Eine AML wird in der Routine häufig als Notfall behandelt. Dennoch: Ein umfassendes Next Generation Sequencing (NGS) dauert laut Prof. Samuel J. Yates, Chicago, IL/USA, oft zehn bis 14 Tage. Die retrospektive Auswertung des US-amerikanischen Consortium on Myeloid Malignancies and Neoplastic Diseases (COMMAND) belegt, dass bei älteren oder weniger fitten Patienten das NGS-Ergebnis abgewartet werden kann, ohne dass es dadurch unbedingt zu einem schlechteren Behandlungsergebnis kommt als bei einem früheren Behandlungsbeginn [1]. Analysiert wurden Daten von Personen mit neu diagnostizierter AML im Alter von im Median 76 Jahren, die im Rahmen verschiedener Studien oder im klinischen Alltag mit einer hypomethylierenden Substanz (HMA) plus Venetoclax behandelt worden waren. Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug in der Kohorte 10,4 Monate. Die 30-Tage-Mortalitätsrate lag bei 3,7 %, die 60-Tage-Mortalitätsrate bei 11,0 %.
Unterschieden wurden vier Subgruppen mit einer Zeit zwischen Diagnose und Therapiestart (TDT) von weniger als zehn Tagen, zehn bis 14 Tagen, 15 bis 20 Tagen und mehr als 20 Tagen. Im Median lag die TDT bei neun Tagen, war aber bei einem ECOG-PS (Eastern Cooperative Oncology Group Performance Status) von 3–4, einer IDH1/2-Mutation und bei hohen Leukozytenzahlen (≥ 25.000/µl) deutlich kürzer. Die Gruppen mit einer TDT von fünf bis zehn und von zehn bis 15 Tagen wiesen keine OS-Unterschiede auf. Signifikant schlechter war das OS allerdings bei denjenigen mit einer TDT von weniger als fünf Tagen im Vergleich zu denjenigen mit einer TDT von zehn bis 15 Tagen (p = 0,01).
Yates geht davon aus, dass Patienten mit einem schlechten ECOG-Performance-Status und einem aggressiven Phänotyp besonders rasch behandelt werden, dass sie als prognostisch ungünstige Gruppe jedoch auch das höchste Risiko haben. Die Daten bestätigen insgesamt aber für die Gesamtkohorte, dass bei neu diagnostizierter AML vor der Therapie mit einer HMA plus Venetoclax eine umfassende Abklärung der Krankheitsbiologie inklusive NGS erfolgen sollte, um die individuell bestmögliche Therapie zu identifizieren. Yates regte an, die Zeit für eine Prähabilitation vor Therapiebeginn bis in die Induktion hinein zu nutzen.
Zehn Jahre RATIFY-Studie
Im Jahr 2017 belegte die Studie CALGB 10603/RATIFY erstmals einen Vorteil einer zielgerichteten Therapie bei einem genetisch definierten Subtyp der AML. Midostaurin zusätzlich zur Chemotherapie verbesserte das mediane OS bei AML mit FLT3(„fms-related tyrosine kinase 3“)-Mutation nach median vier Jahren Beobachtung im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie signifikant (74,7 vs. 25,6 Monate; p = 0,009) [2]. Jetzt stellte Studienleiter Prof. Richard M. Stone, Boston, MA/USA, die 10-Jahres-Ergebnisse der Studie vor [3]. Das mediane ereignisfreie Überleben (EFS) betrug in der Midostaurin-Gruppe in dieser Auswertung 8,2 Monate und in der Placebogruppe 3,0 Monate (Hazard Ratio [HR] 0,79; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,67–0,94; p = 0,0067). Das OS war mit Midostaurin immer noch etwas besser als in der Placebogruppe (Abb. 1), obwohl die Kohorte gealtert war und damit konkurrierende Todesursachen häufiger wurden, wie Stone betonte. Die geschätzte 10-Jahres-OS-Rate betrug in der Midostaurin-Gruppe 43,6 % und in der Placebogruppe 38,6 % (p = 0,0487).