Die Immuncheckpoint-Inhibitoren haben der onkologischen Therapie zu einem enormen Schub verholfen, konfrontieren die Behandler aber auch mit einer neuen Art von Toxizität: Immunologisch bedingte unerwünschte Nebenwirkungen (irAEs), am häufigsten Kolitis, Pneumonitis und Myokarditis, treten hier gehäuft auf, sind kaum vorhersagbar und können in Einzelfällen schwer bis lebensbedrohlich sein. Da die Mutationslast des behandelten Tumors (TMB) als Biomarker für die Wirksamkeit dieser Substanzen gilt, untersuchten Autoren aus der Schweiz und den USA, ob sich dieser Parameter auch zur Vorhersage von irAEs eignen könnte.
Zur statistischen Auswertung wurden Daten eines Registers herangezogen, in dem die US-amerikanische Food and Drug Administration Nebenwirkungen zugelassener Medikamente sammelt. Über beinahe fünf Jahre wurden bei insgesamt 16.397 Patienten, die wegen eines von 19 definierten Tumortypen eine Monotherapie mit einem PD-1-Antikörper (Nivolumab oder Pembrolizumab) erhielten, insgesamt 47.304 Nebenwirkungen gemeldet; bei mehr als jedem fünften war darunter mindestens eine irAE. Als Vergleichskollektiv dienten mehr als 5 Millionen Patienten mit über 16 Millionen registrierten Nebenwirkungen.
Tatsächlich zeigte der Medianwert der TMB, wie er in großen molekularpathologischen Studien für die einzelnen Tumorentitäten gefunden worden war, eine ziemlich enge Korrelation mit dem Risiko für eine irAE: Ein Pearson-Korrelationskoeffizient von 0,704 (p < 0,001) besagt, dass etwa die Hälfte des Risikos, eine irAE zu entwickeln, auf das Konto der TMB geht. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen, so die Autoren:
- Die immunologischen Reaktionen könnten durch die Neoantigene verursacht sein, die bei höherer Tumormutationslast auch in größeren Mengen produziert und freigesetzt werden. T-Zellen, die ein Neoantigen erkennen, reagieren nämlich auch auf das betreffende Wildtyp-Protein.
- Außerdem könnten die Antigene (einschließlich der Neoantigene), die von absterbenden Tumorzellen freigesetzt werden, Lymphozyten gegen das Wildtyp-Antigen in gesundem Gewebe sensibilisieren.
Auf jeden Fall dürfte die Assoziation zwischen irAEs und dem besseren Ansprechen auf eine Anti-PD-1-Behandlung zumindest teilweise auf die Neoantigen-Produktion zurückgehen, die wiederum eine Folge der höheren TMB ist. Eine hohe TMB (ersatzweise eine Tumorentität mit generell hoher TMB) scheint daher ein Biomarker zu sein, der das Risiko für irAEs vorhersagen kann.
Josef Gulden
Bomze D et al. Association between immune-related adverse events during anti–PD-1 therapy and tumor mutational burden. JAMA Oncol 2019, Aug 22 [Prepub ahead of print, DOI 10.1001/jamaoncol.2019.3221].