Hodgkin-Lymphom
Das Hodgkin-Lymphom ist einer der am besten heilbaren menschlichen Tumoren überhaupt mit Heilungsraten von über 90 %. Je nach Krankheitsstadium werden Chemotherapie-Kombinationen verschiedener Intensität in Kombination mit konsolidierenden Strahlentherapien eingesetzt, bei Rezidiven gab es Salvage-Strategien, darunter verschiedene Chemotherapie-Formen, sowie die autologe Stammzelltransplantation (ASCT).
In den letzten Jahren wurden beim Hodgkin-Lymphom vor allem zwei Strategien verfolgt: Zum einen sollten die teilweise sehr toxischen Chemotherapien in randomisierten Studien kontrolliert de-eskaliert werden, zum anderen wurden neue Therapiemodalitäten abseits der klassischen Chemotherapie eingeführt, wie das Antikörper-Drug-Konjugat Brentuximab Vedotin sowie Inhibitoren des PD-1-Immuncheckpoint-Moleküls, wie Nivolumab und Pembrolizumab. Alle drei Substanzen sind in der rezidivierten oder refraktären Situation zugelassen – nach oder anstelle einer ASCT –, Brentuximab Vedotin mittlerweile auch in der Erstlinie, und zwar basierend auf der Phase-III-Studie ECHELON-1 [1].
Im Rezidiv Checkpoint-Inhibitor besser als Immuntoxin
In der Phase-III-KEYNOTE-204-Studie wurden beide Therapieprinzipien nun erstmals randomisiert direkt beim rezidivierten oder refraktären Hodgkin-Lymphom miteinander verglichen [2]. Eingeschlossen wurden die insgesamt 304 Patienten unabhängig davon, ob sie Brentuximab Vedotin bereits erhalten hatten oder nicht. Jeweils im Abstand von drei Wochen bekamen sie i. v. entweder Pembrolizumab (200 mg) oder Brentuximab Vedotin (1,8 mg/kg). Primäre Endpunkte waren progressionsfreies (PFS) sowie Gesamtüberleben (OS), aber in der zweiten Interimsanalyse, die John Kuruvilla, Princess Margaret Cancer Center, Toronto, beim ASCO-Kongress vorstellte, wurden lediglich die Daten zum PFS diskutiert.
Nach median etwa zwei Jahren Nachbeobachtungszeit waren die Patienten im Pembrolizumab-Arm mit median 305 Tagen etwa doppelt so lange behandelt worden wie die im Brentuximab-Arm (146,5 Tage); knapp jeder dritte Patient hatte nach der Studienmedikation eine autologe oder seltener allogene Stammzelltransplantation erhalten. Unter Pembrolizumab war das PFS signifikant länger als unter Brentuximab Vedotin (median 13,2 vs. 8,3 Monate), die 1-Jahres-Raten betrugen 53,9 % bzw. 35,6 % (HR 0,65; 95-%-Konfidenzintervall 0,48–0,88; p = 0,00271). Ein Vorteil für Pembrolizumab zeigte sich in allen untersuchten Subgruppen – u. a. bei Patienten, die keine ASCT erhielten (HR 0,61), bei solchen mit primär refraktärer Erkrankung (HR 0,52), sowie unabhängig davon, ob die Patienten zuvor bereits Brentuximab Vedotin erhalten hatten (HR 0,34) oder nicht (HR 0,67).
Auch bei der Gesamtansprechrate war ein Vorteil für Pembrolizumab erkennbar (65,6 % vs. 54,2 %), nicht aber bei den Komplettremissionen (24,5 % vs. 24,2 %); die Dauer des Ansprechens war aber unter Pembrolizumab deutlich länger als unter Brentuximab Vedotin (median 20,7 vs. 13,8 Monate). Die Toxizitätsprofile boten gegenüber dem bisher für die beiden Substanzen bekannten Profil keine Überraschungen: An therapiebedingten Nebenwirkungen vom Grad 3–5 wurden im Pembrolizumab-Arm häufiger immunologisch bedingte Toxizitäten, im Brentuximab-Arm mehr Nausea und Neurotoxizitäten registriert. Damit, so John Kuruvillas Fazit, stellt Pembrolizumab den neuen Therapiestandard für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Hodgkin-Lymphom dar, die nach einer ASCT rezidivieren oder sich dafür nicht eignen.
