Über die Kunst des Kommunizierens

Quorum sensing bei Pseudomonas aeruginosa

Trillium Diagnostik 2018; 16(4): 233-235

Bakterien sind in der Lage, über kleine Signalmoleküle miteinander zu kommunizieren und dadurch infektionsrelevante Prozesse wie die Bildung von Biofilmen und Virulenzfaktoren zu steuern. Die Unterdrückung dieses Kommunikationsprozesses gilt als vielversprechender Ansatz zur Therapie von Infektionen.

Schlüsselwörter: Quorum sensing, Pseudomonas aeruginosa, Antibiotikaresistenz, Pathoblocker

Während der „goldenen Ära“ der Antibiotikaentwicklung zwischen den 1930er- und 1960er-Jahren glaubte man, mit Antibiotika eine Allzweckwaffe gegen bakterielle Infektionen gefunden zu haben. Doch bereits zu dieser Zeit warnte Alexander Fleming, der mit der Entdeckung von Penizillin als einer der wichtigsten Wegbereiter der modernen Medizin gilt, dass der unbedachte und missbräuchliche Einsatz von Antibiotika die Entstehung von resistenten, pathogenen Bakterien begünstigten könnte. Es sollte sich herausstellen, dass er Recht hatte. Denn momentan befinden wir uns in einer globalen Antibiotika-Krise, in der die Zahl an Antibiotika-resistenten Keimen steigt, während immer weniger neue Wirkstoffe Marktreife erlangen [1, 2]. Diese Krise gilt als eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, wobei die Ursachen vielfältig sind: Zum einen haben sich aufgrund der hohen Risiken und der immensen Kosten, die mit der Zulassung eines neuen Medikaments verbunden sind, in den letzten Jahren immer mehr Pharmaunternehmen aus der Antibiotikaforschung zurückgezogen; zum anderen ist der Bedarf an Antibiotika nach wie vor sehr hoch. Unter anderem in tierischen Mastbetrieben wird häufig auf Antibiotika zurückgegriffen, um die Entstehung möglicher Krankheiten zu verhindern und damit den Ertrag zu steigern. Die Antibio­tika gelangen mit den Ausscheidungen der Tiere größtenteils unverstoffwechselt in die Umwelt, wodurch Bakterien einem erhöhten Selektionsdruck ausgesetzt sind. Dies hat dann zur Folge, dass sich solche Erreger vermehren und ausbreiten können, die beispielsweise durch spontane Mutationen resistent geworden sind [1, 2]. Besonders alarmierend in diesem Zusammenhang ist die Ausbreitung multiresistenter Stämme von humanpathogenen Erregern, die gleichzeitig gegenüber mehreren antimikrobiellen Wirkstoffen resistent sind. Basierend auf den Daten einer aktuellen Studie sind 2015 in Europa mehr als 33.000 Menschen an den Folgen von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien gestorben – und es ist momentan keine Besserung in Sicht [3]. Um diesem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken, ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Jahren zu einem Umdenken im Umgang mit Antibiotika und zur Entwicklung neuer Behandlungsstrategien auf [1, 2].

Quorum sensing als antibakterieller Angriffspunkt

Ein vielsprechender Angriffspunkt für die Entwicklung neuer Therapien ist die bakterielle Kommunikation, die auch als Quorum sensing (Qs) bezeichnet wird [4]. Denn Bakterien sind in der Lage, sich mithilfe von chemischen Signalmolekülen zu verständigen und dadurch kollektive Verhaltensweisen synchron auszuführen, von denen die gesamte Population profitiert [5]. 

Es gibt verschiedene Ausprägungen von bakterieller Kommunikation, die allerdings alle einem gemeinsamen Grundprinzip folgen (Abb. 1): Spezielle Synthasen im Zytoplasma der Bakterien produzieren kleine Signalmoleküle, sogenannte Autoinduktoren, die über die Zellmembran in das extrazelluläre Milieu entlassen werden. Ist die Zellzahl in der Umgebung gering, diffundieren die Moleküle einfach davon. Steigt jedoch die Anzahl der benachbarten Bakterien, die ebenfalls solche Signalmoleküle synthetisieren, nimmt auch die Konzentration der Autoinduktoren zu. 

