Myelofibrose: Fedratinib wirkt auch bei niedrigen Thrombozytenzahlen
Der Januskinase(JAK)-Inhibitor Fedratinib ist zugelassen zur Behandlung von krankheitsbedingter Splenomegalie oder von Symptomen bei primärer Myelofibrose (MF) oder Myelofibrose als Folge einer Polycythaemia vera (PV) oder essenzieller Thrombozythämie (ET) bei JAK-Inhibitor-naiven beziehungsweise mit Ruxolitinib vorbehandelten Patienten. In der multizentrischen, offenen Phase-III-Studie FREEDOM2 wurde Fedratinib evaluiert gegen die beste verfügbare Therapie (BAT) bei Erwachsenen mit Intermediate-2- oder High-Risk-MF, die nach Ruxolitinib-Behandlung ein Rezidiv entwickelt hatten, refraktär waren oder die Substanz nicht vertrugen. Nach einem medianen Follow-up von 64,5 Monaten hatten 36 % der Behandelten unter Fedratinib versus 6 % unter BAT den primären Endpunkt einer Milzgrößenreduktion um mindestens 35 % (SVR35) am Ende von Zyklus 6 erreicht (p < 0,0001) [1].
In einer beim ASH 2024 von Prof. Haifa Kathrin Al-Ali, Halle/Saale, vorgestellten Subgruppenanalyse hat ihr Team die Wirksamkeit und Sicherheit von Fedratinib speziell bei Erkrankten mit niedrigen Thrombozytenzahlen (PTS) untersucht, die eine ungünstige Prognose hatten. Dazu wurden die Studienteilnehmenden in Gruppen mit niedrigen (50 bis < 100 x 109/l) und hohen PTS-Leveln (≥ 100 x 109/l) eingeteilt, und es wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Fedratinib versus BAT bei diesen Populationen analysiert. Fedratinib erhöhte auch bei niedrigen Ausgangwerten die Thrombozytenzahl und entfaltete Aktivität. In beiden Subgruppen stiegen die PTS-Level unter Fedratinib versus BAT schnell an. Bemerkenswert: Erkrankte mit niedrigen PTS-Leveln zeigten auch ein stärker ausgeprägtes Milzansprechen unter Fedratinib versus BAT als jene mit hohen PTS-Leveln (47 vs. 0 %; p = 0,0001 bzw. 35 vs. 10 %; p = 0,0043) [2]. Die Reduktion der Gesamtsymptome um ≥ 50 % (TTS50) war unter Fedratinib ebenfalls höher als unter BAT, doch gab es diesbezüglich keine relevanten Unterschiede zwischen den Subgruppen mit niedrigen und hohen PTS-Leveln. Es fand sich auch keine Korrelation zwischen dem Thrombozytenanstieg und dem Milzansprechen, was den Autoren zufolge auf einen potenziell günstigen Effekt von Fedratinib auf die Thrombopoese hinweist. Da die Sicherheit von Fedratinib konsistent mit früheren Studien war, untermauern die Daten laut Al-Ali die Bedeutung von Fedratinib als vielversprechende Zweitlinienbehandlung bei der MF unabhängig von der Thrombozytenzahl und legen einen potenziell „thrombozytensparenden Effekt“ des JAK-Inhibitors nahe.
MDM2-Inhibitor Navtemadlin wirksam bei rezidivierter/refraktärer Myelofibrose
Die MDM2(„mouse double minute 2“)-Inhibition ist ein vielversprechendes neues Therapieprinzip für Patienten mit MF, wie es aktuelle Daten vom ASH 2024 erneut untermauern. Das Protein MDM2 spielt eine kritische Rolle in der Karzinogenese, indem es den Tumorsuppressor p53 downreguliert. Bei der MF wird MDM2 in CD34+ Vorläuferzellen übermäßig produziert. Der MDM-Inhibitor Navtemadlin inhibiert die MDM2-p53-Interaktion und stellt dadurch die Funktion des Tumorsuppressors wieder her [3].
In der globalen Phase-III-Studie BOREAS untersuchte man die Wirksamkeit und Sicherheit von Navtemadlin als Monotherapie gegenüber BAT bei Erkrankten mit rezidivierter/refraktärer MF nach JAK-Inhibitor-Therapie. In die Studie gingen 183 Erkrankte ein, die 2:1-randomisiert entweder Navtemadlin oder BAT erhielten. Primärer Endpunkt war die SVR35 nach 24 Wochen, wichtiger sekundärer Endpunkt war der TTS50 nach 24 Wochen. Zudem wurden die Transformationsraten zur akuten myeloischen Leukämie (AML) ermittelt. Die SVR35 nach 24 Wochen für Navtemadlin versus BAT betrug 15 versus 5 % (p = 0,008), der TTS50 nach 24 Wochen 24 versus 12 % (p = 0,005), wobei in einigen Fällen das Signifikanzniveau knapp verfehlt wurde. Eine Transformation zur AML war in beiden Armen selten (1,6 % unter Navtemadlin vs. 3,3 % unter BAT). Allerdings war die Toxizität im Navtemadlin-Arm höher, speziell im Hinblick auf die behandlungsassoziierten Nebenwirkungen Thrombozytopenie (37 vs. 21 %), Anämie (24 vs. 12 %) und Diarrhö (5 vs. 2 %) [4]. Insgesamt bestätigen die Daten nach Ansicht der Autoren die Wirksamkeit und Sicherheit des MDM2-Inhibitors und rechtfertigen weitere Studien, auch und gerade in Kombination mit Ruxolitinib (wie aktuell in der Studie POIESIS geprüft).