Bei negativem PET nach Chemotherapie Verzicht auf die Bestrahlung
In der Erstlinientherapie des Hodgkin-Lymphoms mit ungünstiger Prognose („early unfavourable“) war eine multimodale Kombination aus Chemotherapie („2 + 2“) und Radiotherapie (30 Gy) bisher der Standard. In der HD17-Studie, deren erste Ergebnisse beim virtuellen EHA-Kongress vorgestellt wurden, zeigte sich, dass man unter bestimmten Voraussetzungen bei zwei Dritteln der Patienten tatsächlich auf die Bestrahlung verzichten kann.
Die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) hatte früher gezeigt, dass man in der Erstlinientherapie des prognostisch ungünstigen Hodgkin-Lymphoms mit dem „2 + 2“-Regime – zwei Zyklen BEACOPPeskaliert (Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Procarbazin und Prednison) und zwei Zyklen ABVD (Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin) – sowie einer anschließenden konsolidierenden Radiotherapie (30 Gy „involved field“) bessere Ergebnisse erzielt als mit vier Zyklen ABVD. Die Langzeitnebenwirkungen der Chemo- und vor allem der Strahlentherapie sind allerdings bei der z. T. recht jungen Patientenklientel ein Problem. In der internationalen HD17-Studie untersuchte die GHSG daher randomisiert, ob man unter bestimmten Voraussetzungen – nämlich bei negativer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nach der Chemotherapie – auf die Bestrahlung verzichten kann, ohne den Therapieerfolg zu gefährden.
1.100 Patienten mit „early unfavourable“ Hodgkin-Lymphom im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, so Peter Borchmann, Köln, wurden vor Beginn der Therapie randomisiert [3]: Sie sollten entweder die komplette Standardtherapie erhalten oder im Falle eines negativen PETs nach Ende der „2 + 2“-Chemotherapie (bei einem Deauville-Score von unter 3) nicht mehr bestrahlt werden.
Von 979 Patienten, für die ein bestätigtes finales PET-Ergebnis verfügbar war, waren zwei Drittel (66,5 %) PET-negativ, während 24,3 % einen Deauville-Score von 3 und 9,2 % einen Score von 4 aufwiesen. Nach median knapp vier Jahren Nachbeobachtungszeit lag die 5-Jahres-PFS-Rate im Standardarm bei 97,3 %, im PET-geführten Arm, bei dem die Radiotherapie weggelassen worden war, bei
95,1 %; die geringe Differenz bestätigte damit nach dem vorab definierten statistischen Plan die Nicht-Unterlegenheit der PET-geführten Strategie. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in einer Reihe von Sensitivitätsanalysen, etwa wenn nur die PET-negativen Patienten in beiden Therapiearmen miteinander verglichen wurden.
Von den mit der konventionellen multimodalen Therapie behandelten Patienten schnitten die PET-positiven beim 5-Jahres-PFS mit 94,2 % deutlich besser ab als die PET-negativen mit 97,6 % (HR 3,03; 95-%-KI 1,1–8,3 %). Wenn ein Deauville-Score von 4 als Cut-off-Wert angesetzt wurde, war der Unterschied noch stärker ausgeprägt, mit einer 5-Jahres-Rate von 81,6 % versus 98,8 % bei einem Score von 3 und 97,6 % bei einem Score von 1 oder 2. Ein Score von 4 ist also eindeutig ein relevanter Risikofaktor für ein Therapieversagen. Die Gesamtüberlebensdaten nach fünf Jahren waren praktisch identisch.
Ein Verzicht auf die konsolidierende Bestrahlung bei negativem PET nach der „2 + 2“-Chemotherapie ist damit, so Peter Borchmann, der neue Therapiestandard der GHSG beim frühen Hodgkin-Lymphom mit ungünstiger Prognose. Die langfristige Nachverfolgung der Patienten wird möglicherweise zeigen, dass man durch eine solche Individualisierung der Therapie nicht nur die Akutfolgen, sondern auch das Risiko für Spätfolgen der Radiotherapie reduzieren kann.
