Neu diagnostiziertes Myelom
KRd in Induktion nicht überlegen
Trotz aller Fortschritte in der Therapie des Multiplen Myeloms in den letzten beiden Jahrzehnten kann die Mehrzahl aller Patienten nach wie vor nicht geheilt werden. Jüngere und fitte Patienten erhalten nach der Erstdiagnose in der Regel eine autologe Stammzelltransplantation, die übrigen am häufigsten die Dreierkombination aus dem Proteasominhibitor Bortezomib, dem Immunmodulator Lenalidomid und dem niedrig-dosierten Kortikosteroid Dexamethason (VRd) [1].
Mittlerweile muss Bortezomib sich aber gegen Nachfolgesubstanzen wie Carfilzomib und das oral verfügbare Ixazomib bewähren. Die Vermutung, dass Carfilzomib in Kombination mit Rd (KRd) dem Bortezomib überlegen sein könnte, basiert auf Daten aus mehreren Studien: In ENDEAVOR konnte in der rezidivierten/refraktären Situation Carfilzomib/Dexamethason (Kd) progressionsfreies und Gesamtüberleben (PFS) gegenüber Vd verdoppeln [2], und in einer Metaanalyse von vier kleineren Studien zeigte die Dreierkombination KRd auch in der Erstlinientherapie hohe Raten von qualitativ hochwertigem und lange andauerndem Ansprechen [3]. Deshalb wurde in der Phase-III-Studie ENDURANCE, deren erste Daten Shahi Kumar, Rochester, bei der virtuellen ASCO-Jahrestagung vorstellte, in der Induktionstherapie das Standardprotokoll VRd randomisiert mit KRd verglichen [4].
Primärer Endpunkt war der Unterschied im PFS, und hier war die Studie in der zweiten Interimsanalyse negativ mit median 34,6 Monaten für KRd und 34,4 Monaten für VRd (HR 1,04; p = 0,742).
Für über 70-jährige Patienten schien sich sogar ein (nicht signifikanter) Vorteil für den bisherigen Standard VRd abzuzeichnen (median 37 vs. 28 Monate; HR 1,29; 95-%-Konfidenzintervall 0,86–1,94), ebenso für Patienten mit normaler Zytogenetik (HR 1,35; 95-%-KI 0,99–1,45), während solche mit zytogenetischen Anomalien möglicherweise einen gewissen Vorteil von KRd haben könnten (HR 0,75; 0,50–1,15). Auch bei den Daten für das Gesamtüberleben (OS) gab es keinen Unterschied.
Bei den Nebenwirkungen waren die Ergebnisse gemischt: VRd fiel durch deutlich mehr periphere Neuropathien auf (53,4 % vs. 24,4 %, davon 8 % vs. 0,8 % vom Grad 3), obwohl Bortezomib in der Studie auch subkutan gegeben werden konnte. Hingegen wurden unter KRd häufiger Dyspnoe, ein Hypertonus, Herzinsuffizienz und akutes Nierenversagen registriert (16,1 % vs. 4,8 %, alle vom Grad 3–5).
Laut Kumar gibt es also derzeit keinen Grund, VRd als Erstlinien-Standard beim nicht transplantablen Myelom durch KRd abzulösen.
Viererkombination mit Isatuximab …
In der Deutschen Multiples-Myelom-Gruppe (GMMG) wird in der Studie CONCEPT der Effekt einer Zugabe des neuen CD38-Antikörpers Isatuximab zum KRd-Triplett in der Erstlinientherapie (Isa-KRd) untersucht. Eingeschlossen werden sollten etwa 150 Patienten mit neu diagnostiziertem Hochrisiko-Myelom mit oder ohne Eignung zur autologen Stammzelltransplantation. Das hohe Risiko wird durch zytogenetische Charakteristika definiert, nämlich das Vorliegen einer Deletion 17p, einer der beiden Translokationen t(4;14) oder t(14;16) oder von mehr als drei Kopien der chromosomalen Region 1q21 und einem ISS-Stadium (International Staging System) von II oder III. Die Patienten erhalten sechs Zyklen Isa-KRd zur Induktion, vier weitere Zyklen zur Konsolidierung sowie Isa-KR zur Erhaltung. Im Transplantationsarm wird eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation gegeben, bei den nicht transplantablen Patienten zwei zusätzliche Zyklen des Induktionsprotokolls.
Beim ASCO-Kongress konnte über eine Interimsanalyse der ersten 50 Patienten (davon 46 transplantabel) berichtet werden [5]. Primärer Endpunkt war das Verschwinden der minimalen Resterkrankung (MRD), die mittels Next-Generation-Durchflusszytometrie mit einer Empfindlichkeit von < 10-5 bestimmt wird und mit dem PFS sowie dem Gesamtüberleben korreliert.