Sobald die Konzentration der Signalmoleküle einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, aktiviert das Signalmolekül einen zugehörigen Rezeptor, der die Expression bestimmter Gene reguliert [5]. Dieser Vorgang erfolgt in allen umgebenden Bakterien gleichzeitig, wodurch bestimmte zelluläre Programme innerhalb der Bakterienpopulation synchronisiert werden. Unter den angeschalteten Genen befindet sich auch das der jeweiligen Autoinduktor-Synthase. Das bedeutet, dass der Autoinduktor seine eigene Produktion sicherstellt; ein Vorgang, den man als Autoinduktion bezeichnet. 

Qs-Systeme kommen in einer Vielzahl von unterschiedlichen gramnegativen und grampositiven Bakterien vor. Gramnegative Bakterien verwenden meist N-Acyl-Homo­serin-Lactone (HSL) als Signalmoleküle, die sich in ihrem Aufbau unterscheiden können, während grampositive Bakterien mittels Oligopeptiden kommunizieren [5].

Steuerung der Virulenz durch Qs

Zu den Prozessen, die durch Qs kontrolliert werden, zählt unter anderem die Produktion von Virulenzfaktoren. Diese dienen pathogenen Bakterien als Waffen, um Gewebe zu schädigen, in Zellen einzudringen und sich im Körper des Wirtes unter Umgehung der Immunantwort auszubreiten. Des Weiteren unterliegt die Bildung von Biofilmen der interzellulären Kommunikation [5]. Dabei heften sich die Bakterien an Oberflächen und organisieren sich in Zellverbänden, die größtenteils von einer Schicht aus polymeren Substanzen umgeben sind und die Bakterien wie eine Barriere vor äußeren Einflüssen, z. B. vor Antibiotikamolekülen oder der Immun­antwort des Wirtes, schützen [6]. Diese zellulären Programme wären wirkungslos und würden wertvolle Ressourcen verschwenden, wenn sie nur von einer einzigen Zelle durchgeführt werden würden. Daher stellen die Bakterien durch Qs sicher, dass genug Artgenossen in der Umgebung vorhanden sind, um solche komplexen Vorgänge gemeinsam auszuführen und so einen größeren Effekt zu erzielen [5].

Durch die Inhibition der interzellulären Kommunikation könnte man Bakterien dieser Fähigkeit berauben und somit die Produktion von Virulenzfaktoren oder Bio­filmbildung unterdrücken, wodurch die Bakterien entwaffnet wären. Dies kann mithilfe von Qs-Inhibitoren (QsI) erreicht werden, die entweder die Proteine, die an der Biosynthese der Signalmoleküle beteiligt sind, lahmlegen, oder die Bindestellen des Signalmoleküls am Rezeptor besetzen, sodass dieses nicht andocken kann [4]. 

Derartige QsI, die auch als Pathoblocker bezeichnet werden, bieten einige Vorteile gegenüber klassischen Antibiotika: Sie töten die Bakterien nicht ab; vermutlich erzeugen sie dadurch einen weitaus geringeren Selektionsdruck zur Ausbildung von Resistenzen. Darüber hinaus dürften solche Pathoblocker, die gegen spezifische Qs-Systeme von pathogenen Bakterien gerichtet sind, die Darmmikrobiota des Menschen, welche bei der Anwendung von Antibiotika häufig erheblich geschädigt wird, wahrscheinlich nicht stören [7]. 

Bislang ist jedoch noch unklar, wie solche Pathoblocker in Zukunft eingesetzt werden sollen. Da die Wirkstoffe nicht bakteriozid sind, müsste das Immunsystem des Patienten die entwaffneten Bakterien beseitigen. Daneben wäre aber auch eine Kombinationstherapie mit Antibiotika für den klinischen Einsatz vorstellbar [7]. 

Komplexes Qs-Netzwerk in Pseudomonas aeruginosa

Pseudomonas aeruginosa gilt als eine der Bakterienspezies, in der Qs am bes­ten erforscht ist. Dieser gramnegative, humanpathogene Krankenhauskeim ist sehr anpassungsfähig und löst bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem teils lebensbedrohliche Atem- und Harnwegsinfektionen aus. Durch intrinsische Resistenzmechanismen und die Ausbildung von Biofilmen in der chronischen Infektionsphase wird die Behandlung zusätzlich erschwert [8, 9]. 