Mantelzell-Lymphom
Dreierkombination in Erstlinie hochwirksam
Das neu diagnostizierte Mantelzell-Lymphom (MCL) wird heute standardmäßig mit einer Chemoimmuntherapie unter Einschluss des Anti-CD20-Antikörpers Rituximab behandelt, ist aber damit bislang nicht dauerhaft heilbar. Eine beim EHA-Kongress vorgestellte Phase-I-Studie fand in einem kleinen Patientenkollektiv eine bemerkenswerte Wirksamkeit für die Dreierkombination aus Ibrutinib, Venetoclax und Obinutuzumab.
Der Bruton-Tyrosin-Kinase(BTK)-Inhibitor Ibrutinib, der den Signalübertragungsweg des B-Zell-Rezeptors hemmt, ist für das rezidivierte oder refraktäre MCL zugelassen. Daneben zeigen auch andere zielgerichtete Medikamente in der Salvage-Situation bemerkenswerte Wirksamkeit, darunter der BCL2-Inhibitor Venetoclax, der die Lymphom-Zelle wieder Apoptose-sensitiv macht, und der Typ-II-Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab. Da Kombinationstherapien das Risiko einer Resistenzentwicklung verringern, wurde die Dreierkombination in einem Arm der multizentrischen Phase-I-Studie OAsIs auch beim neu diagnostizierten MCL getestet.
Wie Steven Le Gouill, Nantes, berichtete [4], wurden Obinutuzumab und Venetoclax über zwei Jahre und Ibrutinib bis zur Progression gegeben. Er konnte die Ergebnisse für bislang 15 Patienten bis nach dem sechsten Zyklus präsentieren: An nicht-hämatologischen Grad-3/4-Nebenwirkungen wurden hepatobiliäre Funktionsstörungen (n = 4) und ein Grad-3-Hautausschlag registriert, an hämatologischen Toxizitäten eine Grad-3-Lymphozytose und eine Grad-4-Neutropenie.
Schon nach dem zweiten Zyklus waren alle 15 Patienten nach den Cheson-99-Kriterien in Remission (von denen acht komplett waren), nach dem sechsten Zyklus wurden anhand der Lugano-Kriterien 13 Komplettremissionen, eine partielle Remission und eine Progression nach dem vierten Zyklus diagnostiziert. Alle entsprechend getesteten Patienten waren nach dem dritten (n = 12) bzw. nach dem sechsten Zyklus (n = 10) negativ für eine minimale Resterkrankung (MRD), darunter auch ein Patient mit einer p53-Mutation. Nach median 14 Monaten befinden sich alle 14 nicht progredienten Patienten in Komplettremission und erhalten weiterhin die vorgesehene Behandlung. Die PFS-Rate nach einem Jahr liegt bei 93,3 %, kein Patient ist bislang verstorben.
Die Dreierkombination aus Ibrutinib, Venetoclax und Obinutuzumab scheint in der Erstlinie noch wirksamer zu sein als in der Rezidivsituation, sagte Le Gouill – ein Ergebnis, das natürlich erst einmal in größeren, randomisierten Studien gegen die bisherigen Standardtherapien getestet werden muss.
ZNS-Rezidiv: Ibrutinib von Vorteil
MCL rezidivieren sehr selten ins Zentralnervensystem, weshalb es für diese Patienten bis heute keinen Therapiestandard gibt. Bei herkömmlichen Therapien liegen die medianen Überlebenszeiten bei weniger als einem halben Jahr. Da Ibrutinib liquorgängig sowie zur Therapie des rezidivierten oder refraktären MCL zugelassen ist und in kleinen Fallserien auch intrakranielle Wirksamkeit gezeigt hat, sammelten die italienische Lymphom-Studiengruppe und das Europäische MCL-Netzwerk Fallberichte von Patienten mit dokumentierten ZNS-Rezidiven eines MCL aus 38 europäischen Zentren und analysierten sie retrospektiv.
