Hodgkin-Lymphom
Neue effektive Kombinationen für problematische Situationen
Das Hodgkin-Lymphom (HL) ist einer der am besten heilbaren malignen Tumoren. Probleme und Raum für Optimierung bieten zum einen Rezidive bzw. therapierefraktäre Erkrankungen, zum anderen ältere bzw. multimorbide Patienten. Beim ASH-Kongress wurden drei Phase-II-Studien vorgestellt, die in diesen beiden Situationen Verbesserungen versprechen.
Zweitlinientherapien des HL werden meist von einer Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT) gefolgt und bringen Komplettremissionsraten zwischen 50 % und 70 %. Alison Moskowitz, New York, und Kollegen testeten in einer monozentrischen Phase-II-Studie bei bislang 39 Patienten ein neues Protokoll [Abstract #470], das neben Pembrolizumab zwei bis vier Zyklen einer Chemotherapie aus Gemcitabin, Vinorelbin und liposomalem Doxorubicin (Pembro-GVD) enthielt. Patienten mit negativem PET nach zwei bzw. vier Zyklen konnten anschließend eine ASCT erhalten.
Die Induktionstherapie war gut verträglich, und 34 Patienten (92 %) erzielten bereits nach zwei Zyklen eine Komplettremission, ein weiterer nach zwei zusätzlichen Zyklen; elf dieser Patienten erhielten nach ASCT eine Konsolidierung mit dem Antikörper-Toxin-Konjugat Brentuximab Vedotin (BV). Nach median 11,2 Monaten waren alle Patienten in anhaltender Remission.
Gemcitabin, so Moskowitz, wirkt auch immunstimulierend und könnte die Wirksamkeit der Immuncheckpoint-Inhibition unterstützen. Angesichts der hohen Raten an Komplettremissionen nach vier Zyklen Pembrolizumab-GVD kann man möglicherweise die ASCT künftig auf die Drittlinie verschieben. Daher erhalten in einer Expansions-Kohorte nun Patienten mit Komplettremission nach vier Zyklen Pembrolizumab-GVD anstelle der Transplantation 13 zusätzliche Zyklen Pembrolizumab als Erhaltungstherapie.
BV + Nivolumab für Hochrisiko-Patienten
Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem HL und mindestens einem Risikofaktor wurden in einer weiteren, multizentrischen Phase-II-Studie behandelt, die Alex Herrera, Duarte, vorstellte [Abstract #472]: An eine konventionelle Zweitlinientherapie mit nachfolgender ASCT schloss sich eine experimentelle Konsolidierung aus bis zu acht Zyklen BV und dem PD-1-Inhibitor Nivolumab an. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 18 Monaten.
48 der 59 eingeschlossenen Patienten (81 %) waren nach der ASCT in kompletter Remission, und nach 18 Monaten lag die PFS-Rate bei 95 %, die Rate für das Gesamtüberleben (OS) bei 98 %. Patienten mit zwei oder mehr Risikofaktoren waren zu 92 % progressionsfrei, solche mit drei oder mehr Faktoren zu 89 %. Von sechs Patienten konvertierten fünf erst nach Transplantation – im Verlauf der Konsolidierungsphase – zu einer Komplettremission. Es gab lediglich zwei PFS-Ereignisse: Ein Patient erlitt nach 15 Monaten ein Rezidiv, und einer verstarb an einer Pneumocystis-Pneumonie, nachdem er selbst die Prophylaxe abgesetzt hatte.
Die Therapie war verträglich, obwohl häufiger als im Prä-Transplantations-Setting immunbedingte Nebenwirkungen durch den Checkpoint-Inhibitor beobachtet wurden. Auch periphere Neuropathien und Neutropenien waren nicht selten.
Erstlinientherapie für komorbide Patienten
In einer ebenfalls multizentrischen Phase-II-Studie erhielten ältere komorbide Patienten als Erstlinientherapie BV entweder in Monotherapie (n = 26) oder in Kombination mit Dacarbazin (n = 19), Bendamustin (n = 20) oder Nivolumab (n = 20), so Christopher Yasenchak, Eugene [Abstract #471]. Der Medianwert für das PFS lag in den vier Kohorten in der genannten Reihenfolge bei 10,5, 46,8, 40,3 Monaten bzw. war im Nivolumab-Arm noch nicht erreicht; für das Gesamtüberleben waren es 77,5 – 64,0 – 46,9 Monate bzw. wiederum nicht erreicht. Die Ansprechraten waren hoch mit 92 % – 100 % – 100 % bzw. 95 %. Therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 wurden bei 50 %, 37 %, 70 % bzw. 60 % der Patienten beobachtet, am häufigsten periphere Neuropathien (35 %, 26 %, 20 % bzw. 35 %). Es gab keine therapiebedingten Todesfälle, aber der Bendamustin-Arm musste wegen akuter Toxizitäten frühzeitig geschlossen werden. Dacarbazin und Nivolumab sind also offenbar sehr gute Kombinationspartner für BV bei Patienten, die sich für eine Kombinations-Chemotherapie nicht mehr eignen.
