Neuroendokrine Neoplasien im Gastrointestinaltrakt: Behandlungsstandards und Perspektiven
Neuroendokrine Neoplasien (NEN) sind heterogene, zum Teil sehr komplexe Tumorerkrankungen, die seltene Entitäten einschließen und ein breites Spektrum an therapeutischen Optionen umfassen. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen Standardtherapien; dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Evidenzlage insgesamt schwach ist, da die Zahl an verfügbaren Phase-III-Studien limitiert ist und für die meisten Situationen vergleichende Studien fehlen. Umso wichtiger ist ein strukturiertes, interdisziplinäres Vorgehen für eine optimierte Versorgung der betroffenen Patient:innen. Insbesondere in der metastasierten Situation wird eine Festlegung des therapeutischen Prozedere nach Diskussion in einer interdisziplinären Tumorkonferenz an einem erfahrenen Zentrum angeraten. Ergebnisse neuer Therapiestudien sowie laufende Untersuchungen zu verschiedenen Medikationen wecken die Hoffnung auf verbesserte Therapieoptionen in der Zukunft.
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Neuroendokrine Neoplasien (NEN) sind seltene Tumoren, die aus den Zellen des disseminierten neuroendokrinen Systems entstehen. Am häufigsten treten sie im Gastrointestinaltrakt einschließlich der Bauchspeicheldrüse (gastroenteropankreatisch) und in der Lunge auf. Dieser Beitrag fokussiert auf die gastroenteropankreatischen Tumoren.
Die Häufigkeit dokumentierter NEN-Neuerkrankungen hat in den vergangenen Dekaden deutlich zugenommen. So verzeichnet etwa das US-amerikanische „Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)“-Register eine mehr als „Versechsfachung“ der altersadjustierten NEN-Inzidenz von 1,09/100.000 im Jahr 1973 auf 6,98/100.000 im Jahr 2012 – mit weiter ansteigendem Trend [1].
Die gastroenteropankreatischen NEN (GEP-NEN) machen mit einer Inzidenz von 3,56/100.000 gut die Hälfte der NEN-Neuerkrankungen aus. Ob der dokumentierte Anstieg der Inzidenz tatsächlich durch deutlich mehr Erkrankungsfälle oder vor allem durch eine bessere Wahrnehmung dieser Tumoren, häufiger durchgeführte Endoskopien und Schnittbildgebungen sowie die regelmäßige Anwendung der Immunhistologie verursacht wird, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die geschätzte Prävalenz von NEN lag in den USA im Jahr 2012 bei 48/100.000 und war damit höher als die Prävalenz vieler gastrointestinaler Malignome mit Ausnahme des kolorektalen Karzinoms. Aktuelle Daten für Deutschland sind nicht verfügbar. Neuroendo-krine Neoplasien können in jedem Alter auftreten, wobei das mittlere Diagnose-alter des Gesamtkollektivs in den meisten epidemiologischen Studien bei rund 60 Jahren liegt [2].
Unterschieden werden funktionell aktive und inaktive NEN. Funktionell aktive Tumoren – 10–30 % aller NEN – verursachen durch eine übermäßige Ausschüttung von Neuropeptiden und Hormonen (Tab. 1) ein charakteristisches Hormonsyndrom [3].