Hintergrund
Das Mantelzell-Lymphom (MCL) gehört zur Gruppe der indolenten Lymphome und repräsentiert mit etwa 5–7 % aller Non-Hodgkin-Lymphome des Erwachsenenalters eine seltene Untergruppe. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei circa 65 Jahren, und mit 75 % ist die Mehrheit der daran Erkrankten männlich. Die Klassifikation basiert auf histologischen, zytologischen und zytogenetischen Untersuchungen. Histologisch können verschiedene Subtypen unterschieden werden: Die Lymphomzellen können lymphozytisch, pleomorph oder blastär imponieren. Der klassische Immunphänotyp zeigt eine Positivität für CD19, CD20, CD22, CD79a, die reifen B-Zell-Oberflächenmarker IgM und IgD sowie CD5 und CD43. Dagegen sind CD10, CD23 und Bcl-6 negativ.
Pathognomonisch ist der Nachweis einer Cyclin-D1-Überexpression, bedingt durch die Translokation t(11;14)(q13;q32). Diese führt zur einer Hochregulation der Zellteilung und lässt sich bei 95 % der Patient:innen nachweisen. Weitere onkogene Marker, welche mit einem insgesamt schlechteren Verlauf assoziiert sind, sind unter anderem TP53-Mutationen oder -Deletionen, sowie eine MYC-Überexpression.
Klinisch zeigt sich insgesamt ein heterogenes Bild. Nach der neuen WHO-Klassifikation von 2022 unterscheidet man zwischen dem leukämischen nichtnodalen Mantelzell-Lymphom (nnMCL), der klassischen Form (MCL) und dem In-situ-Mantelzell-Neoplasma (ISMCN).
ISMCN zeichnen sich durch indolente Verläufe aus, welche in den meisten Fällen durch Zufallsbefunde entdeckt werden. Kennzeichnend sind durch eine IGH::CCND1-Fusion bedingte Cyclin-D1-positive B-Zellen in der Mantelzone der Lymphfollikel. In seltenen Fällen (< 10 %) gehen ISMCN in ein Mantelzell-Lymphom über.
Beim leukämischen Mantelzell-Lymphom ohne nodalen Befall mit einhergehender Splenomegalie, welche sich SOX11-negativ zeigt, geht man von einem indolenten Verlauf aus. Auch hier lässt sich eine IGH::CCND1-Fusion nachweisen, jedoch zeigen sich im Vergleich zum Mantelzell-Lymphom insgesamt weniger genetische Aberrationen.
Das klassische Mantelzell-Lymphom hingegen exprimiert SOX11 und geht meist mit einem IGHV-unmutierten beziehungsweise minimal mutierten Status einher. Auch Mutationen der Gene für TP53 und ATM sind möglich. Hier präsentiert sich die Erkrankung in den meisten Fällen mit einer Lymphknotenvergrößerung; begleitend sind auch eine Splenomegalie und eine Lymphozytose sowie ein Befall extranodalen Gewebes, zum Beispiel des gastrointestinalen Trakts, möglich.
Im Vergleich zum leukämischen Mantelzell-Lymphom wird bei der klassischen Form häufig ein voranschreitender Verlauf beobachtet. Insgesamt ist in beiden Subgruppen eine Knochenmarksinfiltration häufig [1, 2].
Diagnose
Diagnostik
Zur Feststellung der Diagnose eines Mantelzell-Lymphoms steht nach der aktuellen WHO/ICC-Klassifikation die histopathologische Sicherung der Diagnose aus betroffenen Lymphknoten im Vordergrund.
Hierbei ist das histologische Bild des Mantelzell-Lymphoms sehr heterogen. Es umfasst verschiedene Subtypen (s. o.), welche auch eine wichtige Rolle für die Risikostratifizierung spielen [1, 2]. Die Unterscheidung zu den anderen indolenten Lymphomtypen kann deshalb allein aufgrund der histologischen Lymphom-Architektur in manchen Fällen schwerfallen.
Zytologisch zeigt sich zwar eine große Spannbreite, jedoch lassen sich die Lymphomzellen grob in eher lymphozytisch, pleomorph oder blastär imponierend unterteilen. Meist gehen das blastäre und das polymorphe Mantelzell-Lymphom mit einer hohen Proliferationsrate einher und sind durch einen aggressiveren Verlauf gekennzeichnet [3]. Für die definitive Diagnosesicherung wird der immunhistochemische Nachweis einer Cyclin-D1-Überexpression beziehungsweise der Nachweis einer Translokation t(11;14) in der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) gefordert. Um die Aggressivität des klinischen Verlaufs einschätzen zu können, ist die Bestimmung des Proliferationsindex Ki-67 verpflichtend. Für die Risikoeinteilung empfiehlt die aktuelle WHO/ICC-Klassifikation von 2022 eine immunhistochemische Färbung beziehungsweise eine p53-Mutationsanalyse [1, 2].
Staging
Nach Sicherung der Diagnose sollte zur Stadieneinteilung ein komplettes Ausgangs-Staging erfolgen. Bei gastrointestinalen Beschwerden mit dem Verdacht auf extralymphatische Manifestationen im GI-Trakt kann optional auch eine endoskopische Diagnostik erfolgen. In den wenigen lokalisierten Stadien wird eine 18F-FDG-Positronenemissionstomografie (PET-CT) empfohlen, aus der sich therapeutische Konsequenzen ergeben können.
Allen Patient:innen sollte eine Fertilitätsberatung angeboten werden. Vor geplanter Therapie mit CD20-Antikörpern sollte zudem eine Hepatitis- und HIV-Serologie erfolgen und vor Einleitung der jeweiligen Therapien die relevanten Toxizitätsuntersuchungen, zum Beispiel eine Kreatinin-Clearance oder eine Echokardiografie vor einer geplanten Anthrazyklin-Gabe [4].
Risikofaktoren
Die Krankheitsverläufe von Betroffenen mit Mantelzell-Lymphom sind sehr unterschiedlich. Es konnte jedoch in aktuellen Studien gezeigt werden, dass sich das Gesamtüberleben deutlich gebessert hat. Die Unterscheidung prognostisch relevanter Marker ist demnach umso wichtiger, um eine entsprechende risikoadaptierte Therapie zu planen [5].
Mithilfe des MIPI-Scores, in den der Allgemeinzustand, das Alter, die Laktatdehydrogenase (LDH) und die Leukozytenanzahl eingehen, können drei Risikogruppen unterschieden werden: Hochrisiko (medianes Gesamtüberleben 29 Monate), intermediäres Risiko (medianes Gesamtüberleben 51 Monate) und niedriges Risiko (medianes Gesamtüberleben nicht erreicht; [3]). Zusätzlich haben ein hoher Proliferationsindex (Ki-67 > 30 %), das Vorliegen einer TP53-Alteration und der blastäre Subtyp hohe prognostische Relevanz für einen ungünstigen Verlauf [6, 7].
Therapie
Erstlinientherapie (Abb. 1)