NSCLC – Immuntherapien
Zwei Checkpoint-Inhibitoren plus Chemotherapie = anhaltende Wirksamkeit
Die Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) hat in den letzten Jahren rapide Fortschritte gemacht: Beim ASCO-Kongress wurden beispielsweise Follow-up-Daten der CheckMate-9LA-Studie präsentiert, auf deren Basis eine Kombination aus zwei Immuntherapien und einer kurzen Chemotherapie zugelassen worden ist.
Die Kombination aus zwei Immuncheckpoint-Inhibitoren – dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab –, die unterschiedliche, aber einander ergänzende Wirkmechanismen aufweisen, hat sich bei einer Reihe von Tumorentitäten positiv auf die Prognose ausgewirkt – neben Melanom, Nierenzellkarzinom und Mesotheliom auch beim fortgeschrittenen NSCLC.
In der globalen Phase-III-Studie CheckMate-9LA war diese Immuntherapie-Doublette bei Patienten mit NSCLC ohne aktivierende Mutationen des EGFR- und des ALK-Gens mit zwei Zyklen einer Chemotherapie kombiniert worden und hatte gegenüber vier Zyklen der alleinigen Chemotherapie Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben sowie die Ansprechraten signifikant verbessert [1]. Das hatte zur Zulassung der Kombination für diese Indikation geführt. Die 2-Jahres-Auswertung, die wir nun beim ASCO-Kongress präsentieren konnten, bestätigte die erste Analyse weitgehend [2]:
Mehr als 700 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC hatten randomisiert entweder vier dreiwöchige Zyklen einer Chemotherapie oder zwei Zyklen der Chemotherapie und zusätzlich für maximal zwei Jahre 360 mg Nivolumab alle drei Wochen und 1 mg/kg Ipilimumab alle sechs Wochen bekommen. Im Chemotherapie-Arm konnte bei Nicht-Plattenzellkarzinomen außerdem eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed angeschlossen werden. Beim primären Endpunkt Gesamtüberleben war der Immuntherapie-Arm weiterhin mit median 15,8 versus 11,0 Monaten signifikant überlegen (Hazard Ratio (HR) 0,72; 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) 0,61–0,86); die 2-Jahres-Überlebensraten betrugen 38 % versus 26 %. Auffällig war die immer noch hohe Rate an zensierten Patienten, sodass weitere Updates der Effektivität unbedingt erforderlich sind – vor allem, wenn es um die Frage des Langzeitüberlebens geht.
Die Ergebnisse waren für nahezu alle untersuchten Subgruppen vergleichbar – mit zwei Ausnahmen: Patienten mit vorbehandelten Hirnmetastasen hatten tendenziell einen stärkeren Vorteil von der Immuntherapie als diejenigen ohne zerebralen Befall, wogegen > 75-jährige Patienten und Nie-Raucher keinen solchen Vorteil zeigten; allerdings waren diese Subgruppen recht klein.
Auch beim progressionsfreien Überleben schnitt die Immuntherapie mit 2-Jahres-Raten von 20 % versus 8 % deutlich besser ab, ebenso bei der Dauer des Ansprechens mit 34 % versus 12 %. Die PD-L1-Expression in den Tumoren hatte keinen Einfluss auf die Resultate bezüglich dieser drei Parameter: So war das Gesamtüberleben auch bei Patienten mit PD-L1-Werten < 1 % mit median 17,7 versus 9,8 Monaten unter der Immun-therapie deutlich verlängert (HR 0,67; 95%-KI 0,51–0,88).
Durch die Therapie verursachte Nebenwirkungen waren lediglich während der ersten beiden Zyklen unter der Immun-Chemotherapie häufiger, danach im Chemotherapie-Arm. Im Verumarm mussten 61 Patienten die Therapie mit allen drei Komponenten (Nivolumab, Ipilimumab, Chemotherapie) aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig beenden; bei diesen Patienten war die Überlebenszeit in einer retrospektiven, explorativen Analyse nicht schlechter verglichen mit den Patienten in der Gesamtpopulation (1-Jahres-Überlebensrate 72 % und. 63 %, 2-Jahres-Überlebensrate 54 % und 38 %). Von den Patienten, die auf die Immun-Chemotherapie angesprochen, aber diese vorzeitig abgebrochen hatten, waren 56 % mehr als ein Jahr nach Therapieende noch in Remission.
Diese Ergebnisse bestätigen eindeutig die hohe Wirksamkeit der Kombination aus Nivolumab, Ipilimumab und einer kurzen, initialen Chemotherapie beim fortgeschrittenen NSCLC – und zwar ohne Einschränkungen, was etwa die PD-L1-Expression angeht.
