M. Sc. Fachwissenschaftler:innen in der Medizin: Stärkung der Ausbildung in den diagnostischen Gesundheitsfachberufen

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.05.05

Durch die fehlende Reglementierung sind Naturwissenschaftler:innen mit einer fachspezifischen Weiterbildung in ihrer Zusammenarbeit mit Mediziner:innen im Labor und im Vergleich mit vielen europäischen Kolleg:innen schlechter gestellt. Abhilfe könnte hier ein auf zwei Jahre ausgelegter postgradualer Masterstudiengang schaffen.

Schlüsselwörter: Fachärztliche Weisung, European Specialists in Laboratory Medicine, EU-Richtline 2013/55/EC

Bereits seit Jahrzehnten arbeiten Naturwissenschaftler:innen mit abgeschlossenem Hochschulstudium und erfolgter fachspezifischer Weiterbildung durch die jeweiligen Fachgesellschaften – zum Beispiel als Klinische Chemiker:innen, Fachhumangenetiker:innen oder Fachimmunolog:innen – interdisziplinär mit Fachärzt:innen zusammen und tragen zu einer qualitativ hochwertigen Labordiagnostik bei. Ähnliches gilt für andere labordiagnostische Fachgebiete wie die Mikrobiologie, die Virologie oder die Molekularpathologie. Die in der Regel fünfjährige Weiterbildung wird von den jeweiligen wissenschaftlichen Fachgesellschaften bzw. Berufsvereinigungen organisiert und befähigt zur selbstständigen Durchführung und biologisch-medizinischen Validation von klinisch-chemischen, genetischen oder immunologischen Untersuchungen. Da die Weiterbildungen nicht hinreichend reglementiert bzw. in entsprechenden Gesetzen berücksichtigt sind, fehlt den Naturwissenschaftler:innen eine berufsrechtliche Anerkennung ihrer Tätigkeit. Für eine rechtliche Anerkennung wäre eine staatlich anerkannte Ausbildung erforderlich, die es jedoch noch nicht gibt. Zu den bisher existierenden fachspezifischen Weiterbildungen können aus juristischen Gründen auf Bundesebene keine berufsrechtlichen Regelungen getroffen werden.

Fachärztliche Weisung

Die Erbringung laboratoriumsmedizinischer Leistungen durch entsprechend weitergebildete Naturwissenschaftler:innen ist im derzeitigen rechtlichen Rahmen nur unter fachärztlicher Weisung möglich. Dies gilt sowohl für Naturwissenschaftler:innen (in Weiterbildung sowie mit abgeschlossener Weiterbildung) als auch für approbierte Ärzt:innen, die sich noch in der Facharztweiterbildung befinden. Lediglich im Rahmen einer Delegation dürfen solche Personengruppen auf Basis des geltenden Berufsrechts tätig werden.

EuSpLM

Andererseits steht das Berufsrecht im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Fragen wie der Frage nach der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder dem Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Ein Ausschluss von Naturwissenschaftler:innen aus einer selbstständigen Leistungserbringung sollte unter diesen Gesichtspunkten nur dann erforderlich sein, wenn nachweisbar keine hinreichende Qualifikation vorliegt. Hierzu ist auch eine Betrachtung der gesamteuropäischen Ebene sinnvoll. Speziell in der klinisch-chemischen Labordiagnostik wurde durch die Gründung der European Communities Confederation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EC4) seit 1997 das Ziel verfolgt, die Weiterbildung im Fach Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin für alle innerhalb der EU tätigen akademischen Professionals vergleichbarer zu gestalten. Neben der Ausformulierung eines labordiagnostischen europäischen Syllabus (2018 in fünfter aktueller Version) wurde ein europäisches Register geschaffen. Die ursprüngliche Berufsbezeichnung EurClinChem wurde 2012 nach gemeinsamer Abstimmung durch die Berufsbezeichnung EuSpLM (European Specialist in Laboratory Medicine) ersetzt. Schließlich wurde das Register in das Profession Committee der European Federation for Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EFLM) überführt. Über eine Mitgliedschaft in der EFLM Academy kann sich europaweit jeder EuSpLM registrieren lassen.