Periphere T-Zell-Lymphome
Gemischte Resultate mit HDAC-Inhibitor
Periphere T-Zell-Lymphome (PTCL) sind eine aggressive Entität von Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL), für die es vor allem in rezidivierten oder refraktären Stadien nur sehr wenige Behandlungsoptionen gibt. Die malignen Zellen tragen häufig multiple Mutationen in Genen für epigenetisch aktive Proteine sowie in Genen, die Bezüge zum T-Zell-Rezeptor aufweisen. Mutationen der epigenetischen Modifier TET2, IDH2 und DNMT3A waren ursprünglich die Rationale dafür, den Pan-Histon-Deacetylase-Inhibitor (HDACi) Romidepsin bei T-Zell-Lymphomen zu untersuchen. In den USA ist er bereits für die rezidivierte bzw. refraktäre Situation zugelassen – auf Basis einer Phase-II-Studie mit einer Ansprechrate von 25 % (davon 15 % komplett) und einer medianen Dauer des Ansprechens von rund 17 Monaten. Beim ASH-Kongress stellte nun Emmanuel Bachy, Lyon, die finale Analyse der französischen Phase-III-Studie Ro-CHOP vor, in der 421 Patienten mit neu diagnostiziertem PTCL sechs Zyklen CHOP und im Verumarm zusätzlich Romidepsin (12 mg/m2 an den Tagen 1 und 8 jedes Zyklus; Ro-CHOP) erhalten hatten. Beim Auftreten von Toxizitäten konnte die Dosierung auf 10 bzw. 8 mg/m2 reduziert werden [Abstract #39].
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), bei dem sich nach median 27,5 Monaten kein signifikanter Vorteil für Romidepsin zeigte (median 12 vs. 10,2 Monate; Hazard Ratio 0,81; p = 0,096). Beim sekundären Endpunkt des OS war der Romidepsin-Arm mit median 51,8 versus 42,9 Monaten numerisch etwas besser, die Gesamtansprechraten waren praktisch identisch (63 % vs. 60 %; Komplettremissionen 41 % vs. 37 %). Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 waren vor allem hämatologischer Natur und im Ro-CHOP-Arm häufiger, ebenso Unterbrechungen (36 % vs. 20 %) bzw. Dosisreduktionen der Chemotherapie (26 % vs. 15 %); Therapieabbrüche waren mit jeweils 3 % in beiden Armen selten. Während das Sicherheitsprofil damit etwa dem aus Phase-Ib/II-Studien entspricht, scheint der HDACi in der Erstlinientherapie des T-Zell-Lymphoms keinen Fortschritt zu bringen. Subgruppenanalysen sollen zeigen, so Bachy, ob bestimmte Patientenpopulationen vielleicht doch profitieren könnten.
In den USA ist Romidepsin für rezidivierte/refraktäre TCL zugelassen, die wegen der häufigen Mutationen in Genen mit Bezug zum T-Zell-Rezeptor möglicherweise dem Angriff von Immunzellen leichter entgehen können; außerdem stimulieren HDACi die PD-L1-Expression und das Ansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren. Am M. D. Anderson Cancer Center in Houston wurde Romidepsin deshalb in einer Phase-I/II-Studie in der rezidivierten Situation in Kombination mit Pembrolizumab getestet [Abstract #645]. Die Gesamtansprechrate lag laut Swami Iyer, Houston, bei 50 %; insgesamt acht der bislang 20 behandelten Patienten erzielten eine komplette Remission, und von ihnen sind vier nach mehr als einem Jahr therapie- und rezidivfrei. Komplettremissionen korrelierten mit einer höheren Expression von PD-L1. Die Remissionen wurden vor allem bei Patienten mit anaplastischen großzelligen, angioimmunoblastischen und peripheren TCL mit TfH-Phänotyp gesehen; keiner von drei Patienten mit Mycosis fungoides sprach an, so Iyer.
