MIO Laborbefund: Zukunftsweisendes Format für digitale Laborbefunde

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.01.02

Das Medizinische Informationsobjekt Laborbefund soll es künftig Patient:innen und deren Behandlungsteams ermöglichen, Labordaten elektronisch einzusehen und auszutauschen. Seit Langem wird ein solches universelles, mit vielen relevanten Beteiligten abgestimmtes Format in der deutschen Interoperabilitätslandschaft gefordert. Dessen Einführung rückt nun in greifbare Nähe.

Schlüsselwörter: Elektronische Patientenakte, ePA, Fast Healthcare Interoperability Resources, Handlungs­empfehlungen

Die Einführung des MIO (Medizinisches Informationsobjekt) Laborbefund [1] in die elektronische Patientenakte (ePA) für alle [2] markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Für Labormediziner:innen und Hersteller von Laborsoftware stellt dieses Projekt einerseits eine technologische Herausforderung, andererseits aber auch eine besondere Chance dar, die Laborbefundkommunikation zu optimieren und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Das MIO Laborbefund zielt darauf ab, eine einheitliche und interoperable Struktur für die Dokumentation und den Austausch von Labordaten zu schaffen, die sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärnutzung neue Möglichkeiten eröffnet.

 

Struktur und Funktion

Das MIO Laborbefund wurde im Herbst 2024 fachlich finalisiert, und die vorläufige technische Spezifikation ist auf der Plattform „SIMPLIFIER“ [3] verfügbar. Die Grundlage bildet die FHIR®-Technologie (Fast Healthcare Interoperability Resources) [4], die als internationaler Standard für den Austausch von Gesundheitsdaten etabliert ist.

Nutzungsszenarien und Potenziale

Das MIO Laborbefund eröffnet weit mehr als nur klinische Anwendungsmöglichkeiten. Neben der Dokumentation und dem Austausch von Labordaten in der Patientenversorgung bietet es erhebliches Potenzial für Sekundärnutzungen, perspektivisch beispielsweise zur Erfüllung von Meldepflichten (z. B. DEMIS [5] und ARS [6]) durch Transformation der Primärdaten in spezifische Zielprofile. Darüber hinaus können relevante Labordaten aus dem MIO Laborbefund für die Patientenkurzakte [7] und den Krankenhausentlassbrief [8] genutzt und miteinander verknüpft werden.

Die erhobenen Labordaten sind für das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) [9] von besonderem Wert, insbesondere für epidemiologische Studien und die Bewertung neuer Behandlungsmethoden – vorausgesetzt, die Patient:innen haben eingewilligt. Im Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) [10] wird das MIO Laborbefund ebenfalls eine Schlüsselrolle beim länder­übergreifenden Datenaustausch spielen. Derzeit wird dafür eine Harmonisierung der Standards angestrebt.

 

Handlungsempfehlungen

Im Jahr 2024 wurde der Arbeitskreis „Einführungskonzept Laborbefund“ [11] im Rahmen des Interop Council ins Leben gerufen, um eine erfolgreiche Einführung des MIO Laborbefund zu gewährleisten. In diesem Gremium wurden sowohl technische als auch organisatorische und prozessuale Fragestellungen umfassend erörtert. Die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen wurden in einem Positionspapier [12] festgehalten.

Der Arbeitskreis hat die bestehenden Prozesse zum Laborbefund gründlich analysiert und einen Konsens über den zukünftigen Soll-Prozess erzielt. Dieser umfasst unter anderem die folgenden wesentlichen Punkte:

 

Speicherung von Laborbefunden in der ePA

Künftig sollen alle Laborbefunde in der ePA als separate, nicht veränderbare, ärztlich bewertete Befunde gespeichert werden. Für eine Statusänderung (z. B. von „partiell“ auf „final“) soll eine neue Version erzeugt und hochgeladen werden.

 

Standardisierung der Kommunikation

Als Standard für die Kommunikation zwischen Leistungserbringenden soll künftig ausschließlich das MIO Laborbefund genutzt werden, um eine einheitliche und effiziente Übermittlung von Labordaten zu gewährleisten.

 

Parallel bestehende Kommunikationswege

Neben der Kommunikation über die ePA muss auch weiterhin die Kommunikation vom beauftragten Labor zur beauftragenden Einrichtung erfolgen. KIM (Kommunikation im Medizinwesen) ist hier eine mögliche Option und stellt ein sicheres Verfahren für die Übermittlung von Daten in der Telematikinfrastruktur (TI) [13] dar.

 

Direktes Einstellen von Laborbefunden und Zugriffsrechte

Labormediziner:innen sollen Befunde direkt in die ePA einstellen können, um sie umgehend für behandelnde Mediziner:innen und Patient:innen zugänglich zu machen. Hierfür müssen klare Regeln zur Berechtigungsdelegation geschaffen werden, die den Labormediziner:innen die erforderlichen Zugriffsrechte gewähren. Zudem sind technische und regulatorische Anpassungen notwendig, um eine sichere Umsetzung auch ohne direkten Patientenkontakt zu ermöglichen. Patient:innen sollen ihre Befunde einsehen können, nachdem sie einen Hinweis bestätigt haben, der empfiehlt, die Ergebnisse zuerst mit einer Ärztin oder einem Arzt zu besprechen, um Fehlinterpretatio­nen zu vermeiden.