Wie Chiara Rusconi, Mailand, beim EHA-Kongress berichtete, hatten 58 der insgesamt 84 registrierten Patienten eine konventionelle Standardtherapie erhalten, ein knappes Drittel hingegen (n = 26) Ibrutinib [5]. Die Rezidivtherapie bestand im Standardarm bei etwa der Hälfte der Patienten aus Rituximab und einer liquorgängigen Komponente (hochdosiertes Methotrexat mit oder ohne hochdosiertem Cytarabin, bei zwei Patienten eine Ifosfamid-basierte Therapie). Andere Patienten erhielten Rituximab plus Bendamustin (11 %), eine intrathekale Chemotherapie (29 %) oder eine Strahlentherapie (12 %). Bei 78 % der Patienten wurde eine intrathekale Therapie gegeben. Die Patienten in der Ibrutinib-Gruppe erhielten den BTK-Inhibitor mit 560 mg/d bis zum Auftreten einer Progression oder von Toxizität, in knapp der Hälfte der Fälle parallel zu einer Chemotherapie.
Die Gesamtansprechrate lag für 79 auswertbare Patienten unter Ibrutinib bei 72 %, unter der Standardtherapie bei 39 %, wobei die Komplettremissionsrate durch den BTK-Inhibitor mehr als verdoppelt wurde (42 % vs. 17 %). Bei den Patienten mit liquorgängigen Substanzen in der Standardbehandlung lagen die Werte mit 46 % Gesamt- und 22 % Komplettremissionen nur geringfügig höher. Der Unterschied bei den Komplettremissionen zum Ibrutinib-Arm (42 % vs. 22 %) war statistisch signifikant (p = 0,02), ebenso die Differenz bei den 1-Jahres-OS-Raten (61 % vs. 16 %; HR 0,29; p < 0,001) – auch wenn nur Standardprotokolle mit liquorgängigen Medikamenten berücksichtigt wurden (59 % vs. 25 %; HR 0,39; p = 0,011). Eine intrathekale Therapie brachte in keinem der beiden Arme zusätzlichen Nutzen.
Dies ist die erste größere Kohortenstudie mit diesem schwierig zu behandelnden Kollektiv, so Rusconi, in der deutliche Vorteile für eine Ibrutinib-haltige Therapie gegenüber herkömmlichen Immunchemotherapien beim Ansprechen ebenso wie beim Gesamtüberleben nachgewiesen werden konnten – bei allen Einschränkungen wegen der retrospektiven Natur der Studie.
Aggressive NHL
Rezidiviertes/refraktäres DLBCL: Ansprechen und Überlebenschance verdoppelt
Viele diffus-großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) sind bereits in der Erstlinie heilbar, aber Patienten mit Rezidiv oder gar primär refraktärer Erkrankung haben eine schlechte Prognose, vor allem wenn sie sich nicht für eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) eignen. Der Immunmodulator Lenalidomid zeigt hier mäßige Aktivität, die aber in der einarmigen Phase-II-Studie L-MIND durch den Anti-CD19-Antikörper Tafasitamab (MOR208) erheblich verstärkt werden konnte. Um den Anteil des Antikörpers besser herauszuarbeiten, wurden die 81 Patienten der L-MIND-Kohorte mittels Propensity-Score-Matching mit einer Kohorte verglichen, die Lenalidomid als Monotherapie mit initial mindestens 25 mg/d erhalten hatten (RE-MIND).
Das Matching dieser retrospektiv ausgewerteten Real-World- mit der L-MIND-Kohorte erstreckte sich auf neun Kovariable (Alter, Krankheitsstadium, Anzahl der Vortherapien, Refraktärität gegenüber der letzten Therapie, primäre Refraktärität, vorhergehende ASCT, Neutropenie, Anämie und erhöhte Laktatdehydrogenase). Primärer Endpunkt war das Ansprechen, sekundäre Endpunkte Gesamtüberleben und Komplettremissionsraten, so Pier Luigi Zinzani, Bologna, beim EHA-Kongress [6].
Insgesamt wurden aus jeder der beiden Kohorten 76 vollständig gematchte Patienten miteinander verglichen – mit eindeutiger Überlegenheit für die Tafasitamab-Zugabe: Die Gesamtansprechrate war hier praktisch verdoppelt (67,1 % vs. 34,2 %; Odds Ratio 3,89; p < 0,0001). Daneben wurde das Mortalitätsrisiko durch die Kombination halbiert (HR 0,47; 95-%-KI 0,30–0,73). Überdies war die Rate an Komplettremissionen mit dem Antikörper mehr als dreimal höher (39,5 % vs. 11,8 %).