Hypomethylierende Medikamente in Erstlinie vielversprechend
Mutationen in Genen für epigenetische Regulator-Proteine (TET2, DNMT3A, IDH2 oder RHOA) sind bei peripheren T-Zell-Lymphomen, vor allem bei solchen mit T-follikulärem Helfer-Phänotyp (PTCL-TfH) sehr häufig und der Grund für die Testung epigenetisch wirksamer Medikamente wie des DNA-Methyltransferase-Inhibitors Azacitidin. Nachdem die Substanz alleine und in Kombinationen in der rezidivierten/refraktären Situation Wirkung gezeigt hat, wurde sie in einer multizentrischen Phase-II-Studie als Erstlinientherapie mit CHOP kombiniert. Wie Jia Ruan, New York, berichtete [Abstract #40], erhielten 21 Patienten mit PTCL – überwiegend mit TfH, darunter vor allem angioimmunoblastische T-Zell-Lymphome – sechs Zyklen CHOP, denen beim ersten Zyklus eine siebentägige, bei den übrigen eine 14-tägige Behandlung mit oralem Azacitidin (300 mg/d) voranging. Primärer Endpunkt war eine Rate von mindestens 60 % Komplettremissionen. Die Therapie war gut verträglich, mit überwiegend hämatologischen Nebenwirkungen und einer febrilen Neutropenie bei nur etwa jedem siebten Patienten (die Gabe von Wachstumsfaktoren war obligat).
Von 20 auswertbaren Patienten sind median 15 Monate nach Ende der Therapie 15 (75 %) in kompletter Remission, bei den 17 mit PTCL-TfH sogar 88 %. Die Überlebensrate nach einem Jahr betrug für alle Patienten 80,7 %, für diejenigen mit PTCL-TfH 93,8 %. Molekulargenetische Begleituntersuchungen ergaben, dass TET2-Mutationen (bei 72 % der Patienten) signifikant mit dem Eintreten einer Komplettremission (p = 0,014) sowie mit einem längeren Gesamtüberleben korrelierten (p = 0,042), während DNMT3A-Mutationen (17 % aller Patienten) das Überleben negativ beeinflussten (p = 0,028).
Diese sehr ermutigenden Resultate mit 88 % Komplettremissionen bei PTCL-TfH-Patienten sind Anlass für eine randomisierte dreiarmige ALLIANCE/Intergroup-Studie, in der bei Patienten mit neu diagnostiziertem CD30-negativem PTCL Azacitidin/CHO(E)P mit der Kombination aus dem PI3K-Inhibitor Duvelisib und CHO(E)P sowie mit der alleinigen CHO(E)P-Chemotherapie verglichen werden soll.
Hemmung multipler Interleukine bei kutanen TCL
Eine neuartige, vielversprechende Option für kutane T-Zell-Lymphome (CTCL) ist ein Peptid-Antagonist gegen gleich drei Interleukin-Spezies (IL-2, -9 und -15), die an der Pathogenese dieser Lymphome beteiligt sind: IL-2 und IL-15 begünstigen Vermehrung und Überleben der Tumorzellen, IL-2 und IL-9 sind an der Aktivierung regulatorischer T-Lymphozyten beteiligt, die Immunreaktionen gegen Lymphomzellen behindern können, und IL-15 verstärkt vorhandene Entzündungszustände und aktiviert vor allem die an der Erkrankung beteiligten CD8-positiven T-Zellen. Von der Hemmung dieser drei Zytokine verspricht man sich daher einen starken Nutzen bei der Bekämpfung der CTCL, und diese Hemmung gelingt mit einem einzigen Molekül: Die Rezeptoren aller drei Zytokine nutzen nämlich zur Signalweiterleitung die gleiche γ-Polypeptidkette, die von dem pegylierten Peptid und Immunmodulator BNZ-1 gehemmt wird. In eine multizentrische Phase-I/II-Studie wurden bislang 30 Patienten mit therapierefraktärer Mycosis fungoides oder Sezary-Syndrom in den Stadien IB–IVB (v. a. IB und IIB) eingeschlossen, die zuvor im Median fünf Therapielinien erhalten hatten, so Christiane Querfeld, Duarte [Abstract #43].
BNZ-1 wurde i. v. verabreicht und zeigte in der Phase I in allen Dosierungen Wirkung. Unter der für die weitere Behandlung gewählten Dosierung von 2 mg/kg erzielte von 19 auswertbaren Patienten einer eine komplette und zehn eine partielle Remission, während sich bei den übrigen die Krankheit stabilisierte. Während der Nachbeobachtungs-zeit von über einem Jahr, so Querfeld, wurde kein Rezidiv registriert. Die mediane Dauer des Ansprechens beträgt für die Patienten im Phase-I-Abschnitt bislang 9,2 Monate, für die übrigen lässt sie sich noch nicht angeben. Mit diesen Ergebnissen, so Querfeld, wird nun eine Phase-III-Studie geplant.