Für eine fundierte Beurteilung von Laborergebnissen können Informationen aus der Patientenhistorie wie etwa Diagnosen, Medikationen oder frühere Befunde von entscheidender Bedeutung sein. Daher soll in speziellen Fällen Labormediziner:innen ein lesender Zugriff auf die ePA gewährt werden, indem die beauftragende Institution einen Behandlungskontext überträgt.

Integration von LOINC®- und SNOMED CT®-Codes in die LIS

Eine bedeutende Herausforderung, die alle Labore in Deutschland als zwingende Voraussetzung vor der Einführung des MIO Laborbefund bewältigen müssen, ist die rechtzeitige Integration von LOINC®-kodierten Laboruntersuchungen [14] in die Stammdatenverwaltung der Laborinformationssysteme (LIS). Ein weiterer Standard für die Semantik von qualitativen Angaben bei Resultaten und Interpretationen sowie spezifischen Angaben zur Methode oder dem Material ist SNOMED CT® [15], während die Abbildung von Einheiten nach UCUM [18] erfolgt. Labore müssen ihr Leistungsspektrum nun auf die Code-Systeme abbilden. Dieses ressourcenintensive Code-Mapping von Laborleistungen erfordert medizinisches und terminologisches Fachwissen.

Erfolgsfaktoren für Pilotierung, Rollout und Einführungskonzept

Eine essenzielle Voraussetzung für die Integration der oben genannten Code-Systeme ist die Entwicklung entsprechender Konfigurationsmöglichkeiten durch die Softwarehersteller. Um darüber hinaus die Labore bei der anspruchsvollen Aufgabe der Integration zu unterstützen, haben das BfArM [16] und die mio42 [17] zwei Angebote entwickelt:

Benutzerhandbuch zur Kodierung von Laboruntersuchungen: Dieses Handbuch, begleitet von einem Online-Webinar, soll vom BfArM im Jahr 2025 veröffentlicht werden.

LOINC®-Mapping-Starthilfe: Eine kuratierte Auswahl von Laboruntersuchungen mit den bevorzugten LOINC®-Codes, die voraussichtlich Mitte 2025 zur Verfügung steht.

Die Einführung des MIO Laborbefund soll schrittweise auf Basis eines abgestuften Einführungskonzepts erfolgen. Pilotprojekte sollen initiiert werden, um die Implementierung in der Praxis erproben und optimieren zu können.

 

Visualisierungen und Referenzimplementierung

Im Rahmen der Prozessbetrachtung und der Datenmodellierung erfolgt zusammen mit Anwender:innen auch die Entwicklung benutzerfreundlicher Visualisierungen [19] des MIO Laborbefund. Um individuelle Anforderungen zu erfüllen, werden verschiedene Anzeigevarianten basierend auf denselben Daten entwickelt.

Für die Umsetzung in anzeigenden Systemen ist eine Referenzimplementierung unerlässlich. Sie gewährleistet die Einhaltung der Spezifikationen, fungiert als Qualitätsmaßstab und ermöglicht automatisierte Tests. Zudem könnte sie auch als Viewer-Komponente für den produktiven Einsatz bereitgestellt werden. Eine mögliche Darstellung in einem anzeigenden System (Arbeitsstand 2025) finden Sie in Abb. 1 und 2.

Nächster Schritt und Ausblick

Der nächste Schritt ist die Spezifizierung des MIO Laborbefund für die datenbankbasierte ePA im Gegensatz zum herkömmlichen dokumentenbasierten Ansatz. Dies soll in Zusammenarbeit mit der gematik [20] im Jahr 2025 erfolgen.

Datenbankbasierte FHIR®-Strukturen sollen gezielte Abfragen von Einzelergebnissen und perspektivisch auch eine kumulative Betrachtung zeitlicher Verläufe erleichtern – selbst bei Laboruntersuchungen aus verschiedenen Laboren, sofern sie vergleichbar sind. Der Dokumentencharakter von Laborbefunden bleibt erhalten, sodass sowohl vollständige Befunde als auch spezifische Daten komfortabel verarbeitet werden können.

Die Einordnung des MIO Laborbefund in die ePA-Roadmap ist derzeit noch in Klärung. Der genaue Zeitplan für die Festlegung der MIO-Spezifikation für die datenbankbasierte ePA steht aktuell noch nicht fest, die Festlegung soll jedoch so zeitnah wie möglich erfolgen. Ab dem Zeitpunkt der Festlegung haben die Hersteller ein Jahr Zeit für die verbindliche Umsetzung.    

Autoren
Uta Ripperger
Dr. med. Michael Kallfelz
mio42 GmbH
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