Diese Analyse zeigt laut Pier Luigi Zinzani, dass man mit sorgfältig gematchten Real-World-Daten die Daten nicht randomisierter Studien besser interpretieren und zwei Behandlungsprotokolle miteinander vergleichen kann. Konkret zeigt die Analyse, dass die in vitro bekannte synergistische Wirkung der Kombination aus Lenalidomid und Tafasitamab auch klinisch relevant ist, was klinische Eckdaten wie Ansprechrate, Komplettremissionen und Gesamtüberleben angeht.
Re-Exposition gegenüber CAR-T-Zellen
Autologe T-Lymphozyten mit gentechnisch implantiertem chimärem Antigen-Rezeptor (CAR-T-Zellen) haben die Therapie von refraktären aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen in den letzten Jahren auf eine völlig neue Basis gestellt. In der Zulassungsstudie ZUMA-1 hatte das CAR-T-Zellprodukt Axicabtagen Ciloleucel (Axi-Cel) bei mindestens zweifach vorbehandelten Patienten eine Ansprechrate von 83 % mit 58 % Komplettremissionen erzielt [7]. Da etwa die Hälfte der Patienten wieder rezidiviert, stellte sich die Frage, ob man bei ihnen mit einer Re-Exposition gegenüber den Zellen ein nochmaliges Ansprechen erreichen kann. In der ZUMA-1-Studie wurde bei bislang 13 Patienten dieser Versuch gemacht, über den Frederick Locke, Tampa, beim ASCO-Kongress berichtete [8]: Sechs dieser Patienten hatten bei der ersten CAR-T-Zelltherapie eine Komplettremission erreicht, und von ihnen schafften vier das auch bei der zweiten Behandlung, während das von den sechs Patienten mit partieller Remission in der ersten Therapie nur bei zweien gelang. Bei zwei Patienten dauerte das Ansprechen länger an als beim ersten Mal, einer, so Locke, war auch nach 255 Tagen noch in Remission. Die Expansion der modifizierten T-Zellen fiel beim zweiten Mal deutlich geringer aus, während die Häufigkeit von Zytokin-Release-Syndromen etwa gleich war. Neurologische Toxizitäten wurden seltener beobachtet als bei der ersten Therapie, und diejenigen, die auftraten, waren von niedrigeren Graden. Ob sich eine solche Re-Exposition als sinnvoll erweist, wird sich erst nach Behandlung von noch mehr Patienten herausstellen.
Indolente NHL
CAR-T-Zellen vielversprechend
Zugelassen sind gegen den CD19-Rezeptor gerichtete CAR-T-Zellen bislang nur bei rezidivierten oder refraktären aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL), aber Axi-Cel wird mittlerweile auch in anderen Indikationen getestet – in der ZUMA-5-Studie etwa bei indolenten NHL. Diese Erkrankungen, vor allem das follikuläre und das Marginalzonen-Lymphom (MZL), sind im Regelfall unheilbar, weil sie bei den meisten Patienten immer wieder rezidivieren [9]. In der ZUMA-5-Studie wurden 94 Patienten mit mindestens zweifach (median dreifach) vorbehandelten rezidivierten oder refraktären indolenten NHL (80 follikuläre, 14 MZL) mit Axi-Cel behandelt, so Caron Jacobson, Boston [10]. Primärer Endpunkt war die Ansprechrate, die bei 94 % lag – mit 79 % Komplettremissionen; bei den follikulären Lymphomen waren die Werte mit 95 % (80 % komplett) geringfügig besser als bei den MZL (86 % bzw. 71 %). Nach median 11,5 Monaten waren 68 % der Patienten mit follikulären Lymphomen in andauernder Remission; die Dauer des Ansprechens war hier mit median 20,8 Monaten etwa doppelt so lang wie bei den MZL (10,6 Monate). Ähnlich waren die Verhältnisse beim PFS (median 23,5 vs. 11,8 Monate).