Aggressive Non-Hodgkin-Lymphome
Prospektive Studien zu aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen beschränkten sich beim ASH-Kongress dieses Mal vor allem auf frühe Entwicklungsphasen und rezidivierte bzw. refraktäre Krankheitsstadien, bei denen die Heilungschancen derzeit relativ gering sind: In einer vom National Cancer Institute koordinierten Phase-Ib/II-Studie wurde die VIPOR-Kombination getestet, deren einzelne Komponenten die wichtigsten Signalwege bei diesen Tumoren hemmen sollen [Abstract #598]: Venetoclax (Hemmung des Anti-Apoptose-Proteins BCL-2), Ibrutinib (Bruton-Tyrosinkinase), Prednison, Obinutuzumab (Anti-CD20-Antikörper) und Lenalidomid (NF-κB-Signalweg). Die 53 bislang eingeschlossenen Patienten hatten im Median drei und maximal neun Vortherapien erhalten. Dafür waren die Ergebnisse beeindruckend: Von 43 auswertbaren Patienten zeigten 70 % eine Remission, die bei 49 % komplett ausfiel. Dabei schnitten follikuläre besser ab als aggressive Lymphome, die aber immerhin auch auf 56 % Remissionen (37 % komplett) kamen; hier wiederum schien der Non-GCB- gegenüber dem GCB-Subtyp im Vorteil zu sein. Auch von zehn Patienten, die bereits eine CAR-T-Zelltherapie hinter sich hatten, sprachen vier an, darunter drei komplett. 25 von 36 Remissionen dauern nach median 13 Monaten noch an, und die Verträglichkeit der Therapie war gut, mit überwiegend hämatologischen Nebenwirkungen und keinen schweren Infektionen.
In einer italienisch-australisch-US-amerikanischen Phase-Ib/II-Studie wurde in einer ähnlich stark vorbehandelten Population von Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) das gegen das CD79b-Antigen gerichtete Immuntoxin Polatuzumab Vedotin mit Venetoclax und Rituximab kombiniert. Nach sechs dreiwöchigen Induktionszyklen mit allen drei Medikamenten wurden Venetoclax und Rituximab noch als achtmonatige Konsolidierung gegeben [Abstract #599]. Die von den behandelnden Ärzten bestimmte Komplettremissionsrate der 48 bisher auswertbaren Patienten betrug nach Ende der Induktion 31 % und über den ganzen – median sieben Monate langen – Beobachtungszeitraum 65 %, mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 5,8 Monaten. Progressionsfreie und Gesamtüberlebensdauer lagen bei median 4,4 bzw. 11,0 Monaten.
CAR-T-Zellen haben sich beim rezidivierten/refraktären DLBCL als wirksam erwiesen, aber Rezidive infolge des Verlusts des CD19-Antigens auf den Lymphomzellen oder einer Hochregulierung des PD-L1-Checkpoint-Moleküls sind nicht selten. Um dieses Problem zu umgehen, wurde in einer Phase-I-Studie ein neues CAR-T-Zell-Konstrukt, das sowohl das CD19- als auch das CD22-Antigen erkennt, mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab kombiniert [Abstract #600]. Die Sicherheit des Produkts war gut, es traten keine schweren Zytokin-Release-Syndrome oder Neurotoxizitäten auf. Von den 29 bisher dafür auswertbaren Patienten sprachen 69 % an, 52 % mit einer Komplettremission, wobei diese Zahlen bei höheren Zelldosen auf 73 % bzw. 60 % anstiegen. Alle der zuletzt genannten Patienten mit Komplettremission sind bisher (maximal sechs Monate lang) rezidivfrei.
Chinesische Kollegen erweiterten dieses Konzept dahingehend, dass sie Patienten immunhistochemisch auf die Expression verschiedener Antigene in ihren Lymphomen testen (neben CD19 auch CD20, CD22, CD30, CD38, CD70 und PSMA [Abstract #601]). Je nach Expressionsmuster erhielten bisher 17 Patienten mit DLBCL ein Zellprodukt, das gegen zwei Antigene gerichtet war (CAR 2.0: neben CD19 noch CD20, CD22, CD38 oder CD70), während bei sieben Patienten mit primär mediastinalem B-Zell-Lymphom CD19 mit CD20, CD22 oder CD30 kombiniert wurde. Abb. 1 (links) zeigt, dass das Ansprechen auf diese neue Generation von CAR-T-Zellen beim DLBCL deutlich besser war als das auf Zellen mit einfachem Rezeptor.