Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK): Umstellung in der Präanalytik
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.04.04In der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen vom Mai 2023 wird erstmals die Art der Blutentnahmeröhrchen für die Glukose- und die Kaliummessung vorgegeben. Viele niedergelassene Labore stehen nun vor der Herausforderung, ihr aktuelles System umzustellen. Es empfiehlt sich, eine Strategie zu entwickeln, um die Vorgaben rechtzeitig zum Mai 2026 erfüllen zu können.
Schlüsselwörter: Rili-BÄK, Citrat, Serum, Lithium-Heparin-Plasma, Deckelfarbe, Vergütung
In der aktuell gültigen Version der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK) vom Mai 2023 sind zum ersten Mal konkrete Vorgaben für das zu verwendende Untersuchungsmaterial zu finden. In der neuen Tabelle B 1-1 werden „Blutentnahmeröhrchen mit geeigneter Glykolyse-Inhibition“ für Glukosemessung und Heparinplasma oder Vollblut für die Messung von Kalium ab Mai 2026 vorgeschrieben. Diese Änderungen erfordern aufseiten der meisten Labore im niedergelassenen Bereich größere Umstellungen, die im Folgenden diskutiert werden.
Glukosebestimmung
In venösem Blut wird Glukose vor allem in Erythrozyten und Leukozyten durch verschiedene Enzyme abgebaut. Abhängig von Temperatur und Hämatokrit sinkt die Konzentration daher um ca. 5 bis 10 % pro Stunde. Um valide Werte zu erhalten, kann das Plasma schnell zentrifugiert werden. Eine Plasmaseparation innerhalb von 15 Minuten wäre auch nach der neuen Richtlinie zulässig, lässt sich aber in einer Arztpraxis wahrscheinlich nicht zuverlässig umsetzen. Zurzeit werden noch viele Natrium-Fluorid-Blutentnahmeröhrchen eingesetzt, die die Glykolyse allerdings erst nach ein bis drei Stunden hemmen, sodass die Glukosewerte um ca. 10 % falsch-niedrig sind. Ein vergleichbares Ergebnis wie nach einer Plasmaseparation innerhalb von 15 Minuten liefern daher nur moderne Blutentnahmeröhrchen, die meist neben Fluorid auch Citrat enthalten. Geeignete Röhrchen werden mit Flüssigpräparierung oder pulverförmigem Additiv angeboten. Bei Röhrchen mit Flüssigpräparierung muss ein exaktes Füllvolumen eingehalten werden, um die durch die zusätzliche Flüssigkeit entstandene Verdünnung mathematisch korrigieren zu können. Bei Röhrchen mit pulverförmigem Additiv ist auf zehnmaliges Schwenken nach der Blutentnahme zu achten. Hier besteht also viel Schulungsbedarf für das Praxispersonal. Im Labor muss bei Flüssigpräparation die Füllhöhe aufwendig kontrolliert werden. Ausreichendes Schwenken kann nicht durch das Labor überprüft werden, sollte aber bei unplausiblen Werten als mögliche Fehlerursache in Betracht gezogen werden.
Serum versus Plasma
Es ist schon lange bekannt, dass Thrombozyten während der Gerinnung Kalium freisetzen. Deshalb sind Kaliumwerte in Serum grundsätzlich höher als im (zeitnah zentrifugierten) Plasma. Eine Thrombozytose kann im Serum eine Hyperkaliämie vortäuschen bzw. eine Hypokaliämie verschleiern. Umgekehrt kann eine Thrombopenie auch eine In-vivo-Hyperkaliämie verdecken. Da nicht immer ein Blutbild vorliegt, sind Kaliumwerte im Serum nur schwer zu beurteilen. Der Kaliumwert im Plasma ist auf jeden Fall physiologischer.
Für viele Labore ist Serum nach wie vor ein Standardmaterial. Labore stehen nun vor der Frage, ob sie für die häufige Analyse von Kalium ein zusätzliches Blutentnahmeröhrchen anfordern oder ob sie in Zukunft Serum weitgehend durch ein anderes Material wie Lithium-Heparin ersetzen sollen.