Zytokin-Release-Syndrome und Neurotoxizitäten vom Grad 3 oder höher wurden bei 11 % bzw. 19 % der Patienten beobachtet; sie traten nach median vier bzw. sieben Tagen auf und dauerten median sechs bzw. 14,5 Tage an. Ein Multi-Organ-Versagen im Kontext eines Zytokin-Release-Syndroms und eine nicht therapiebedingte Aortendissektion verliefen tödlich. Axi-Cel, so Jacobson, stellt also auch in dieser Indikation eine vielversprechende Therapieoption dar, deren Verträglichkeit vergleichbar zu der bei den aggressiven Lymphomen ist.
Morbus Waldenström: neuer BTK-Inhibitor wirksam
Der Morbus Waldenström ist ein seltenes indolentes NHL mit Knochenmarksinfiltration und monoklonaler Gammopathie. Die wichtigste genetische Anomalie ist eine L265P-Punktmutation im MYD88-Gen, die anti-apoptotisch wirkt. Eine der wichtigsten therapeutischen Entwicklungen beim M. Waldenström in den letzten Jahren war die Einführung des BTK-Inhibitors Ibrutinib. Der Zweitgenerations-BTK-Inhibitor Zanubrutinib ist selektiver und mindestens so wirksam wie Ibrutinib; beim ASCO-Kongress wurden neue Daten zur Anwendung beim M. Waldenström vorgestellt.
In einer Phase-I/II-Studie mit neu dia-gnostizierten wie auch rezidivierten/refraktären Erkrankungen hatten laut Constantine Tam, Melbourne, nach drei Jahren 70 von 73 auswertbaren Patienten eine Remission erreicht (96 %), darunter 33 sehr gute partielle Remissionen (45 %) und eine komplette Remission (1%; [11]). Die Rate an mindestens sehr guten partiellen Remissionen hatte zwischen einem halben und zwei Jahren nach Beginn der Behandlung von 22 % auf 46 % zugenommen. Nach drei Jahren lebten noch 85 % der Patienten, 81 % progressionsfrei. In der Erstlinie sowie bei Mutationen im MYD88- und gleichzeitig im CXCR4-Gen schien das Ansprechen besser zu sein.
Diese gute und mit der Zeit zunehmende Wirksamkeit bei akzeptabler Verträglichkeit bestätigte sich laut Tam in der Phase-III-Studie ASPEN, in der in einer Kohorte 201 Patienten mit MYD88-Mutation auf eine Behandlung mit entweder Zanubrutinib oder Ibrutinib randomisiert worden waren [12]. Im Zanubrutinib-Arm fanden sich mehr über 75-jährige (33 % vs. 22 %) sowie mehr anämische Patienten (66 % vs. 54 % mit Hb ≤ 11 g/dl). Formal war die Studie negativ, weil beim primären Endpunkt (mindestens sehr gute partielle Remissionen) der vorab festgelegte Unterschied von 35 % versus 15 % zwischen experimenteller und Kontrollgruppe nach einem Jahr verfehlt wurde: Die Differenz lag bei 28,4 % versus 19,2 % zugunsten von Zanubrutinib, bei der Gesamtansprechrate differierten die Gruppen mit 77,5 % versus 77,8 % überhaupt nicht, ebenso wenig wie beim PFS und beim OS. Allerdings schien sich der Unterschied im primären Endpunkt zwischen den Armen mit der Zeit zu vertiefen, was in einer deskriptiven Analyse statistische Signifikanz erreichte (p = 0,04). Auch die IgM-Konzentrationen nahmen unter Zanubrutinib signifikant stärker ab (p = 0,037).
Bei der Verträglichkeit war der Zweitgenerations-Inhibitor – vermutlich aufgrund seiner stärkeren Selektivität – im Vorteil: Deutlich seltener traten zum Beispiel Vorhofflimmern bzw. -flattern auf (2 % vs. 15,3 %; p = 0,0008), nicht signifikant reduziert waren auch stärkere Blutungen (5,9 % vs. 9,2 %), Diarrhö (20,8 % vs. 31,6 %) und ein Hypertonus (10,9 % vs. 17,3 %). Infektionen traten unter Zanubrutinib trotz höherer Neutropenie-Raten nicht häufiger auf, und Nebenwirkungs-bedingte Todesfälle, Behandlungsabbrüche oder -unterbrechungen waren seltener.