Eine weitere beim ASH 2024 vorgestellte Analyse der BOREAS-Studie evaluierte den Zusammenhang zwischen Biomarkern der Krankheitslast wie CD34+ Zellen im peripheren Blut, der Allellast (VAF) von Treibermutationen und von Serumzytokinen mit der Krankheitsmodifikation. Entsprechende Korrelationen wurden tatsächlich gefunden. So reduzierte Navtemadlin CD34+ Zellen signifikant um 82 % in Woche 24 gegenüber BAT mit 42 %. Eine über 50%ige Reduktion der CD34+ Zellen korrelierte dabei signifikant mit der SVR35 (p = 0,001). Eine mindestens 50%ige VAF-Verringerung fand sich bei 18 % der Navtemadlin-Patienten versus 12 % bei BAT; auch diese Verringerung war signifikant mit der SVR35 korreliert (p < 0,001). Die prozentualen Änderungen von Serumzytokinen (TNFα, IL-6 und CRP) waren signifikant mit der SVR35 korelliert [5]. Unter Navtemadlin versus BAT wurde zudem eine Verbesserung der Knochenmarkfibrose dokumentiert – um einen Grad oder mehr bei 47 versus 24 % und um mindestens zwei Grade bei 13 versus 0 %. Damit konnten die Forschenden eine eindeutige Verbesserung von Biomarkern der Krankheitslast unter Navtemadlin versus BAT zeigen, die signifikant mit dem Milzansprechen korrelierte. Die Autoren werten das als Hinweis auf eine antiklonale Aktivität des MDM2-Inhibitors sowie auf dessen krankheitsmodifizierende Wirksamkeit.
Schwere Symptome ungünstig für das Überleben von MPN-Erkrankten
In das MPN-Register der German Study Group for MPN (GSG-MPN) fließen Daten von BCR::ABL1-negativen Patienten ein. Beim ASH 2024 wurde eine prospektive Analyse zur Symptomlast von 3.979 MPN-Patienten durchgeführt – mit dem Ziel, Diskrepanzen zwischen Arzt- und Patientenberichten zur Symptomatik zu evaluieren und Zusammenhänge zwischen Symptomlast und Mortalität aufzudecken. Wie Dr. Susanne Isfort, Hannover, berichtete, wurden die Erkrankten mittels des modifizierten MPN-10-Fragebogens nach ihrer Symptomatik befragt. Die sechs Symptome Fatigue, Pruritus, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Schmerz wurden genauer analysiert; parallel wurde die Einschätzung von Ärzten zur Häufigkeit dieser Symptome bei ihren Patienten eingeholt.
93 % der Erkrankten gaben an, mindestens an einem Symptom zu leiden; 38 % beurteilten ihre Symptomlast als schwer (≥ 7 Score-Punkte). Das häufigste Symptom aus Sicht der Patienten war Fatigue (82 bis 85 % der Betroffenen), gefolgt von Nachtschweiß, Schmerz und Pruritus. Aus Sicht der Ärzte wurde die Häufigkeit des Symptoms Fatigue als weitaus geringer eingestuft (26 bis 36 %); diese Unterschätzung betraf auch die anderen Symptome. Die Konkordanz über alle Symptome hinweg war zwischen Patienten und Ärzten gering [6].
Bemerkenswert nach Meinung der Autoren war, dass das Vorkommen jeglicher Symptome aus Arztsicht und das Vorhandensein schwerer Symptome aus Sicht der Erkrankten bei Therapiebeginn in einer multivariaten Analyse (adjustiert nach Alter, Geschlecht und Krankheitsdauer) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des Sterbens assoziiert war – mit einer adjustierten (adj.) Hazard Ratio von 1,6 (p < 0,001) beziehungsweise 1,5 (p < 0,001). Unter den analysierten sechs Symptomen war eine schwerer Gewichtsverlust vor Therapiebeginn (adj. HR 3,5; p < 0,001) am stärksten mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert (Abb. 1), gefolgt von Fatigue (adj. HR 1,8; p < 0,001).