Für Flüssigkeitsbiopsien (Liquid Biopsies) werden verschiedene Körperflüssigkeiten (meist Blut) genutzt, um Tumorzellen sowie ihre Produkte und Wirtszellen nachzuweisen. Liquid Biopsies können im Idealfall invasive Gewebebiopsien ersetzen und überhaupt Aufschluss über Tumoreigenschaften geben, wenn Gewebeentnahmen an schwierigen Lokalisationen nicht möglich sind. Zudem geben Tumormarker im Blut einen Hinweis auf eine Tumoraktivität, die unabhängig von der Lokalisation (Primärtumor, Metastasen) auftritt. Liquid Biopsies sind auch problemlos sequenziell möglich, sodass die Tumorentwicklung und das Therapieansprechen in Echtzeit überwacht werden können. Sowohl eine minimale Resterkrankung (MRD) als auch Rezidive könnten so Wochen und Monate vor einer klinischen Manifestation entdeckt werden, erklärte Prof. Klaus Pantel, Hamburg-Eppendorf.
Herausforderungen der Liquid Biopsy
Für die Detektion von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA)im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten können breite Panels von Genen eingesetzt werden, die mit Karzinomen assoziiert sind. Es sind aber auch Tests spezifisch mit den Genalterationen möglich, die zuvor beim Primärtumor des/der Erkrankten gefunden wurden („tumor-informed assay“).
Beide Methoden zeigen eine gute Konkordanz. Allerdings verursachen tumorassoziierte Mutationen in Leukozyten, eine klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial („clonal hematopoiesis of indeterminate potential“, CHIP), die per se keinen Krankheitswert haben, falsch-positive Ergebnisse. Außerdem scheinen mit Krebserkrankungen systemisch ein höherer Zellumsatz und ein höherer DNA-Abbau stattzufinden. Die Detektion der nur in geringer Konzentration vorkommenden ctDNA müsse daher in einem „Meer von DNA“ erfolgen, wie Pantel erläuterte.
Zudem gibt es Tumoren und Metastasen, die keine ctDNA freisetzen („non-shedding tumors“). Eine Standardisierung der Methoden fehlt bislang. Ein Konsortium der European Liquid Biopsy Society, deren Vorsitzender Pantel ist, hat sich daraufhin die technische Validierung und Standardisierung von Liquid-Biopsy-Assays zum Ziel gesetzt.
Hohe Anforderungen an Früherkennung
Viel Aufmerksamkeit haben Versuche erhalten, mittels Liquid Biopsies eine entitätsunabhängige Krebsfrüherkennung durchzuführen. Die Hürden dafür sind hoch: Das primäre Ziel ist die Erkennung früher Stadien, die aber meist noch wenig Spuren im Blut hinterlassen. Es dürfen weder viele falsch-negative Ergebnisse (hohe Sensitivität) noch viele falsch-positive Ergebnisse (hohe Spezifität) auftreten. In Studien sollte es eine Kontrollgruppe mit altersentsprechenden Gesunden sowie Menschen mit beeinträchtigenden Komorbiditäten, die einen Einfluss auf den Test haben können, beinhalten, forderte Pantel.
In einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie konnten mit der Sequenzierung der Methylierungsmuster der zirkulierenden freien Tumor-DNA mehr als 50 Krebserkrankungen erkannt werden [1]. In der Validierung lag die Spezifität bei 99,3 %. Die Rate falsch-positiver Ergebnisse betrug damit 0,7 %. Bei zehn Millionen Gescreenten wären das allerdings immer noch 70.000 Menschen mit einem falsch-positiven Ergebnis.
Noch kritischer ist, dass die Sensitivität für Frühstadien völlig unbefriedigend war. Für die Früherkennung eines kolorektalen Karzinoms (CRC) im Stadium I habe die Sensitivität bei 50 % gelegen, für das frühe Lungenkarzinom noch niedriger, berichtete Pantel. Ein anderer Ansatz für die Pantumor-Früherkennung ist die Analyse der Fragmentierung der ctDNA. Doch sind auch hier nicht alle Krebserkrankungen gleich gut detektierbar (vgl. Kasten „Tumortestung per Fragmentierung“;).
Möglicherweise müssen mehr Biomarker aus der Flüssigkeitsbiopsie herangezogen werden, um auch frühe Stadien sicher zu erkennen. Im EU-Konsortium PANCAID wird untersucht, mit welchen anderen Liquid-Biopsy-Markern beispielsweise aus dem Proteom oder Metabolom die ctDNA kombiniert werden kann, um eine möglichst hohe Sensitivität und Spezifität der Früherkennung des Pankreaskarzinoms zu erreichen.
Bei fortgeschrittenen Karzinomen bereits Routine
Die ctDNA-Testung hat in den umschriebenen Einsatzgebieten bereits Einzug in die Leitlinienempfehlungen gefunden.