In verschiedenen Infektionsmodellen wurde nachgewiesen, dass die Pathogenität und die Biofilmbildung von P. aeruginosa durch ein komplexes Qs-Netzwerk gesteuert wird. Das Bakterium ist multilingual; es verwendet drei verschiedene Systeme (las, rhl und pqs) und damit auch drei verschiedene Signalmoleküle für seine Kommunikation (Abb. 2). Die beiden Systeme las und rhl sind sehr ähnlich aufgebaut und verwenden als Autoinduktoren zwei unterschiedliche HSL: 3-oxo-C12-HSL (las) bzw. C4-HSL (rhl), die durch die Auto­induktor-Synthasen LasI/RhlI hergestellt und von den DNA-bindenden Rezeptoren LasR/RhlR detektiert werden [8]. Das pqs-System nutzt hingegen ein Molekül aus der Familie der Alkylchinolone (AQ) als Autoinduktor (PQS). PQS und andere AQ werden in mehreren aufeinanderfolgenden Reaktionsschritten durch die Enzyme PqsA, PqsBC, PqsD, PqsE und PqsH synthetisiert. Dabei katalysieren PqsA bis PqsE zunächst die Bio­synthese von 2-Heptyl-4(1H)-Chinolon (HHQ), welches schließlich durch PqsH an Position 3 des Chinolon-Rings hydroxyliert und damit zu PQS umgewandelt wird [8, 10]. Sowohl PQS als auch HHQ können beide unabhängig voneinander den DNA-bindenden Transkrip­tionsregulator PqsR aktivieren, wobei PQS eine weitaus höhere Affinität zu PqsR als HHQ besitzt. Die durch ihre jeweiligen Signalmoleküle aktivierten Transkriptionsfaktoren LasR, RhlR und PqsR binden an konservierte Bereiche in den Promotorregionen ihrer Zielgene und kontrollieren dadurch deren Expression, wobei für die vollständige Aktivierung einiger Gene mehrere Rezeptoren benötigt werden [8].

Ein Beispiel für die komplexe, durch Qs gesteuerte, Regulation ist die Bildung des Kollagen-abbauenden Virulenzfaktors LasB, dessen Produktion von LasR sowie RhlR abhängt. Doch es gibt nicht nur eine Überlappung zwischen den Genen, die durch die einzelnen Transkriptionsfaktoren kontrolliert werden, sondern es findet auch eine Vernetzung zwischen den Einzelsystemen statt. Dabei steht das las-System an der Spitze der Signalkaskade und schaltet das rhl- und das pqs-System an. PqsR in Komplex mit HHQ/PQS induziert ebenfalls das rhl-System, welches allerdings die Expression des pqs-Systems abschwächt. Weitere Komplexität und Feinregulation wird durch verschiedene regulatorische Proteine erreicht, die das Qs-Netzwerk positiv oder negativ regulieren [8].

In den letzten Jahren wurden mehrere QsI in P. aeruginosa identifiziert. Unter anderem wurden in Liganden-basierten Ansätzen auf Grundlage der natürlichen Signalmoleküle Antagonisten der Rezeptoren RhlR, LasR und PqsR entwickelt (Abb. 3) [4, 9]. Der LasR/RhlR-Inhibitor in Abbildung 3a verhinderte in Experimenten die Expression wichtiger Virulenzfaktoren, inhibierte die Biofilmbildung in vitro und schützte humane Zellen, die mit P. aeruginosa infiziert wurden [4, 9]. In Gegenwart des PqsR-Antagonisten (Abb. 3b) wurde die Überlebensrate von Insektenlarven nach Infektion mit P. aeruginosa gesteigert. 

Fazit und Ausblick

Obwohl sich diese initialen Ergebnisse bereits vielversprechend anhören, gilt es, die pharmakokinetischen Eigenschaften der Wirkstoffe zu optimieren und die Inhibitoren in geeigneten In-vivo-Modellen zu evaluieren, bevor eine klinische Anwendung denkbar ist [9]. Zudem ist es zwingend notwendig, die molekularen Grundlagen der bakteriellen Kommunikation weiter zu erforschen, um so den Weg für eine zukünftige Antivirulenz-Therapie in P. aeruginosa zu ebnen.   


Trillium Diagnostik 2018; 16(4):233

Trillium Diagnostik 2018; 16(4):234

Trillium Diagnostik 2018; 16(4):235

Autor
Dr. rer. nat Florian Witzgall
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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