NSCLC – frühe Stadien
Beim resezierbaren nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) lassen sich mit einer neoadjuvanten Immunchemotherapie pathologische Ansprechraten zwischen 30 und 50 % erzielen. In einer Phase-II-Studie mit 46 Patient:innen, die Ze-Rui Zhao, Guangzhou, China, präsentierte, wurden zwei Zyklen einer Immunchemotherapie mit Tislelizumab und einer Platindoublette eine stereotaktische Strahlentherapie (3 x 8 Gy) vorgeschaltet [1]. Das hob die Rate an guten pathologischen Remissionen auf 76,1 %, davon 52,2 % komplett. Bei 76 % der Behandelten mit klinischen N1/2-Stadien wurde der Nodalstatus negativ. Diese Vertiefung des pathologischen Ansprechens korrelierte mit guter Verträglichkeit.
NSCLC – metastasiert
EGFR-Mutationen – Erstlinie
Beim NSCLC mit aktivierenden Mutationen des Rezeptors für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) ist der Erstlinienstandard im metastasierten Stadium derzeit der Drittgenerations-EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib, der gegenüber einer Chemotherapie das progressionsfreie (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) verlängert – bei guter Verträglichkeit.
In der Phase-III-Studie FLAURA2 war das PFS signifikant verlängert, wenn Osimertinib mit Platin-Pemetrexed kombiniert wurde (Hazard Ratio [HR] 0,62; p < 0,001). In Madrid, Spanien, berichtete David Planchard, Villejuif, Frankreich, über 78 Patient:innen mit messbaren Hirnläsionen in der MRT [2]. Die zerebralen Ansprechraten waren insgesamt zwar mit 88 und 87 % vergleichbar, aber im Chemotherapie-Arm waren dreimal mehr davon komplett als unter der Osimertinib-Monotherapie (48 vs. 16 %). Das Risiko für intrakranielle Progression oder Tod war um 60 % reduziert (HR 0,40; 95%-Konfidenzintervall 0,19–0,84).
Unter Verzicht auf eine Chemotherapie kann man Osimertinib auch mit Inhibitoren des Signalwegs des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) kombinieren. In einer randomisierten chinesischen Phase-II-Studie etwa, die Yi Hu, Beijing, China, präsentierte [3], wurde bei 104 Patient:innen anstelle von Osimertinib der Drittgenerations-EGFR-TKI Aulomertinib mit oder ohne Apatinib, einen hochspezifischen Inhibitor des VEGF-Rezeptors, gegeben. Ein leichter Vorteil bei den Ansprechraten für die Kombination (72,9 vs. 64 %) war beim intrakraniellen Ansprechen ausgeprägter (82 vs. 63 %). Beim PFS ist ein Trend zugunsten der Kombination zu erkennen. Das Zusammenspiel von EGFR- und VEGFR-Hemmung scheint also die Wirksamkeit zu verbessern.
In der randomisierten Phase-II-Studie RAMOSE wurde bei 147 therapienaiven Patient:innen mit fortgeschrittenem NSCLC Osimertinib mit und ohne Ramucirumab, einen VEGF-Rezeptor-Antikörper, gegeben, so Xiuning Le, Houston, TX/USA [4]. Weder beim Ansprechen noch bei der Krankheitskontrollrate unterschieden sich in der Interimsanalyse die Arme, wohl aber beim PFS mit median 24,8 versus 15,6 Monaten (HR 0,55; p = 0,023). Bei Vorliegen von Hirnmetastasen war der Unterschied mit median 17,9 versus 13,8 Monaten weniger stark ausgeprägt und auch nicht signifikant (p = 0,225). Das chemotherapiefreie Regime aus Osimertinib und Ramucirumab scheine damit ähnlich wirksam zu sein wie das FLAURA2-Protokoll, so Le.
Der bispezifische Antikörper Amivantamab bindet den EGF- ebenso wie den MET-Rezeptor auf Tumorzellen und koppelt diese Zellen überdies mit zytotoxischen T-Lymphozyten, die daraufhin die Krebszellen lysieren. In Kombination mit dem neuen Drittgenerations-EGFR-TKI Lazertinib, der gut liquorgängig ist, war Amivantamab in Phase-I-Studien beim EGFR-mutierten NSCLC sehr aktiv. Die Kombination wurde daher in der Phase-III-Studie MARIPOSA bei therapienaiven Patient:innen mit metastasiertem NSCLC randomisiert gegen Osimertinib getestet, so Byoung Chul Cho, Seoul, Südkorea [5].
Insgesamt 1.074 Patient:innen erhielten im Verhältnis 2 : 2 : 1 die Kombination aus Amivantamab plus Lazertinib oder Osimertinib oder Lazertinib als Monotherapie. Primärer Endpunkt war ein Vergleich der beiden ersten Arme bezüglich des PFS. Ein Monitoring auf Hirnmetastasen war obligat.
