Seit 1990 hat sich die globale Inzidenz des Pankreaskarzinoms mehr als verdoppelt [1]. Epidemiologische Projektionen gehen von einer weiteren Zunahme der Todesfälle durch ein duktales Adenokarzinom des Pankreas in Deutschland aus [2]. Sollten diese Hochrechnungen zutreffen, würde das Pankreaskarzinom im Jahr 2030 in Deutschland die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache darstellen. Diese Entwicklung ist durch die steigende Inzidenz bei unverändert hoher Mortalitätsrate zu erklären. Während sich die 5-Jahres-Überlebensraten anderer Tumorerkrankungen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, lässt sich im selben Zeitraum für das Pankreaskarzinom lediglich eine geringe Verbesserung des 5-Jahres-Überlebens von 2,5 % auf 8,5 % feststellen. Bei über 80 % aller Patienten liegt zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium vor. Eine potentiell kurative Resektion ist dann nicht mehr möglich. In einer Metaanalyse von Carrato und Kollegen wurden Real-life-Daten zu Gesamtüberleben, Lebensqualität und wirtschaftlichen Auswirkungen des Pankreaskarzinoms aus 24 europäischen Ländern ausgewertet (Daten aus 91 verschiedenen Registerstudien). Es zeigte sich eine mediane Überlebens-dauer von nur 4,6 Monaten nach Diagnosestellung [3]. Im vorliegenden Artikel wird der aktuelle Kenntnisstand hinsichtlich der verschiedenen palliativen Chemotherapie-Optionen sowie klinisch relevanter molekularer Biomarker für eine mögliche, zielgerichtete Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms evidenzbasiert und praxisrelevant dargestellt.
Erstlinientherapie
In zahlreichen kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass eine Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom zu einer Verlängerung des Gesamtüberleben (OS) und einer Verbesserung der Lebensqualität gegenüber alleinigen supportiven Maßnahmen (Best supportive care, BSC) führt [4, 5]. Bereits Mitte der 1990er-Jahre verglichen Glimelius et al. eine 5-FU basierte Chemotherapie mit BSC in einer randomisierten Studie an 90 Patienten mit Pankreaskarzinom oder cholangiozellulärem Karzinom.
Das mediane OS im Chemotherapiearm war dabei signifikant länger als im BSC-Arm (6 vs. 2,5 Monate; p < 0,01). Ebenso war die Lebensqualität im Chemotherapie-Arm deutlich besser [4].
Allen Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas und einem ECOG-Performance-Status von 0–2 sollte daher eine palliative Chemotherapie angeboten werden. Auch um seltene histologische Subtypen (wie neuroendokrine Tumoren, Azinuszellkarzinome oder seltene Pankreasmetastasen, etwa bei einem Nierenzellkarzinom) auszuschließen, sollte im Vorfeld immer eine histologische Diagnosesicherung aus Metastase oder Primärtumor erfolgen.
Nachdem Burris et al. 1997 nachweisen konnten, dass eine Gemcitabin-Monotherapie im Vergleich zu 5-FU-Bolusgaben ein signifikant besseres klinisches Ansprechen (weniger Schmerzen, Ver-besserung im Karnofsky-Index 23,8 % vs. 4,8 %, p = 0,0022) sowie ein längeres OS (5,65 vs. 4,41 Monate, p = 0,0025) erzielen kann, galt die Monotherapie mit Gemcitabin (Gemcitabin mono) viele Jahre lang als die Standardtherapie beim metastasierten Pankreaskarzinom [6]. Als erste zielgerichtete Substanz führte der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Erlotinib kombiniert mit Gemcitabin zu einer statistisch signifikanten – klinisch allerdings moderaten – Verlängerung des OS. Im Median betrug der Unterschied im OS gerade einmal 2 Wochen, das 1-Jahres-Überleben lag bei 24 % für Gemcitabin/Erlotinib vs. 19 % für Gemcitabin mono [7]. Besonders gut sprachen Patienten an, die einen Erlotinib-assoziierten Hautausschlag (Rash) entwickelten.
Dieser Zusammenhang wurde auch in der prospektiven multizentrischen Phase-II-Studie RASH der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) durch Haas et al. untersucht. Insgesamt wurden 150 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom rekrutiert, die in der Run-in-Phase 4 Wochen Gemcitabin plus Erlotinib erhielten. Bei Entwicklung eines Hautausschlages wurde die Therapie weitergeführt (n = 90) bzw. bei Rash-negativen Patienten auf eine
Systemtherapie mit FOLFIRINOX (n = 27) umgestellt. Die Rash-positiven Patienten erreichten eine 1-Jahres-OS-Rate von 40,0 %, ein medianes OS von 10,1 Monaten und ein Therapieansprechen von 23,3 %, Rash-negative Patienten im Vergleich dazu eine 1-Jahres-OS-Rate von 48,1 %, ein medianes OS von 10,9 Monaten und eine radiologische Ansprechrate von 33,3%. Somit war die Effektivität einer Erstlinientherapie mit Gemcitabin/Erlotinib bei selektionierten (alle Patienten mussten Kriterien erfüllen, die eine Behandlung mit FOLFIRINOX ermöglichen würden), Rash-positiven Patienten vergleichbar zu den Daten, die mit FOLFIRINOX berichtet wurden [8]. Im klinischen Alltag spielt die Therapie mit Gemcitabin/Erlotinib, vor allem wegen der zwischenzeitlichen Etablierung neuerer Protokolle wie FOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel (s. u.) mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle.
Neben Erlotinib wurden in verschiedenen Studien weitere Chemotherapeu-tika als Addition zu Gemcitabin getestet. Während verschiedene Metaanalysen zwar einen Vorteil für eine Gemcitabin-basierte Kombinations-Chemotherapie zeigten, konnte bis zur Zulassung von nab-Paclitaxel im Jahr 2014 keine einzelne randomisierte Studie einen statistisch signifikanten Vorteil einer Gemcitabin-basierten Kombinations-Chemotherapie nachweisen [9].
Die ersten positiven Daten der randomisierten Phase-III-Studie Prodige 4- ACCORD 11/0402 zum Einsatz einer intensiven Kombinations-Chemotherapie bei 342 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom wurden 2011 veröffentlicht. Von Dezember 2005 bis Oktober 2009 wurde dabei die Kombinationstherapie FOLFIRINOX (Oxaliplatin, Irinotecan, Leucovorin sowie 5-FU-Bolus, gefolgt von 5-FU-Dauerinfusion über 46 Stunden, Wiederholung alle 14 Tage) mit Gemcitabin mono verglichen. Das mediane OS (primärer Studienendpunkt) lag im FOLFIRINOX-Arm bei 11,1 Monaten vs. 6,8 Monaten im Gemcitabin-Arm (p < 0,001, Abb. 1). Ebenso konnte das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) von 3,3 Monaten im Gemcitabin-auf 6,4 Monate im FOLFIRINOX-Arm verbessert werden (p < 0,001; Abb. 1).