Mit Hightech gegen Mikroben

Analytik in der klinischen Mikrobiologie

Trillium Diagnostik 2018; 16(4): 236-237

Etwa 25% aller Patienten im Krankenhaus werden mit Antibiotika behandelt, gleichzeitig steigt die Zahl der Infektionen mit multiresistenten Keimen. Daraus folgen hohe Anforderungen an ein medizinisch.mikrobiologisches Labor, die Bioscientia mit Automation  und modernster Analytik erfüllt.

nfektionskrankheiten haben einen hohen Stellenwert für im Krankenhaus behandelte Patienten. In Deutschland werden jährlich 200.000 Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie, mehr als 150.000 wegen einer Sepsis stationär behandelt. Hinzu kommt noch eine sehr viel größere Zahl von Patienten, die z. B. wegen Haut- und Weichteilinfektionen, Exazerbationen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, Peritonitis, infektiöser Diarrhö, wegen komplizierter Harnwegsinfektionen, Reiseerkrankungen oder aufgrund opportunistischer Infektionen bei Immunsuppression stationär behandelt werden. In der jüngsten Prävalenzstudie von 2016 zu nosokomialen Infektionen in Deutschland hatten 4,6% der Patienten eine im Krankenhaus erworbene Infektion, welche in fast dreiviertel der Fälle bei dem gegenwärtigen stationären Aufenthalt erworben wurde; 20–30% davon wären vermutlich vermeidbar gewesen. Am häufigsten wurden untere Atemwegsinfektionen (24%), postoperative Wundinfektionen (22,4%), Harnwegsinfektionen (21,6%), Clostridioides-difficile-assoziierte Diarrhö (10%) und primäre Sepsis (5,1%) dokumentiert. Jährlich sterben in deutschen Krankenhäusern 10–15.000 Patienten an einer nosokomialen Infektion. Die Bedeutung von Infektionen im Krankenhaus zeigt auch, dass fast ein Viertel aller Patienten in einer repräsentativen Stichprobe deutscher Kliniken mit Anti­biotika behandelt wurden. 

Eine besondere Herausforderung stellt die weltweite Zunahme von Infektionen mit multiresistenten Erregern dar. Dem trägt auch der Gesetzgeber im §23 Infektionsschutzgesetz Rechnung, der durch die KRINKO 2012 Empfehlungen zum Umgang mit Patienten mit multiresistenten gramnegativen Stäbchenbakterien, den sogenannten MRGN, erlassen hat. Die Krankenhausleitungen tragen die Verantwortung dafür, dass diese Empfehlungen in ihrem Verantwortungsbereich umgesetzt werden. Die Identifizierung des verantwortlichen Erregers oder von Erregern mit besonderen Resistenzen haben durch entsprechend dotierte Haupt- oder Nebendiagnosen, die im Rahmen des DRG-Systems kodiert werden können, direkte erlös­relevante Konsequenzen.

Moderne Analytik und Total Lab Automation 

Diesen Herausforderungen begegnen wir im mikrobiologischen Labor mit zwei wesentlichen, revolutionären Neuerungen: durch die MALDI-TOF Massenspektrometrie zur Erregeridentifizierung und durch eine möglichst weitgehende Automatisierung, die inzwischen als Total Lab Automation (TLA) bezeichnet wird. BD Kiestra hat bereits vor mehr als zehn Jahen den Prototypen einer solchen TLA in Kooperation mit dem Bioscientia Labor Ingelheim zur Anwendungsreife gebracht. Weltweit sind inzwischen über 50 solcher Systeme im Einsatz, davon allein bei Sonic Healthcare in Ingelheim und London die beiden europa­weit größten TLA-Anlagen. Seit November 2017 betreiben wir in Ingelheim zwei BD Kiestra TLAs der zweiten Generation (Abb. 1). Die Anlage von Kulturen und der Ausstrich auf Kultur­platten erfolgen in einer solchen TLA aus flüssigen Proben vollautomatisch, von Abstrichen und anderen festen Materialien halbautomatisch. Die Automaten nutzen die Oberfläche der Kulturplatten beim Ausstreichen des Kulturmaterials effektiver aus, wodurch seltener Subkulturen erforderlich sind, um Reinkulturen zu erhalten. Das verkürzt die Zeit bis zum Endbefund. Die beimpften Kultur­platten werden von einem Förderband unmittelbar in automatisierte Brutschränke verbracht, wo sie bis zum Abschluss der Kultur bei konstanter Temperatur und Gasatmosphäre inkubiert werden (Abb. 2). Nach festgelegten Intervallen werden automatisch Bilder von den Kulturplatten in einer Vielzahl von Belichtungsvarianten erstellt, mithilfe einer Bildbearbeitungssoftware aufbereitet und dann vom medizinisch-technischen Personal am Bildschirm ausgewertet. Die für die Erregeridentifizierung und Resistenzbestimmung am Bildschirm markierten Bakterienkolonien (Abb. 3) werden zusammen mit den erforderlichen Agarplatten zu dem geeigneten Arbeitsplatz an der TLA transportiert, und nach den Standards nationaler und internationaler Fachgesellschaften analysiert. 