Checkpoint-Inhibition mit Chemotherapie wirksamer
Dass umgekehrt auch eine zusätzliche Chemotherapie die Ergebnisse einer alleinigen Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren verbessert, haben schon mehrere Studien gezeigt. Und das bestätigt nun auch eine gepoolte Analyse aus der US-amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA): Darin wurden acht große randomisierte Zulassungsstudien für Checkpoint-Inhibitoren alleine oder in Kombination mit einer Chemotherapie in der Erstlinientherapie des NSCLC zusammen ausgewertet, berichtete Oladimeji Akinboro, Silver Spring, Maryland, USA [3]:
Aus den fast 6.000 in die Studien eingeschlossenen Patienten mit nicht palliativ vorbehandeltem NSCLC (ohne EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen) wurden diejenigen mit einer PD-L1-Expression zwischen 1 % und 49 % ausgewählt, die Checkpoint-Inhibitoren entweder alleine (Nivolumab mit oder ohne Ipilimumab, Pembrolizumab, Atezolizumab; insgesamt n = 529) oder in Kombination mit einer Chemotherapie (n = 639) erhalten hatten.
Durch die zusätzliche Chemotherapie war das progressionsfreie Überleben von median 4,2 auf 7,7 Monate beinahe verdoppelt worden (HR 0,60; 95%-KI 0,48–0,76). Dieser Vorteil war für alle untersuchten Subgruppen unabhängig von Alter, ECOG-Performance(ECOG-PS)- und Raucherstatus signifikant, mit Ausnahme der über 75-Jährigen (HR 0,85; 95%-KI 0,42–1,71).
Ganz ähnlich war das Ergebnis bezüglich des Gesamtüberlebens, das durch die Chemotherapie von median 14,5 auf 21,4 Monate verlängert worden war (HR 0,68; 95%-KI 0,52–0,90); auch hier fielen die über 75-Jährigen mit median 13,9 versus 10,3 Monaten und einer HR von 0,95 (95%-KI 0,42–2,14) aus der Reihe. Die Patienten mit einem ECOG-PS-Wert von 1 profitierten zwar ebenfalls von der zusätzlichen Chemotherapie, aber hier verlängerte sich das Überleben lediglich von median 11,0 auf 16,8 Monate (HR 0,68; 95%-KI 0,50–0,94), bei einem ECOG-PS-Wert von 0 hingegen von 20,0 auf 25,2 Monate (HR 0,65; 95%-KI 0,38–1,10).
Es handelt sich hier zwar lediglich um eine retrospektive exploratorische Analyse, so Akinboro, und die Resultate seien nur als Hypothesen-generierend anzusehen; insgesamt erschienen sie jedoch recht robust und gestatteten die Schlussfolgerung, dass bislang zugelassene Immun-Chemotherapie-Protokolle bei den meisten Patienten mit NSCLC und PD-L1-Expression zwischen 1 % und 49 % alleiniger Immuntherapie überlegen sind. Auch über 75-Jährigen scheint die Chemotherapie zumindest nicht zu schaden. Den Autoren zufolge sollte man in künftigen randomisierten Studien zur Erstlinientherapie des NSCLC mit einer PD-L1-Expression zwischen 1 % und 49 % im Kontrollarm keine alleinige Immuntherapie mehr geben.
Stadium III: Radiochemo-Immuntherapie anhaltend wirksam
Das NSCLC kann sich vor allem in frühen Stadien sehr unterschiedlich darstellen, und insbesondere das Stadium III ist extrem heterogen, sodass über die Therapie dieser Patienten nur in einem interdisziplinären Tumorboard entschieden werden sollte. Wird ein Stadium III dort als inoperabel definiert, ist der derzeitige therapeutische Standard, mit dem eine kurative Intention verfolgt wird, eine Radiochemo-Immuntherapie mit dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab auf Basis der Phase-III-Studie PACIFIC, zu der beim ASCO-Kongress die 5-Jahres-Daten vorgestellt wurden [4].
Die Kombination von Strahlen- und Immuntherapie lässt sich zum einen damit begründen, dass eine Radiochemotherapie zu einer ausgedehnten Zerstörung der Tumorzellen führt, bei der Antigene freigesetzt und für das Immunsystem sichtbar werden. Außerdem wird ein „abskopaler Effekt“ postuliert, demzufolge die lokale Strahlentherapie ein wahrscheinlich immunologisch vermitteltes Ansprechen des Tumors auch an anderen Stellen bewirkt.
In die PACIFIC-Studie wurden Patienten mit NSCLC im Stadium III eingeschlossen, die eine Radiochemotherapie (platinbasierte Chemotherapie-Doublette und 60–66 Gy in 30–33 Fraktionen) erhalten hatten. 713 Patienten, die danach nicht progredient waren, wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert, bis zu einem Jahr lang alle zwei Wochen entweder Durvalumab oder ein Placebo zu erhalten. Bereits die erste Auswertung hatte eine Reduktion des Mortalitätsrisikos um 32 % ergeben [5], die in einer Post-hoc-Analyse in der Subgruppe von Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥ 1 % noch höher war; mit dieser Einschränkung (PD-L1 ≥ 1 %) ist Durvalumab in Europa auch für diese Indikation zugelassen. Beim ASCO stellte David Spigel, Nashville, USA, die 5-Jahres-Daten für die Gesamtpopulation vor:
Beim Gesamtüberleben zeigte sich eine Reduktion des Mortalitätsrisikos um 28 % (stratifizierte HR 0,72, 95%-KI
0,59–0,89); die 5-Jahres-Überlebensraten betrugen für den Durvalumab-Arm 42,9 % und für den Kontrollarm 33,4 %, die progressionsfreien Überlebensraten 33,1 % versus 19,0 % (HR 0,55; 95%-KI 0,45–0,68), d. h das Risiko für Progression oder Tod wurde durch die Immuntherapie um 45 % verringert.
