Das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus – aktuelle Entwicklungen und neue Perspektiven
Aktuelle Entwicklungen in der Immuntherapie des Ösophaguskarzinoms haben die onkologische Therapielandschaft innerhalb kurzer Zeit bereichert und nehmen nun Einzug in die etablierten Standardtherapieregime. In der Adjuvanz wurde Nivolumab unabhängig vom PD-L1-CPS („programmed cell death ligand-1 combined positivity score“) für Patient:innen mit pathologischer Resterkrankung nach erfolgter neoadjuvanter Radiochemotherapie in Europa zugelassen (CheckMate-577-Studie). In der Erstlinientherapie erfolgte die EMA(Europäische Arzneimittel agentur)-Zulassung für Pembrolizumab für Erkrankte mit PD-L1-CPS ≥ 10 als Monotherapie (PEC + AEG, KEYNOTE-590-Studie) und für Nivolumab bei Patient:innen mit einem TPS („tumor proportion score“) ≥ 1 % in Kombination mit Chemotherapie oder Ipilimumab (CheckMate-648-Studie). Für Erkrankte mit Progress unter Erstlinientherapie oder mit refraktärer Tumorerkrankung stellt die Nivolumab-Monotherapie eine effektive und gut verträgliche neue Therapieoption dar (ATTRACTION-3-Studie). In einer europäischen Patientenkohorte mit Plattenepithelkarzinom zeigte darüber hinaus ein weiterer PD-1-Inhibitor, der Antikörper Tislelizumab, sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinie als Monotherapie hohe Wirksamkeit; er besitzt damit das Potential zur Implementierung in die aktuellen Therapierichtlinien. Dieser Review-Artikel fasst die aktuellen Entwicklungen in der Immuntherapie des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus basierend auf den Ergebnissen von Phase-III-Studien zusammen und bindet diese in den aktuellen Therapie-Algorithmus ein.
Ösophaguskarzinom, Plattenepithelkarzinom, Immuntherapie, Checkpoint-Inhibition, PD-L1-CPS, Monotherapie, Nivolumab, Ipilimumab, TPS, IC-Score, Pembrolizumab, Tislelizumab, Camrelizumab, Sintilimab, Toripalimab, Avelumab, Durvalumab, CTLA-4, CTLA4-Inhibition
Das Ösophaguskarzinom verursacht weltweit ca. 604.100 (3 %) Tumorneu-erkrankungen pro Jahr – mit steigender Inzidenz – und stand damit im Jahr 2020 an achter Stelle unter den Tumorentitäten. In Bezug auf die tumorbedingten Todesfälle nimmt das Ösophaguskarzinom mit ca. 544.076 Todesfällen (5,5 %) pro Jahr weltweit den sechsten Platz ein. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Asien hat die höchsten Inzidenz- und Mortalitätsraten, gefolgt von Europa, Afrika und Nordamerika [1]. Die Rate an Ösophaguskarzinom-bedingten Todesfällen in Deutschland liegt bei 3,4 % bei Männern und – deutlich geringer – bei 1,3 % bei Frauen [2]. Histologisch werden Ösophaguskarzinome in die weltweit dominierenden Plattenepithelkarzinome (PEC, 90 %) und die Adenokarzinome des distalen Ösophagus (ca. 10 %, AEG I, II) eingeteilt [3]. In den vergangenen Jahren hat vor allem in den industrialisierten Ländern Europas, Australiens und Asiens die Inzidenz der AEG stark zugenommen, während die der PEC rückläufig ist. Die histologische Klassifizierung der Ösophaguskarzinome ist relevant für die individualisierte Tumortherapie, da beide Subgruppen eigene Krankheitsgruppen mit individuellen molekularen Charakteristika und Risikofaktoren darstellen [4].
Vor dem Einzug der Immuntherapie in die aktuellen Therapielinien bestand die kurativ intendierte Therapie des PEC aus neoadjuvanter Radiochemotherapie und Resektion, einer definitiven Radiochemotherapie bei Ösophaguskarzinomen im oberen Drittel und im Fall einer metastasierten Tumorerkrankung einer systemischen Chemotherapie. Für Patient:innen mit lokalisierter und operabler Tumorerkrankung war in der CROSS-Studie eine präoperative RCT mit Carboplatin/Paclitaxel und simultaner Bestrahlung gefolgt von der Tumorresektion evaluiert worden. Der 10-Jahres-Überlebensvorteil zugunsten dieses Ansatzes mit neoadjuvanter Radiochemotherapie gegenüber alleiniger Operation betrug 13 % (38 % vs. 25 %), wobei der Überlebensvorteil in der Gruppe der Plattenepithelkarzinome besonders hoch war (10-Jahres-Gesamtüberleben 46 % vs. 23 %). Erkrankte mit Adenokarzinom des Ösophagus erreichten mit diesem Regime Überlebensraten von 36 % versus 26 %. Während eine gute lokale Tumorkontrolle erreichbar war, wurde die Rate an Fern-metastasierung nicht gesenkt [5–7].
In Europa hat sich in der palliativen Situation die Chemotherapie mit Platin und 5-FU mit einem medianen Gesamtüberleben (OS) von ca. 10 Monaten durchgesetzt [8]. Nach Progress der Tumorerkrankung unter palliativer Erstlinientherapie liegen für das PEC keine randomisierten klinischen Studien vor, die den Vorteil einer Chemotherapie gegenüber der besten supportiven Therapie („best supportive care“, BSC) zeigen. Generell wird Erkrankten in gutem Allgemeinzustand in dieser Situation dennoch die Chemotherapie mit Irinotecan/Paclitaxel/Docetaxel empfohlen [7]. Im Folgenden werden aktuelle Daten von Phase-III-Studien mit Checkpoint-Inhibitoren sowie deren EU-Zulassungen für PEC des Ösophagus diskutiert (Tab. 1).