Alle 50 Patienten, die in der Interimsanalyse ausgewertet wurden, sprachen auf die Therapie an, 90 % erzielten mindestens eine sehr gute partielle, 46 % eine (teil-weise stringente) Komplettremission, und im Arm mit den 46 transplantationsfähigen Patienten erreichten 20 von 33 daraufhin untersuchten Patienten (61 %) den primären Endpunkt der MRD-Negativität.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Interimsanalyse zeigen, dass die Gabe dieses Vierer-Regimes bei Hochrisiko-Patienten ebenso machbar und sicher ist wie die von anderen Vierer-Protokollen unter Einschluss von Anti-Myelom-Antikörpern, und dass sich damit tiefe Remissionen erreichen lassen. Die Studie hat ihre Rekrutierung im April 2020 beendet.
… und Elotuzumab
Nachdem der Anti-CD38-Antikörper Daratumumab mittlerweile Bestandteil von Standardprotokollen der Erstlinientherapie des Multiplen Myeloms ist, wurde in der GMMG in der Phase-III-Studie HD-6 bei 559 transplantationsfähigen Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom randomisiert die Zugabe des SLAMF7-Antikörpers Elotuzumab zum Induktionsstandard aus VRd (Elo-VRd vs. VRd) untersucht. Wie Hartmut Goldschmidt, Heidelberg, beim EHA-Kongress darstellen konnte [6], beendeten mehr als 90 % der Patienten in beiden Armen die vier vorgesehenen Zyklen der jeweiligen Induktionstherapie. Mit Ansprechraten von 85,6 % (VRd) bzw.
82,4 % (Elo-VRd; p = 0,35) und Raten von mindestens sehr guten partiellen Remissionen von 54 % (VRd) bzw. 58,3 % (Elo-VRd; p = 0,35) unterschieden sich beide Gruppen jedoch bisher nicht signifikant.
Beide Protokolle waren gleich gut verträglich, die einzigen Unterschiede zeigten sich bei den hämatologischen Nebenwirkungen ab Grad 2, die unter Elo-VRd mit 14,6 % signifikant häufiger waren als unter VRd (8,4 %; p = 0,02).
Vier bzw. neun Todesfälle waren mit der Induktionstherapie assoziiert. Es bleibt abzuwarten, ob zu späteren Zeitpunkten (etwa nach der Konsolidierung) Unterschiede bei den Ansprechraten oder ein Vorteil des Vierer-Regimes beim PFS und/oder beim OS zutage treten werden.
Rezidiviertes/refraktäres Myelom
CAR-T-Zellen auch beim Myelom
CAR-T-Zellen – bisher lediglich bei Rezidivpatienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen und Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) zugelassen – werden auch beim Multiplen Myelom in Stellung gebracht: Gegen das B-Cell Maturation Antigen (BCMA) gerichtete genetisch manipulierte T-Lymphozyten können auch bei stark vorbehandelten Patienten noch anhaltende und tiefe Remissionen bewirken, wie in mehreren beim ASCO-Kongress vorgestellten Studien gezeigt werden konnte.
BCMA auf Plasmazellen ist ein aussichtsreiches Ziel für Immuntherapien gegen Tumoren wie das Multiple Myelom. Ein CAR-T-Zell-Präparat mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) gegen BCMA, Idecabtagen Vicleucel (ide-cel oder bb2121), erhielten in der Phase-II-Studie KarMMa 128 Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Myelom, so Nikhil Munshi, Boston [7]. Die erste Analyse der Daten zeigte bei 73 % ein Ansprechen, darunter 31 % komplette Remissionen, und das progressionsfreie Überleben lag bei 8,6 Monaten. Beide Ergebnisse verbesserten sich mit steigender Dosierung der Zellen – bei 450 x 106 Zellen auf 82 % (davon 35 % Komplett-remissionen) bzw. median 11,3 Monate.
Ein Zytokin-Release-Syndrom (CRS), eine klassische Komplikation einer solchen Behandlung, trat bei 84 % der Patienten auf, war aber fast ausschließlich vom Grad 1 oder 2; ein Patient verstarb allerdings daran. Neurotoxizitäten, ebenfalls typisch für CAR-T-Zellen, wurden in 18 % der Fälle registriert, waren aber nur bei vier Patienten (3 %) vom Grad 3. Die maximale Expansion der CAR-T-Zellen war nach median elf Tagen erreicht, die Endwerte hingen von der Dosierung der Zellen ab.