Trotz des formal negativen Ausgangs der Studie scheint Zanubrutinib dem Erstgenerations-Inhibitor überlegen zu sein, ganz sicher bei der Verträglichkeit, wo insbesondere die für Ibrutinib bekannten kardialen Nebenwirkungen erheblich seltener waren.
CLL
Chemotherapie-frei und zeitlich begrenzt
Bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) spielen klassische Chemotherapien zunehmend nur mehr eine untergeordnete Rolle, und zudem verfestigt sich der Eindruck, dass zielgerichtete und Chemotherapie-freien Kombinationen häufig nur noch zeitlich begrenzt eingesetzt werden müssen. Wegbereitend war hier die CLL14-Studie der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG), zu der beim ASCO-Kongress eine aktualisierte Auswertung mit etwa 40 Monaten Nachbeobachtungszeit vorgestellt wurde.
Insgesamt 432 Patienten mit De-novo-CLL und relevanten Komorbiditäten hatten hier randomisiert je zur Hälfte die Immunchemotherapie-Kombination aus dem Zytostatikum Chlorambucil und dem CD20-Antikörper Obinutuzumab (ClbO) aus der CLL11-Studie [13] oder eine Kombination erhalten, in der Chlorambucil gegen den BCL2-Inhibitor Venetoclax ausgewechselt worden war (VenO). Außerdem wurde im Gegensatz zu den meisten anderen neuen zielgerichteten Therapien die Behandlung mit Venetoclax auf zwölf Zyklen bzw. 10,5 Monate begrenzt. Bereits nach einem Follow-up von median knapp 30 Monaten war VenO hinsichtlich der Gesamtansprech-rate signifikant überlegen gewesen (p = 0,001), mit doppelt so vielen kompletten Remissionen im Knochenmark [14]. Mittlerweile ist die Kombination aufgrund dieser Daten zur Therapie nicht vorbehandelter Patienten mit CLL zugelassen, und beim ASCO-Kongress stellte Othman Al-Sawaf, Köln, eine aktualisierte Auswertung mit einem Follow-up von median knapp 40 Monaten vor [15].
Das Risiko für Progression oder Tod war nun unter VenO gegenüber der Vergleichstherapie um mehr als zwei Drittel reduziert (HR 0,31; 95-%-KI 0,22–0,44; p < 0,001), die 3-Jahres-PFS-Raten betrugen 81,9 % versus 49,5 %. Von der neuen Kombination profitierten alle Subgruppen von Patienten, auch solche mit 17p-Deletion und mit mutiertem ebenso wie unmutiertem IGHV.
Die Analyse der minimalen Resterkrankung (MRD) zeigte hohe Raten an MRD-Negativität (< 10-4) unter VenO 18 Monate nach Therapieende (47,2 % gegenüber nur 7,4 % im Kontrollarm); drei Monate nach Therapieende waren es 75,5 % versus 35,2 % gewesen (p < 0,001). Nach Therapieende hatten MRD-negative Patienten unter jeder der beiden Therapien ein deutlich und hochsignifikant längeres PFS als die mit positiver MRD (HR 0,10; 95-%-KI 0,06–0,15; p < 0,001). Interessanterweise ist die Prognose bei MRD-Negativität unabhängig von der Tiefe des klinischen Ansprechens.
Beim Gesamtüberleben war, wie bei einer so indolenten Erkrankung wie der CLL nicht anders zu erwarten, noch kein Unterschied zu erkennen (HR 1,03; p = 0,92), aber die Rolle von VenO als Standard-Erstlinientherapie der CLL wird durch diese Ergebnisse bekräftigt, so Al-Sawaf.