Nach median 22 Monaten war der Kombinationsarm beim PFS mit median 23,7 Monaten gegenüber 16,6 Monaten unter Osimertinib überlegen, mit einer Risikoreduktion um fast ein Drittel (HR 0,70; p < 0,001). Alle untersuchten Subgruppen profitierten, auch diejenigen mit Hirnmetastasen. Die Ansprechraten waren mit 86 beziehungsweise 85 % nicht unterschiedlich, doch dauerten die Remissionen im Kombinationsarm mit 25,8 versus 16,8 Monaten deutlich länger an. Die Daten zu PFS2 und Gesamtüberleben sind noch vorläufig, aber auch hier zeichnet sich eine Überlegenheit der Kombination ab (HR 0,75; 95%-KI 0,58–0,98 bzw. HR 0,80; 95%-KI 061–1,05; p = 0,1). Bei insgesamt guter Verträglichkeit hat sich die Kombination aus Amivantamab und Lazertinib nach Chos Meinung damit als neuer Erstlinienstandard für das EGFR-mutierte NSCLC etabliert.
EGFR-Mutationen – Rezidiv
Auch nach Versagen von EGFR-TKI wird mit weiteren Therapien und Kombinationen experimentiert: Myung-Ju Ahn, Seoul, Südkorea, stellte die Phase-III-Studie ATTLAS vor, in der solche Patient:innen im Verhältnis 1:2 auf eine Platin-Pemetrexed-Chemotherapie (mit Pemetrexed-Erhaltung) oder eine Kombination aus dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab, dem VEGF-Antikörper Bevacizumab sowie Paclitaxel und Carboplatin (mit Atezolizumab/Bevacizumab-Erhaltung) randomisiert wurden [6]. Nach median 26 Monaten war die Immunchemotherapie sowohl beim Ansprechen (69,5 vs. 41,9 %; p < 0,001) als auch beim PFS deutlich überlegen (median 8,5 vs. 5,6 Monate; HR 0,62; p = 0,004); beim Gesamtüberleben war allerdings noch kein Unterschied zu erkennen (median 20,6 vs. 20,3 Monate; p = 0,975).
Mit Osimertinib vorbehandelte und darunter progrediente Patient:innen waren in der Phase-III-Studie MARIPOSA-2 eingeschlossen, die Antonio Passaro, Mailand, Italien, präsentierte [7]. Amivantamab mit oder ohne Lazertinib und zusammen mit einer Chemotherapie wurde hier in der Zweitlinie gegeben und randomisiert gegen die alleinige Chemotherapie getestet. Auch hier waren PFS, Ansprechraten und intrakranielles PFS unter den Amivantamab-haltigen Protokollen besser: So wurde das Risiko für Progression oder Tod in beiden Armen gegenüber der Chemotherapie um mehr als die Hälfte reduziert. Auch diese Regimes, so Passaro, zeigen also in der Situation einer Progression unter Osimertinib beim EGFR-mutierten NSCLC einen Vorteil gegenüber einer Chemotherapie. Die Kombination aus Amivantamab und Lazertinib ging mit mehr hämatologischen Nebenwirkungen einher; als Ergänzung zum ursprünglichen Studiendesign wurde deshalb mit Lazertinib erst nach Ende der Chemotherapie begonnen.
Seltene EGFR-Mutationen
Die gängigen EGFR-TKI sind in erster Linie bei den häufigsten EGFR-Mutationen (Deletionen in Exon 19 und L858R-Punktmutation) wirksam, bei den zahlreichen selteneren Mutationen aber weniger oder gar nicht. Afatinib ist ein EGFR-TKI mit einem ungewöhnlich breiten Wirkspektrum und wurde daher in der japanischen Phase-III-Studie ACHILLES beim therapienaiven NSCLC mit seltenen sensibilisierenden EGFR-Mutationen getestet [8]. Die insgesamt 109 Patient:innen, so Satoru Miura, Niigata, Japan, erhielten im Verhältnis 2:1 Afatinib beziehungsweise eine Platin-Pemetrexed-Chemotherapie. Nach median 12,5 Monaten war zwar der Unterschied beim Ansprechen nicht signifikant (61,4 vs. 47,1 %; p = 0,2069), aber das PFS konnte durch Afatinib mit median 10,6 versus 5,7 Monaten beinahe verdoppelt werden (HR 0,422; p = 0,0007). Afatinib kann damit als ein Standard beim NSCLC mit seltenen EGFR-Mutationen gelten, die Resistenzen gegen die „Mainstream“-Medikamente verursachen.
Diese – unvollständige – Auswahl an Studien vom ESMO-Kongress zeigt, dass die Entwicklung der Behandlung des EGFR-mutierten NSCLC noch lange nicht am Ende angekommen ist.
ALK+ NSCLC: Adjuvanter ALK-Inhibitor
Beim metastasierten NSCLC mit Translokationen des Gens für die anaplastische Lymphomkinase (ALK; 4–5 % aller
NSCLC), das ein hohes Risiko für Hirnmetastasen aufweist, sind ALK-Inhibitoren der nächsten Generation wie Alectinib bereits die Erstlinientherapie der Wahl. Alectinib werde nun in der Phase-III-Studie ALINA auch im adjuvanten Setting untersucht, berichtete Ben Solomon, Melbourne, Australien [9].
