Breathomics: Bald Realität im klinischen Alltag?
Atemwegserkrankungen (Krebs, Infektionen, Entzündungen u. a.) werden häufig erst in ihren späten Stadien diagnostiziert, insbesondere aufgrund der unspezifischen Symptome. So wird eine rechtzeitige und wirksame Therapie verzögert. Die invasiven, kostspieligen sowie zeitaufwendigen Diagnoseverfahren für solche Krankheiten sind Bronchoskopie, bronchoalveoläre Lavage oder Biopsie. Folglich ist ein nicht-invasives, schnelles, kostengünstiges und zuverlässiges Screening-Verfahren, das mithilfe robuster Analyseplattformen (S. 134 ff.) realisiert wird, zur Diagnose von Krebs (S. 138 ff.), Infektionen (S. 142 f.) sowie Asthma und COPD (S. 144 ff.) dringend erforderlich.
Atemgasanalyse als Alternative
Flüchtige organische Verbindungen (VOCs) werden von praktisch allen Stoffwechselprozessen des Körpers produziert. Seit Jahren werden VOCs als mögliche alternative diagnostische und prognostische Biomarker für verschiedene Atemwegserkrankungen vorgeschlagen und zwar mit dem Potenzial, als nicht-invasive metabolische Biomarker zu dienen. Zu den Haupthindernissen bei der Entwicklung klinischer Atemtests zählen das Fehlen eines Konsensus für die Sammlung und Analyse von Atemproben sowie die Komplexität des Verständnisses der Beziehung zwischen den ausgeatmeten VOCs und den zugrundeliegenden Stoffwechselwegen.
VOC-Analytik und Etablierung
Bis zur klinischen Implementierung der atembasierten Diagnostik sind jedoch einige Schritte erforderlich:
- VOCs in der Population sollten mittels „intention to diagnose“-Ansätzen untersucht werden, da Biomarker wahrscheinlich von mehreren Begleiterkrankungen beeinflusst werden.
- Die Verfahren zur Atemgassammlung und -analyse müssen standardisiert werden, um das Zusammenführen von Daten zu ermöglichen.
Wie bereits Frau Sielemann und Frau Ruzsanyi in ihrer Übersicht schlussfolgern, kann das GC-MS als Goldstandard in der Atemgasanalyse betrachtet werden. Um jedoch VOCs ohne aufwendige Probenvorbereitungsschritte reproduzierbar in Echtzeit zu detektieren, sollten Ionisationstechniken gewählt werden. Apparativ und in der Handhabung einfacher sind Systeme auf Basis der Ionenmobilitätsspektrometrie, die das Potenzial zur Point-of-Care-Messung direkt am Patientenbett in sich bergen. Bei der Anwendung von GC-IMS werden die Muster und Auswertealgorithmen mit einer steigenden Anzahl der zu identifizierenden pathogenen Erreger (Bakterien und Pilze) komplexer. Hierbei lässt sich das Problem mit modernen statistischen Auswertemethoden bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz lösen. Abgesehen von der Analyse zu diagnostischen Zwecken wird eine detaillierte Untersuchung der Natur volatiler Biomarker nicht nur unser Verständnis der pathophysiologischen Ursprünge dieser VOCs und der Natur potenzieller Störfaktoren verbessern, sondern auch die Entwicklung von Technologien ermöglichen, die sich durch eine maximale Sensitivität sowie Spezifität für bestimmte Anwendungen auszeichnen. Diese ersten klinischen Ergebnisse weisen trotz aller Einschränkungen darauf hin, dass die VOC-Analytik in der modernen Diagnostik zur Krankheitsfrüherkennung, Behandlung und Überwachung von Patienten mit Lungenerkrankungen in naher Zukunft einen besonderen Stellenwert in der personalisierten Medizin einnehmen könnte.
Prof. Beniam Ghebremedhin
Universität Witten/Herdecke
Helios Universitätsklinikum Wuppertal
beniam.ghebremedhin@uni-wh.de
beniam.ghebremedhin@helios-gesundheit.de