Mit egoistischen Genen gegen die Tigermücken
Was haben Jason Day, Dustin Johnson und Milos Raonic gemeinsam? Sportfans wissen: Sie stehen auf der Liste der weltbesten Golf- bzw. Tennisspieler ganz oben, sie üben ihren Sport im Freien aus, und sie haben die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio abgesagt – aus Angst vor Tigermücken.
Brasilien liegt in der tropischen Zone zwischen den Wendekreisen des Krebses und des Steinbocks (Abb. 1), wo sich diese Gattung von Mücken wohlfühlt. Sie überträgt eine Vielzahl von Krankheitserregern, darunter auch das Zikavirus, das die fetale Gehirnentwicklung behindern kann. Vielen jungen Sportlern mit Kinderwunsch erschien deshalb das Risiko einer Infektion schwerwiegender als die Aussicht auf eine Medaille – auch wenn statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit für die Medaille unendlich größer war.
Die brasilianische Regierung machte sich Sorgen, ob die Besucher bei so prominenter Negativwerbung ausbleiben würden und rief die Kampagne Zero Zika aus: 50.000 Soldaten versprühten Unmengen von Insektiziden – selbst auf die Gefahr hin, das gesamte Ökosystem der Insekten und mit ihnen der Vögel, Fische und am Ende auch der Menschen zu schädigen.
Eine weniger martialische Alternative schlägt der Molekulargenetiker Eckard Wimmer von der Stony Book University in New York vor: Um die Tigermücken auszurotten, pflanzt er ihnen fremde Gene ein, die die weibliche Nachkommenschaft unfruchtbar machen. Dabei kommt ein 2003 entwickeltes Verfahren namens Gene Drive zum Einsatz, das die Gesetze der Vererbungslehre aushebeln könnte: Normalerweise stammt ja das Erbgut jeweils zur Hälfte von Vater und Mutter, doch bei der neuen Technik kommen „egoistische Gene" zum Einsatz, die den DNA-Strang des jeweils anderen Elternteils enzymatisch entfernen können.
Dadurch entsteht – so die Theorie – eine homogene Mückenpopulation, die sich selbst auslöscht. Auch in Europa wird bereits mit Gene Drive experimentiert, um beispielsweise die Anophelesmücke auszurotten, die Malaria überträgt. Ob das allerdings in der Praxis funktioniert, ist offen, denn Insekten kommen in ihrem Leben nur wenige 100 Meter weit, sodass es sehr lange dauern dürfte, bis die Ego-Mutanten die Erde einmal umrundet haben.
Auf den nächsten Seiten berichten wir im Kontext der Migration über eine Reihe medizinischer Risiken, die statistisch gesehen gering sind und doch wegen ihrer medialen Präsenz übergroß erscheinen. Im Ergebnis sollten wir wachsam sein, aber aus keiner Mücke einen Elefanten machen. Zika ist inzwischen ebenso aus den Schlagzeilen verschwunden wie Ebola und viele andere Exoten. Hoffen wir, dass auch die aktuellen Ängste vor multiresistenten Keimen im Gefolge der Flüchtlingswelle (s. hier) bald einer realistischen Risikobewertung weichen.
gh