Diese neuen Verfahren bringen eklatante Vorteile für die von uns betreuten Patienten und Kliniken. Im Vergleich mit konventionellen Kulturen wurden mit der BD Kiestra TLA 12% mehr Erreger aus Urinkulturen isoliert; in unserer eigenen Anwendung haben wir mit der BD Kiestra TLA der zweiten Generation 6% mehr positive Urinkulturen im Vergleich zu dem Prototypen unserer TLA. Aus dieser Differenz schließen wir, dass die Ausbeute bei Urinkulturen bereits mit dem Prototyp höher gewesen sein könnte als mit konventionellen Kulturen.

Spezialfall Sepsis

Zu den wichtigsten diagnostischen Materialien von Sepsis-Patienten im Krankenhaus gehören Blutkulturen. Die Resultate liegen dabei schneller vor, als viele meinen: Bis zu 80% aller positiven Blutkulturen zeigen dieses Ergebnis am ersten Bebrütungstag, d. h. Proben vom Nachmittag oder Abend sind häufig bereits am nächsten Morgen positiv. Wir bestimmen dann am selben Nachmittag mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie den Erreger auf Spezies-Ebene und legen Antibiogramme unter standardisierten Bedingungen an.

Molekularbiologische Amplifikationsverfahren sind im Routinebetrieb nur selten schneller. Dank unserer Automation (TLA) konnten wir die Turnaround-Zeit (TAT) positiver Blutkulturen inklusive Antibiogramm um rund 24 h verkürzen. 

Auch negative Blutkulturen können eine direkt erlösrelevante Wirkung haben: Bei Patienten mit Septic Inflammatory Response Syndrome (SIRS) kann die Nebendiagnose R65.0! kodiert werden, wenn mindestens zwei Blutkulturpärchen (aerob/anaerob) angelegt wurden. Dies bewirkt je nach Konstellation des Einzelfalls Erlösdifferenzen von einigen hundert bis einigen tausend Euro. 

Kliniken in Deutschland nehmen vermehrt Patienten auf, bei denen ein Risiko für eine Besiedelung mit multiresistenten, gramnegativen Stäbchenbakterien (MRGN) besteht. Die KRINKO verpflichtet deshalb die Krankenhausträger, verantwortlich ein Hygienekonzept für den Umgang mit diesen Patienten zu erarbeiten. Zu einem guten Konzept gehört ein Screening auf MRGN-Erreger aus einem tiefen Rektalabstrich. Nach Einführung der MRGN-Klassifikation durch die KRINKO bestand anfangs die einzige diagnostische Möglichkeit darin, zunächst „brute force“ alle gramnegativen Erreger zu differenzieren und mittels Antibiogramm auf einen MRGN-Phänotyp zu untersuchen. Das dauerte auch im negativen Fall mindestens 48–72 h. Mit dem Bioscientia MRGN-Screening haben wir ein Verfahren etabliert, das es ermöglicht, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein negatives Ergebnis bereits innerhalb von 24 h nach Ankunft der Probe im Labor mitzuteilen. Präventiv isolierte Patienten können entsprechend eher „entisoliert“ werden.

Insgesamt kann man feststellen, dass die Erreger im Setting einer BD Kiestra TLA schneller wachsen. In der Zukunft evaluieren wir, wie wir die Inkubationszeiten unserer Kulturen weiter verkürzen können, um die mikrobiologischen Untersuchungen schneller abzuschließen und die Ergebnisse eher mitzuteilen. Wie man aus den oben geschilderten Szenarien sehen kann, hat diese Zukunft für die Patienten von Bioscientia Labor Ingelheim betreuten Kliniken und niedergelassenen Ärzte bereits begonnen.

Autor
Prof. Dr. med. Dietrich Mack
Bioscientia Labor Ingelheim
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