Status quo: Nachsorge beim Brustkrebs heute
Übergeordnetes Ziel der aktuell praktizierten Brustkrebsnachsorge ist die generelle Gesunderhaltung der Betroffenen. Dies umfasst die Bereitstellung von Informationen und gegebenenfalls den Zugang zu Interventionsprogrammen zur gesunden Lebensführung in den Bereichen Ernährung, Bewegung sowie Nikotin- und Alkoholabusus wie auch die Beratung zur laufenden Therapie und zur Therapieadhärenz. Weitere Ziele der Nachsorge sind die Reduktion therapiebedingter Nebenwirkungen, die Verbesserung der Lebensqualität sowie letztlich die Reduktion der Sterblichkeit [1].
Gerade beim letzten Punkt wird jedoch eine Diskrepanz zwischen Anspruch und den durch die empfohlenen Routineuntersuchungen tatsächlich erreichbaren Zielen deutlich, denn diese beschränken sich seit vielen Jahren unverändert auf wenige Untersuchungen: Bei asymptomatischen Frauen sind dies Anamnese und körperliche Untersuchung sowie Mammografie beziehungsweise Mammasonografie. Explizite Ziele dieser Nachsorgemaßnahmen sind die Früherkennung heilbarer Rezidive (intramammär und lokoregionär) sowie kontralateraler Karzinome. Ein Screening auf Fernmetastasen, zum Beispiel durch bildgebende Verfahren oder Blutuntersuchungen, ist nicht Teil der aktuellen Nachsorge. Maßnahmen wie die Lebersonografie, die Skelettszintigrafie, das Thorax-Röntgen, die Computertomografie (CT), die Positronenemissionstomografie(PET)-CT und die Ganzkörper-Magnetresonanztomografie (MRT) sollen ohne Vorhandensein von Symptomen explizit nicht durchgeführt werden.
Auch von labormedizinischer Seite werden keine Tests empfohlen. Es sollen weder Tumormarker bestimmt werden, noch soll nach zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) gesucht werden [1].
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass derzeit nur Patientinnen mit entsprechenden Symptomen auf Metastasen untersucht werden und eine Früherkennung asymptomatischer Metastasen weder angestrebt werden soll noch mit den derzeit empfohlenen Routinemaßnahmen möglich ist.
Basis für diese zurückhaltenden Empfehlungen bilden im Wesentlichen zwei große prospektive Studien, die in den 1990er-Jahren publiziert worden sind und die zeigen, dass eine Intensivierung von Diagnostik und Monitoring das Überleben der Betroffenen nicht verlängert hat [2, 3]. Ab der Jahrtausendwende durchgeführte Cochrane-Analysen kamen zu ähnlichen Ergebnissen und konstatierten keine Vorteile hinsichtlich Rezidiverkennung, Lebensqualität und Überleben für über die jährlichen Mammografien und körperliche Untersuchungen hinausgehende Nachsorgeuntersuchungen [4, 5].
Neue Therapielandschaft
Seit der Erhebung dieser Daten fand jedoch sowohl auf diagnostischer als auch therapeutischer Seite eine enorme Entwicklung in der Behandlung des Mammakarzinoms statt: Therapeutisch hat sich das Spektrum durch die Einführung der pegylierten Anthrazykline und der Taxane deutlich erweitert, auch HER2-gerichtete Therapien sowie „small molecules“, Inhibitoren der cyclinabhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK4/6) und PARP-Inhibitoren tragen zu spezifischeren und wirkungsvolleren Therapiestrategien bei. Dazu kommt die Weiterentwicklung der antihormonellen Therapien mit beispielsweise Aromatase-Inhibitoren und den nun auch oral verfügbaren selektiven Östrogenrezeptor-Degradern (SERDs), der Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sowie der „zielgerichteten“ Chemotherapie mit Antikörper-Drug-Konjugaten (ADCs), die mittlerweile bei allen Mammakarzinomsubtypen eingesetzt werden können. All diese neuen Substanzgruppen haben die Prognose der allermeisten Patientinnen mit Brustkrebs deutlich verbessert. Vor dem Hintergrund dieser komplett anderen Therapielandschaft ist davon auszugehen, dass eine frühere therapeutische Intervention das Gesamtüberleben (OS) verbessern kann.
Entwicklung der Molekulardiagnostik
Eng verflochten mit und zum Teil Voraussetzung für den therapeutischen Fortschritt sind die modernen Diagnosemöglichkeiten und Verfahren zur frühen Erkennung von minimalen Krankheitsresiduen im Blut (MRD). Mittels Liquid Biopsy lassen sich CTCs und vor allem zellfreie DNA („cell-free DNA“; cfDNA) beziehungsweise zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) gewinnen, die heute bei vielen Tumorarten in verschiedenen Krankheitsstadien und Therapiesituationen – von der Diagnose über den Nachweis von MRD bis zum Monitoring von Therapieansprechen und der klonalen Evolution – als Biomarker herangezogen werden können [6, 7]. Eine der Einsatzmöglichkeiten dieser neuen Biomarker könnte auch die Nachsorge nach kurativer Therapie eines primären Mammakarzinoms sein, um einen Krankheitsrückfall frühzeitig zu erkennen, bevor klinische Symptome eines Rückfalls auftreten.