GIVe bei CLL mit Hochrisiko-Zytogenetik
Bestimmte genetische Alterationen, insbesondere eine Deletion 17p (del17p) bzw. TP53-Mutationen (TP53mut) definieren bei der CLL ein besonderes Hochrisikokollektiv mit notorisch schlechter Prognose unter den konventionellen Immunchemotherapien; die modernen zielgerichteten Substanzen wie BTK-Inhibitoren oder BCL2-Inhibitoren liefern hier deutlich bessere Ergebnisse. Die GCLLSG entwickelt derzeit Strategien, um auch diese Patienten mit besonders wirksamen Protokollen behandeln zu können. Auch in der CLL14-Studie (s. o.) hatten sie unter VenO eine ungünstigere Prognose aufgewiesen als die anderen Patienten. Da auch der BTK-Inhibitor Ibrutinib (I) gute Wirksamkeit zeigt, erhielten insgesamt 41 Patienten mit neu diagnostizierter CLL und del17p/TP53mut in der internationalen Phase-II-Studie CLL2-GIVe sechs Monate lang ein Protokoll mit allen drei Substanzen (GIVe). Wie Henriette Huber, Ulm, beim EHA-Kongress erläuterte [16], wurde Venetoclax, das zu Beginn einschleichend dosiert worden war, noch ein halbes Jahr länger gegeben, Ibrutinib zunächst ebenfalls; war dann eine klinische Komplettremission und MRD-Negativität (bei einer Testempfindlichkeit von 10-4) erreicht, wurde auch Ibrutinib nach insgesamt 15 Monaten abgesetzt, andernfalls aber für bis zu insgesamt drei Jahre weitergegeben.
Primärer Endpunkt war die Rate an Komplettremissionen nach zwölf Monaten, die für 24 der 38 auswertbaren Patienten erreicht wurden (58,5 %); die übrigen 14 Patienten waren in partieller Remission. MRD-negativ im peripheren Blut waren 33 Patienten (80,5 %), vier blieben MRD-positiv, bei vier weiteren wurde das nicht analysiert. Nach 15 Monaten wurde Ibrutinib bei 22 Patienten wegen des Erreichens von Komplettremission und MRD-Negativität abgesetzt, bei 13 weiteren aus anderen Gründen, während die Behandlung bei sechs Patienten fortgeführt wurde.
Die Toxizität ist bei den meist älteren Patienten und einem Regime aus gleich drei hochwirksamen Substanzen natürlich ein wichtiger Punkt: Bis einschließlich Monat 14 traten an Grad-3–5-Nebenwirkungen Infektionen (19,5 %) und hämatologische Toxizitäten (53,7 %; v. a. Neutropenien und Thrombozytopenien) auf.
12,2 % der Patienten zeigten kardiale Symptome vom Grad 3–5, davon 2,4 % Vorhofflimmern. Außerdem wurde je ein Fall von zerebraler Aspergillose, progressiver multifokaler Leukenzephalopathie, Urosepsis, Staphylokokken-Sepsis und febriler Infektion registriert, Laborzeichen für ein Tumorlyse-Syndrom bei 9,8 % und Infusionsreaktionen bei 7,3 % der Patienten.
Diese insgesamt akzeptable Verträglichkeit und die ausgezeichnete Wirksamkeit, so Henriette Huber, machen das GIVe-Regime zu einem sehr interessanten Erstlinien-Protokoll für diese Hochrisiko-Population von CLL-Patienten, das von der GCLLSG weiter verfolgt werden wird. Insbesondere die hohe Rate an MRD-Negativität nach 15 Monaten spricht dafür, weil dieser Endpunkt sich zunehmend zu einem Surrogat-Marker für die langfristige Wirksamkeit bei dieser Erkrankung entwickelt.
Neuer BTK-Inhibitor hochwirksam
Ein weiterer neuer BTK-Inhibitor, Acalabrutinib, wird derzeit vor allem bei der CLL erprobt: In der Phase-III-Studie ASCEND, die Paolo Ghia, Mailand, beim ASCO-Kongress vorstellte und die mittlerweile auch voll publiziert ist [17, 18], wurde die Substanz in Monotherapie bei insgesamt 310 Patienten mit vorbehandelter CLL randomisiert gegen eine konventionelle Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes getestet, die entweder aus Idelalisib und Rituximab oder aus Bendamustin und Rituximab bestand. Acalabrutinib war dabei deutlich überlegen: Der Medianwert des PFS ist hier noch nicht erreicht, während er im Kontrollarm bei lediglich 16,8 Monaten lag; das Risiko für Progression oder Tod war um nahezu drei Viertel reduziert (HR 0,27; 95-%-KI 0,18–0,49; p < 0,0001; Abb. 1a).