Ein weiteres CAR-T-Zell-Konstrukt (JNJ-4528) trägt an seinem chimären Rezeptor zwei gegen das BCMA-Molekül gerichtete Einzelketten-Antikörperfragmente. Dadurch verstärkt sich die Affinität für das Antigen. Erprobt wurde es in der Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE, die Jesus Berdeja, Nashville, ebenfalls beim ASCO-Kongress vorstellte [8]. Bislang wurden 29 Patienten eingeschlossen, die mindestens drei, im Median sogar fünf Vortherapien erhalten hatten; 86 % waren gegen die drei wichtigsten Myelom-Therapiemodalitäten (Proteasominhibitoren, Immunmodulatoren, CD38-Antikörper) refraktär.
Die angestrebte Zieldosis (0,75 x 106 CAR-T-Zellen/kg) wurde bei etwa der Hälfte der Patienten erreicht. 93 % entwickelten ein CRS, das auch hier nur bei zwei Patienten von einem Grad > 2 war, aber auch hier verstarb ein Patient daran. Die Wirkung des CAR-T-Zell-Präparats war dafür sehr hoch, mit einer Gesamtansprechrate von 100 %; 25 der 29 Patienten (86 %) erreichten eine stringente Komplettremission, also mit Normalisierung der freien κ- und λ-Ketten.
Nach median 11,5 Monaten waren 76 % der Patienten progressionsfrei am Leben. Die minimale Resterkrankung (MRD) konnte bei 16 Patienten bestimmt werden, von denen 13 (81 %) bei einer Empfindlichkeit von 10-5 und elf (69 %) sogar bei einer Sensitivität von 10-6 MRD-negativ waren.
Bei so stark vorbehandelten Patienten sind so hohe Ansprechraten und dauerhafte Remissionen sehr bemerkenswert; damit hat JNJ-4528 gute Aussichten, sich als innovative Immuntherapie zu etablieren. Der Phase-II-Anteil der Studie ist mittlerweile komplett rekrutiert, so Berdeja, weitere Studien der Phasen II und III haben begonnen, und die Zulassung in den USA wird bald erwartet, nachdem das Präparat von der FDA bereits den Status einer Breakthrough-Therapie erhalten hat.
Amyloidose
Proteasominhibitor im Rezidiv
Bei der primär systemischen Amyloidose (auch AL-Amyloidose) lagern sich infolge einer monoklonalen Gammopathie Immunglobulin-Leichtketten vor allem in Nieren, Herz, peripherem Nervensystem und Leber ab. Die daraus resultierende Beeinträchtigung der Organfunktion geht mit einem deutlich kürzeren Überleben einher. Eine Hochdosistherapie verbessert die Prognose, ist aber selbst mit einer hohen Komplikationsrate assoziiert. In der Erstlinientherapie der AL-Amyloidose wird häufig Bortezomib gegeben, aber für Patienten mit Rezidiv werden dringend neue Therapieoptionen benötigt.
Der oral verfügbare Proteasominhibitor Ixazomib ist in Kombination mit Rd zur Behandlung des rezidivierten Myeloms zugelassen. In der ersten Phase-III-Studie zur rezidivierten/refraktären Amyloidose wurde er in Kombination mit Dexamethason randomisiert gegen eine Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes getestet. Beim primären Endpunkt (hämatologische Gesamtansprechrate) war Ixazomib zwar nicht überlegen gewesen, wohl aber bei den zeitabhängigen Endpunkten wie Verbesserungen der Organfunktion, progressionsfreies und Gesamtüberleben [9]. Efstathios Kastritis, Athen, zeigte beim ASCO-Kongress eine Subgruppenanalyse, in der Patienten mit (n = 78) und ohne vorherige Proteasominhibitor-Behandlung (n = 86) verglichen wurden [10].
Hier zeigte sich ein Vorteil bei praktisch allen Parametern vor allem für die Proteasominhibitor-naiven Patienten – von der Zeit bis zum Organversagen über progressionsfreies Überleben, Zeit bis zum Therapieversagen und zur nächsten erforderlichen Therapie bis zum Gesamtüberleben –, auch wenn dieser Vorteil aufgrund der nun kleineren Patientenzahlen meist nicht signifikant ausfiel. Mit Proteasominhibitoren vorbehandelte Patienten profitierten hingegen nur in sehr viel geringerem Maß oder gar nicht von der Therapie mit Ixazomib. Auch Nebenwirkungen, die mit diesen Substanzen assoziiert werden, wie Diarrhö, Hautausschläge und periphere sensorische Neuropathien, wurden bei den nicht vorbehandelten Patienten häufiger registriert.