Mehr als 40 % der Patienten leben also auch nach fünf Jahren noch, und etwa jeder dritte ist sogar progressionsfrei. Zugelassen ist die Therapie allerdings nur für Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥ 1 %. Die 5-Jahres-Ergebnisse für diese Subgruppe wurden kürzlich beim deutschen Strahlentherapie-Kongress vorgestellt und bestätigten auch hier die anhaltende Wirksamkeit der Radiochemo-Immuntherapie.
Immuntherapie verbessert adjuvante Therapie
Die S3-Leitlinie Lungenkarzinom empfiehlt für Patienten mit frühen Stadien eines NSCLC, das vollständig reseziert werden konnte, eine platinbasierte adjuvante Chemotherapie [6], deren Nutzen allerdings sowohl beim krankheitsfreien (HR 0,84; 95%-KI 0,78–0,91) als auch beim Gesamtüberleben (HR 0,89; 95%-KI 0,82–0,96) bescheiden ist: Die 5-Jahres-Überlebensrate verbessert sich um 4–5 %. Da beim frühen NSCLC mit aktivierenden EGFR-Mutationen kürzlich das krankheitsfreie Überleben durch eine adjuvante Behandlung mit dem EGFR-Inhibitor Osimertinib deutlich verlängert werden konnte [7], werden derzeit bei den NSCLC-Formen ohne Treibermutationen Checkpoint-Inhibitoren in dieser Indikation getestet.
In der Phase-III-Studie IMpower010 beispielsweise erhielten mehr als 1.200 Patienten mit NSCLC in den Stadien IB (Tumor ≥ 4 cm)–IIIA und einem ECOG-PS-Status von 0 oder 1 bis zu vier Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie und wurden danach randomisiert, um zusätzlich entweder 16 Zyklen des PD-L1-Inhibitors Atezolizumab (1.200 mg alle 3 Wochen) oder die beste verfügbare Supportivtherapie zu bekommen.
Beim ASCO-Kongress berichtete Heather Wakelee, Stanford, Kalifornien, USA [8], dass in der ersten Stufe der statistischen Auswertung, beim krankheitsfreien Überleben in der PD-L1-positiven Subgruppe (PD-L1 ≥ 1 %) mit Stadium II–IIIA, der Medianwert im Atezolizumab-Arm noch nicht erreicht war, während er im Kontrollarm bei 35,3 Monaten lag (HR 0,66; p = 0,004). Bei allen Patienten im Stadium II–IIIA war – unabhängig von der PD-L1-Expression – in der zweiten Stufe der Analyse die Checkpoint-Inhibition mit median 42,3 versus 35,3 Monaten weniger hoch, aber ebenfalls signifikant überlegen (HR 0,79; p = 0,02).
Der PD-L1-Expressionstatus scheint wirklich von Bedeutung zu sein, weil die Patienten ohne Expression (< 1 %) in einer Subgruppenanalyse nicht von Atezolizumab profitierten (HR 0,97; 95%-KI 0,72–1,31), wohingegen diejenigen mit einer PD-L1-Expression von ≥ 50 % noch besser abschnitten (HR 0,43; 95%-KI 0,27–0,68) als die größere Population mit PD-L1 ≥ 1 % (HR 0,66; 95%-KI 0,49–0,87).
Die dritte Stufe der Analyse soll die gesamte Intention-to-treat-Population umfassen (Stadien IB–IIIA): Hier ist der Medianwert des krankheitsfreien Überlebens im Atezolizumab-Arm derzeit noch nicht erreicht, so Wakelee, während er im Kontrollarm 37,2 Monate betrug; die Grenze zur statistischen Signifikanz entsprechend den statistischen Vorgaben ist in dieser Interimsanalyse formal noch nicht überschritten (HR 0,81; p = 0,04).
Eine vorläufige Analyse der Daten zum Gesamtüberleben zeigt für die Patienten mit PD-L1-Expression (≥ 1 %) in den Stadien II–IIIA einen Trend zugunsten von Atezolizumab (HR 0,77; 95%-KI 0,51–1,17).
Bei den Patienten unter Atezolizumab wurden häufiger Grad-3/4-Nebenwirkungen (21,8 % vs. 11,5 %) und immunvermittelte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 (7,9 % vs. 0,6 %) registriert, an denen vier von ihnen auch verstarben.
Insbesondere für Patienten mit komplett reseziertem und PD-L1-positivem NSCLC könnte die adjuvante Immuntherapie eine praxisverändernde Neuerung darstellen, so Wakelee.