einer vorangegangenen Anti-HER2-Therapie erhielten nach 2:1-Randomisierung entweder 6,4 mg/kg Körpergewicht T-DXd oder das Zytostatikum. Die Daten waren vielversprechend: Unter dem Einfluss von T-DXd zeigte sich eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung der ORR und auch des OS im Vergleich zur Standard-Chemotherapie bei den fortgeschrittenen und mehrfach vorbehandelten Karzinomen (Tab. 1).