Für den Einsatz von Lithium-Heparin-Plasma als Primärmaterial spricht, dass gerade in Krankenhauslaboren nicht erst die vollständige Gerinnung abgewartet werden muss, bevor die Probe verarbeitet werden kann. Lithium-Heparin-Plasma kann allerdings Serum nicht 1:1 ersetzen. Einige Untersuchungen wie die Serumelektrophorese oder PCR-Analysen, die als Bestätigungstests für auffällige infektiologische Befunde dienen (z. B. bei positivem Hepatitis-B-Virus Hepatitis B surface Antigen (HBV HBsAg) im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung Check-Up der Kassenärztlichen Bundesvereinigung), lassen sich aus methodischen Gründen nur aus Serum (oder EDTA-Blut) durchführen. Wie auch immer Labore sich entscheiden: Sowohl Serum als auch Plasma wird zum Einsatz kommen.
In der Labormedizin existieren umfangreiche Verflechtungen durch den Versand von Proben in Labore, die bestimmte Spezialanalytik zentralisiert durchführen. Dadurch treten Netzwerkeffekte auf: Je mehr Labore auf Plasma als Hauptuntersuchungsmaterial umsteigen, desto sinnvoller wird es auch für andere einsendende oder empfangende Labore sein, ebenfalls auf Plasma als Hauptuntersuchungsmaterial zu setzen. Umgekehrt können die Hersteller der Blutentnahmeröhrchen ihre Produktion nicht plötzlich umstellen. Labore sollten also nun damit beginnen, ihr Vorgehen mit ausreichenden Übergangsfristen zu planen, um die Rili-BÄK fristgerecht umsetzen zu können.
Deckelfarben der Blutröhrchen
Aus logistischen Gründen stellt das MVZ Ärztliche Laboratorien München-Land GmbH noch vor der Umstellung der Kaliummessungen von Serum auf Heparinplasma die Deckelfarbe der Röhrchen schrittweise auf den ISO-67210-Code um. Im alten „EU-Code“ sind Lithium-Heparin ohne Gel (z. B. für den Quantiferon-Test erforderlich) und mit Gel beide orange und kaum voneinander zu unterscheiden. In der Farbgebung nach der ISO-Norm sind die Gelröhrchen in einem etwas helleren Grün gehalten. Viele Hersteller bieten auch keinen EU-Code an, sodass hier eine zusätzliche Vereinheitlichung und Vereinfachung zu sehen ist (Abb. 1).
Es ist zu erwarten, dass die Umstellung bis Mitte 2025 abgeschlossen sein wird.
Auch für die Glukosebestimmung wird bereits jetzt schrittweise auf geeignete Röhrchen mit Fluorid und Citrat umgestellt, und diese Umstellung wird durch entsprechende Schulungen begleitet. Begonnen wird dabei mit den Kolleg:innen aus der Gynäkologie, weil in den Leitlinien für Gestationsdiabetes ebenfalls diese Probenmaterialien gefordert werden. Hier ist eine vollständige Umstellung bis Ende 2025 zu erwarten.
Fazit
In der kommenden elektronischen Patientenakte werden die behandelnden Mediziner:innen regelhaft nicht nur die eigenen, sondern auch alle anderen Laborbefunde einsehen können. Bei diesen „fremden“ Laborbefunden kann die Präanalytik für die korrekte Interpretation der Befunde nicht beurteilt werden. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob nicht auch andere präanalytische Vorgaben, die gerade von ambulanten Einsendern sehr heterogen umgesetzt werden, stärker reglementiert werden sollten. Hierbei ist aber stark darauf zu achten, dass die begrenzten Ressourcen im Gesundheitssystem so eingesetzt werden, dass eine Verbesserung der Präanalytik auch einen deutlichen Einfluss auf die Patientenbehandlung hat. Wegen des teureren Materials sollte auch die „normale“ Glukosemessung im EBM auf dem Niveau der Glukosemessung für Schwangere vergütet werden.