Insgesamt 257 Patient:innen mit einem komplett resezierten ALK-positiven NSCLC der Stadien IB–IIIA hatten zweimal täglich 600 mg Alectinib oder vier dreiwöchige Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie erhalten. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS), das in einem hierarchischen Verfahren zunächst bei den Patient:innen in den Stadien II–IIIA und dann im Gesamtkollektiv analysiert wurde. Weitere Endpunkte waren DFS im ZNS sowie Gesamtüberleben und Sicherheit.
Bereits in der Interimsanalyse nach median 27,8 Monaten ist der ALK-Inhibitor signifikant überlegen, meinte Solomon: Weder bei den Stadien II–IIIA noch im Gesamtkollektiv war die mediane Dauer des DFS erreicht, unter der Chemotherapie lag sie bei 44,4 beziehungsweise 41,3 Monaten (HR jeweils 0,24; p < 0,0001). Die 24-Monats-Raten betrugen mit Alectinib über 93 %, mit Chemotherapie rund 63 %, bei den 36-Monats-Raten waren es 88 versus 54 %. Auch beim zerebralen krankheitsfreien Überleben war der ALK-Inhibitor überlegen (HR 0,22; 95%-KI 0,08–0,58); vier Patient:innen im Alectinib- versus 14 im Chemotherapie-Arm entwickelten neue Hirnmetastasen. Beim OS gibt es noch keine sinnvoll auswertbaren Daten. In einer Anzahl weiterer Studien wird Alectinib derzeit auch in einem perioperativen Setting (neoadjuvant und adjuvant) getestet.
NSCLC mit RET-Fusionsprotein
Beim NSCLC mit Fusionsmutationen des RET-Onkoproteins war ein etablierter Therapiestandard bislang der PD-1-Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie. Selpercatinib ist ein hochgradig selektiver, potenter Inhibitor der RET-Kinase, der überdies die Blut-Hirn-Schranke gut passiert. Aufgrund der Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001 (mit Ansprechraten von 84 % und einem medianen PFS von
22 Monaten) wurde er für das fortgeschrittene, noch nicht mit einem RET-Inhibitor behandelte, RET-Fusions-positive NSCLC zugelassen. Aus der geforderten zusätzlichen randomisierten Phase-III-Studie LIBRETTO-431 mit 261 Patient:innen konnte Fung Loong, Hongkong, nun erste Resultate vorstellen [10].
Die Chemotherapie im Kontrollarm konnte optional um Pembrolizumab ergänzt werden; primärer Endpunkt war das PFS. Für diejenigen im Kontrollarm, die eine Progression zeigten, war ein Cross-over zu Selpercatinib gestattet. Nach median 19 Monaten war Selpercatinib signifikant überlegen – sowohl im Pembrolizumab-Stratum (HR 0,465; p = 0,0002) als auch in der Gesamtkohorte (HR 0,482; p = 0,0001). Der Medianwert hatte sich im Pembrolizumab-Stratum durch den RET-Inhibitor von 11,2 auf 24,8 Monate mehr als verdoppelt. Auch bei den Ansprechraten, der Dauer der Remissionen und beim intrakraniellen Ansprechen (HR 0,26; p = 0,0006) war Selpercatinib überlegen. Diese Ergebnisse, sagte Fung Loong, würden die Forderung nach einer umfassenden genomischen Testung von Patient:innen mit einem neu diagnostizierten, fortgeschrittenen NSCLC unterstreichen.
Kleinzelliges Lungenkarzinom
Immunchemotherapien haben beim fortgeschrittenen kleinzelligen Lungenkarzinom (ES-SCLC) in der Erstlinie unterschiedliche Ergebnisse gezeitigt. In der chinesischen Phase-III-Studie EXTENTORCH war der in China entwickelte PD-1-Inhibitor Toripalimab in Kombination mit Etoposid und Platin randomisiert gegen die alleinige Chemotherapie getestet worden. Wie Ying Liu, Changchun, China, sagte [11], haben sich für die 442 Patient:innen nach median 11,8 Monaten beim primären Endpunkt des PFS zwar die Medianwerte nicht verbessert (5,8 vs. 5,6 Monate), wohl aber ist das Risiko für Progression oder Tod insgesamt signifikant um ein Drittel gesunken (HR 0,667; p = 0,0002). Außerdem war bereits zu diesem frühen Zeitpunkt auch das Gesamtüberleben im Toripalimab-Arm signifikant verbessert (median 14,6 vs. 13,3 Monate; HR 0,798; p = 0,0327). Die Zugabe des PD-1-Inhibitors zur Chemotherapie scheint die Prognose des ES-SCLC also signifikant zu verbessern, und zwar unabhängig von der Tumormutationslast.