Common Training Framework

Die EU-Richtlinie 2013/55/EC behandelt darüber hinaus die Festlegung gemeinsamer Standards an Fähigkeiten und Kenntnissen zur innereuropäischen Berufsausübung über die Schaffung eines Common Training Framework (CTF). Hierzu muss sich ini­tial ein Drittel der EU-Mitgliedsstaaten zur Bildung eines solchen gemeinsamen Weiterbildungsrahmens vereinen. Bislang verfügen leider noch insgesamt 60 % aller akademischen Laborspezialist:innen in der EU über keine gegenseitige Anerkennung [1]. Betroffen sind hierbei alle in der Diagnostik tätigen Naturwissenschaftler:innen sowie Pharmazeut:innen. Aufgrund der in Deutschland praktizierten Weiterbildung von Fachwissenschaftler:innen wie Klinischen Chemiker:innen, die international nicht als reglementierte Ausbildung (kein staatlicher Abschluss) gilt, bleiben alle in Deutschland tätigen Fachwissenschaftler:innen bei einer solchen CTF-Initiative komplett außen vor. 15 EU-Länder erfüllen bislang bereits diese Bedingungen für ihre nichtärztlichen akademischen Laborspezialist:innen. Zunehmend werden somit in Deutschland weitergebildete Fachwissenschaftler:innen international in eine isolierte Position gedrängt, wenn zu den aktuellen Weiterbildungsformen kein geeigneter spezifischer akademischer Grad einer fachspezifischen Ausbildung hinzukommt.

Postgradualer Masterstudiengang

Aufbauend auf einem naturwissenschaftlichen Masterabschluss und den bereits bestehenden Weiterbildungen der Fachgesellschaften wird derzeit an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig ein berufsbegleitender postgradualer Masterstudiengang entwickelt. Dieses berufsbegleitende Masterstudium soll innerhalb der bestehenden fünfjährigen Weiterbildung absolviert werden (Abb. 1).

Im Rahmen dieses dualen Masterstudiums soll ein einheitliches Qualifikationsniveau erreicht werden, das sich inklusive der darin inbegriffenen fachlich geregelten Weiterbildungszeit am jeweiligen Facharztstandard orientiert. Der Kompetenzkatalog ist daher an den bestehenden Weiterbildungskatalogen des europäischen Syllabus, der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der entsprechenden Facharztweiterbildungen (z. B. Laboratoriumsmedizin, Humangenetik oder Mikrobiologie) angelehnt. Der berufsbegleitende Studiengang ist auf zwei Jahre angelegt und umfasst einen allgemeinen Teil, der für alle beteiligten medizinisch-diagnostischen Fachgebiete gilt, sowie spezielle Teile, die für das jeweilige Fachgebiet erforderlich sind. Das Studium wird zur Erlangung des M. Sc. Fachwissenschaftler:innen in der Medizin mit einer Masterarbeit abgeschlossen. In Kombination mit der fachspezifischen Weiterbildung in den jeweiligen Instituten führt solch ein akademischer Grad als Abschluss einer labordiagnostischen Ausbildung zukünftig zu besser ausgebildeten Fachwissenschaftler:innen. Dies kommt vor allem einer Verbesserung der Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung zugute. Perspektivisch kann über ein solches postgraduales Masterstudium eine auch im internationalen Vergleich erforderliche und somit wünschenswerte staatliche Anerkennung für Naturwissenschaftler:innen in der medizinischen Diagnostik umgesetzt werden. So kann schließlich eine staatlich anerkannte Berufsperspektive innerhalb der Gesundheitsberufe sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene ermöglicht werden, was die Attraktivität labordiagnostischer Fächer für Naturwissenschaftler:innen deutlich erhöht. Somit sichert das postgraduale Masterstudium neben einer qualitativ hochwertigen Ausbildung auch die berufliche Weiterentwicklung von in der Diagnostik tätigen Naturwissenschaftler:innen