Interne Qualitätskontrolle in der Labormedizin – Unabhängiges Qualitätskontrollmaterial

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.02.05

Die Richtlinie der Bundesärztekammer schreibt für Laboruntersuchungen geeignete Qualitätskontrollmaßnahmen vor. Hierzu zählt unter anderem die interne Qualitätskontrolle mit Verwendung von Kontrollmaterialien. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Vorteile es haben kann, unabhängige Qualitätskontrollen statt der vom Hersteller des Gerätes oder der Reagenzien gelieferten Kontrollen einzusetzen.

Schlüsselwörter: Rili-BÄK, IVDR, DIN EN ISO 15189, Patientensicherheit, Kalibrator, Charge

Unser Ziel im medizinischen Labor ist es, die Ärzteschaft – und so auch die Patient:innen – mit zuverlässigen Laborresultaten zu versorgen, damit im Sinne der Patientensicherheit Diagnose und Therapie schnell und effizient zur Verfügung gestellt werden können und der Therapieverlauf überwacht werden kann. Auch wenn viele Patient:innen nie ein Labor zu Gesicht bekommen haben oder werden, sind sie auf die Versorgung durch kompetente Analytik angewiesen.

Damit die Reputation und die Patientensicherheit gewährleistet bleiben, muss jedes Labor die Richtlinie der Bundesärztekammer (Rili-BÄK) befolgen [1]. Sie regelt in Deutschland die Durchführung der Qualitätskontrollmaßnahmen im medizinischen Labor. Es wird hier aber nur das Mindestmaß an Kontrollen gesetzlich vorgeschrieben. Ob diese Maßnahmen wirklich ausreichen, soll im folgenden Text erörtert werden.

 

Qualitätskontrollmaßnahmen

Um ein Verfahren (Bediener:in – Gerät – Reagenz – Kalibrator) in der Labormedizin beurteilen zu können, schreibt die Rili-BÄK gesetzlich vor, dass eine geeignete Qualitätskontrollmaßnahme durchgeführt werden muss. Üblicherweise empfiehlt der Reagenzhersteller ein Kontrollmaterial, mit dem das Verfahren zuverlässig überprüft werden kann. In diesem Fall müssen jedoch einige wichtige Einschränkungen berücksichtigt werden:

Die Kombination Gerät – Kalibrator – Reagenz – Charge werden aufeinander abgestimmt. Also sind auch der Kalibrator bzw. die Kalibratoren auf die jeweilige Reagenzcharge angepasst worden. Dies soll gewährleisten, dass zuverlässige Patientenresultate generiert werden können, und entspricht den Vorgaben der Gebrauchsanleitung.

Um die Kombination aus Kalibrator, Reagenz (jeweils mit derselben Chargennummer) und Gerät (sowie natürlich auch Umgebungsbedingungen wie etwa bedienende Personen und Raumtemperatur) zu überwachen, ist es erforderlich, entsprechende Kontrollmaterialien zu messen. Diese Kontrollmaterialen müssen sich in der jeweiligen Situation möglichst genauso wie Patientenmaterial verhalten.

Oft werden diese Kontrollmaterialien aus dem gleichen Ausgangsmaterial wie die Kalibratoren hergestellt. Dies ist bei unabhängigen Qualitätskontrollmaterialien nicht der Fall. Sie werden von unabhängigen Firmen produziert, die sich nicht mit der Reagenzherstellung beschäftigen. Die Sollwertermittlung wird bei In-Kit-Kontrollen mit der zuvor erwähnten Kombination erstellt (Tab. 1). 

Tab. 1: Übersicht von Kontrollmaterialien.

In-Kit-Kontrolle

Optimierte Kontrolle

Unabhängige Kontrolle

Produziert vom Geräte- und Reagenzhersteller

Geliefert vom Geräte- und Reagenzhersteller

Produziert unabhängig vom Kalibratormaterial

Funktioniert nur an

ausgewiesenen Geräten/Reagenzien

Typisch für ein Gerät/

Reagenz

Produziert ohne Einflussnahme des Geräte- oder Reagenzherstellers

Nicht einsetzbar an anderen Geräten/Reagenzien

Exklusiv für ein Gerät oder Reagenz

Kann auf verschiedenen Geräten eingesetzt werden

Gleiche Zusammensetzung wie Kalibrator

Sehr oft ähnliche

Zusammensetzung wie Kalibrator

Andere Zusammensetzung als Kalibrator

Im Labor wollen wir sicherstellen, dass die erstellten Resultate und Befunde korrekt und zuverlässig sind. Dies soll durch die Befolgung der Rili-BÄK gewährleisten sein. Wie schon erwähnt, ist es nur eine Minimalforderung. Zusätzlicher Einsatz von unabhängigem Qualitätskontrollmaterial überprüft, ob die Kombination Gerät – Kalibrator – Reagenz auch wirklich zuverlässig arbeitet. Nur so wird bereits im Vorfeld dafür Sorge getragen, dass die Patien­tensicherheit gewährleistet ist.

 

Fallbeispiel

Wir wollen uns an dieser Stelle mit einem Szenarium auseinandersetzen, das zeigt, wo und wann die unabhängige Qualitätskontrolle essenziell ist. Das Beispiel ist aus der Literatur entnommen und spiegelt somit eine reale Situation wider, die jederzeit im Labor auftreten kann.

Im Februar 2014 veranlasste ein Diagnostik-Unternehmen in Italien einen dringlichen Rückruf eines Produktkits [2]. Die Firma begründete den Rückruf wie folgt:

In dem betroffenen Assay (identifiziert durch die Chargennummer) kann es zu einer Leistungsverschiebung kommen. Die Folge sind falsch erhöhte Resultate. Zu vorhergehenden Resultaten ergibt sich eine erhöhte Wiederfindungsrate, also eine Verschiebung in Bezug auf das vorherige Reagenz/Kalibrator. Die erhöhte Wiederfindungsrate wird mit etwa 13 % bis 45 % angegeben. Die im Kit enthaltenen Kontrollen erkennen die Verschiebung nicht. Es ist die gesamte Kombination aus Reagenz, Kalibrator und Qualitätskontrollproben der angegebenen Chargennummer betroffen.

Von der Rückrufaktion waren etwa 3.500 Patient:innen und 18 Labore betroffen, deren Werte nun nochmals überprüft werden mussten.  Fazit: Hätten die Labore ein unabhängiges Kontrollmaterial verwendet, wäre die Abweichung unmittelbar entdeckt worden und die daraus folgenden Maßnahmen hätten verhindert, dass fehlerhafte Resultate aus den Laboren gesendet worden wären.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Rili-BÄK die Vorgaben für die Durchführung der internen Qualitätskontrolle lediglich für ein Mindestmaß vorgibt. Die Norm ISO 15189 fordert in ihrer neuesten Version den Einsatz von unabhängigem Qualitätskontrollmaterial [3]. Auch die IVDR zeigt auf, dass zur Prüfung eventueller Chargendifferenzen ein unabhängiges Qualitätskontrollmaterial erforderlich ist [4]. Das im Text aufgeführte Beispiel aus der Literatur (Rückrufaktion) unterstreicht die Notwendigkeit ebenso.

Die Verwendung von unabhängigem Qualitätskontrollmaterial trägt also wesentlich zur Patientensicherheit bei und darf somit in keinem medizinischen Labor fehlen [5, 6]. Natürlich entstehen durch diese Maßnahmen zusätzliche Kosten, die aber in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Laborresultate, die Reputation des Labors und nicht zum Schluss die Sicherheit der Patient:innen keine Relevanz haben können.