Hochdosistherapie beim Multiplen Myelom
Trotz der relevanten Weiterentwicklung der pharmakologischen Kombinationsbehandlung beim Multiplen Myelom bleibt die Hochdosis-Chemotherapie (HDT) mit anschließender autologer Blutstammzelltransplantation (ASZT) zentraler Bestandteil der Erstlinientherapie bei geeigneten Patienten. Durch die Kombination von HDT und monoklonalem Antikörper, Proteasom-Inhibitor, Immunmodulator und Steroid erreichen die meisten Patienten hohe Ansprechraten sowie tiefe und anhaltende Remissionen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Therapie des Multiplen Myeloms weiterentwickelt, sollte der Stellenwert der HDT aber immer wieder neu geprüft werden.
Hochdosistherapie, Melphalan, monoklonaler Antikörper, Proteasom-Inhibitor, Immunmodulator, Steroid
Entwicklung der Hochdosistherapie (HDT)
Vor ca. 60 Jahren wurde das erste relevant wirksame Medikament zur Therapie des Multiplen Myeloms (MM) eingeführt: Melphalan [1]. Zehn Jahre später wurde die Kombination von Melphalan mit Steroiden der Behandlungsstandard [2]. Mitte der 1980er-Jahre etablierte sich eine Kombination aus Vincristin, Adriamycin und hochdosiertem Dexamethason (VAD) als Salvagetherapie nach Versagen einer Melphalan-haltigen Erstlinientherapie [3].
Aufgrund der Begrenztheit wirksamer Substanzen zur Behandlung des MM wurde der Versuch unternommen, die Melphalan-Dosis zu steigern. Hierdurch traten zwar langanhaltende Zytopenien auf, doch wurden daneben nur relativ moderate Nebenwirkungen beobachtet. Insbesondere waren hohe Melphalan-Dosierungen nicht kardio- oder hepatotoxisch. Daraus entstand die Idee, die patienteneigene Hämatopoese vor der Behandlung mit höher dosiertem Melphalan zu schützen. Dies geschah zunächst mit einer Knochenmark-Entnahme. Nun war es möglich, die Melphalan-Dosis zu steigern und mittels einer autologen Knochenmarktransplantation die Phase der schwerwiegenden Zytopenie und das damit assoziierte Infektionsrisiko zu verkürzen. Mit der höheren Melphalan-Dosis gelang es, Resistenzen gegen niedrigdosiertes Melphalan zu durchbrechen. Es stellte sich die Frage, ob diese hochwirksame Therapie nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt in der Therapiesequenz eingesetzt werden kann [4].
Vor 30 Jahren startete die französische Myelom-Studiengruppe Intergroupe Francais du Myelome (IFM) eine randomisierte Studie (IFM90), die hochdosiertes Melphalan (140 mg/m2) in Kombination mit Ganzkörperbestrahlung mit einer konventionellen Therapie in der Erstlinie verglich [5]. Nach positivem Ergebnis für die Hochdosistherapie (HDT) führten die französischen Kollegen eine weitere Studie (IFM94) durch, die eine einmalige mit einer zweimaligen HDT verglich [6]. Auch hier ergab sich eine Überlegenheit für den intensivierten Ansatz, die sogenannte Tandem-HDT. In einer zusätzlichen Studie wurde gezeigt, dass eine weitere Dosissteigerung des Melphalans (200 mg/m2) die Ganzkörperbestrahlung bei reduzierter Toxizität ersetzen kann [7].
Somit bestand die Standardtherapie vor gut zwei Dekaden aus einer Induktion mit VAD, gefolgt von ein oder zwei Hochdosis-Melphalan-Behandlungen mit autologer Blutstammzelltransplantation. Letztere hatte aufgrund der weniger invasiven Form der Stammzellgewinnung zwischenzeitlich die autologe Knochenmarktransplantation abgelöst.
Zwei Fragen standen zu diesem Zeitpunkt im Vordergrund:
- Wie kann die Toxizität des Verfahrens weiter gesenkt werden?
- Können auch ältere Patienten von der wirksamen Therapie profitieren?
Die Deutsche Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM) konnte in der DSMM-II-Studie für die Gruppe der älteren Patienten (434 Patienten, 60–70 Jahre) zeigen, dass die meisten Todesfälle während der Erstlinientherapie nicht etwa nach der Stammzelltransplantation, sondern während der Induktion mit VAD auftraten [8]. In der gleichen Studie wurde nach der toxischen Chemotherapie und Dexamethason-basierten Induktionstherapie ein ähnliches progressionsfreies Überleben (PFS) erreicht wie ohne Induktion – bei geringerer Toxizität und kürzerer Therapiedauer. Zusätzlich unterschieden sich die Alterssubgruppen (60–64 und 65–70 Jahre) nicht in Bezug auf Toxizität und PFS sowie Gesamtüberleben (OS). Altersadaptiert wurde hier mit zweimal 140 mg/m2 Melphalan behandelt.
Für Melphalan 200 mg/m2 wurde später ebenfalls gezeigt, dass dieses bei älteren Patienten mit vergleichbarer Wirkung und Toxizität verabreicht werden kann. In den Subgruppen 60–64 Jahre vs. 65–69 Jahre vs. 70–75 Jahre wurden vergleichbare PFS- und OS-Raten erzielt (Abb. 1) [9, 10].