Bei der diesjährigen 17. SG-BCC ging es im Wesentlichen darum, Patientinnen mit frühem Mammakarzinom immer individueller zu behandeln. Das Spek-trum an zielgerichteten Substanzen hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert und bietet damit die Grundlage für eine zunehmend zielgerichtete und individuell angepasste Therapie. Das SG-BCC-Panel bestand dieses Jahr aus 60 Brustkrebsexperten aus 25 Ländern, darunter mit Prof. Sara Brucker, Tübingen, Prof. Carsten Denkert, Marburg, Prof. Nadia Harbeck, München, Prof. Jens Huober, Ulm und Prof. Sibylle Loibl, Frankfurt/Main, auch fünf Experten bzw. Expertinnen aus Deutschland.
NAST beim HER2-positiven Mammakarzinom …
Das neoadjuvante Therapiekonzept ist in Deutschland ein favorisiertes Standardvorgehen beim frühen Mammakarzinom, sobald eine Chemotherapie-Indikation besteht. Beim HER2-positiven (HER2+) frühen Mammakarzinom war der Stellenwert der Anthrazykline als Bestandteil der neoadjuvanten Systemtherapie (NAST) ein viel diskutierter Punkt. Je höher die Tumorlast, desto mehr Panelmitglieder stimmten für den Einsatz einer Anthrazyklin-haltigen Systemtherapie – so würden 85 % bei einer Patientin im Stadium II ohne Lymph-knoten(LK)-Befall (cN0) auf ein Anthrazyklin verzichten und neo-adjuvant eine Taxan-/Anti-HER2-haltige Therapie bevorzugen. Bei LK-Befall würde dagegen gut die Hälfte der Panelmitglieder neoadjuvant ein Anthrazyklin-/Taxan-haltiges Regime plus eine Anti-HER2-Therapie favorisieren. Kein Konsens wurde im dem Fall einer cN0-Patientin im Stadium
II/III erzielt. Eine einfache Mehrheit von 35 % der Panelmitglieder entschied sich dafür, zusätzlich zum neoadjuvanten Taxan-/Trastuzumab-Regime ein An-thrazyklin plus Pertuzumab einzusetzen.
… und beim TNBC
Beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) ging es in der neoadjuvanten Situation um den Stellenwert von Carboplatin und um die Frage, ob Carboplatin neben den Anthrazyklinen und Taxanen eine wirksame Substanz und ggf. Alternative ist. Etwa 60 % der SG-BCC-Panelmitglieder lehnten dies ab. Keine Indikation sahen die SG-BCC-Panelmitglieder darin, außerhalb klinischer Studien (neo)adjuvant bereits einen Checkpoint-Inhibitor beim frühen TNBC einzusetzen.
Post-neoadjuvante Therapieoptionen
Erreichen Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom und klinisch suspekten Lymphknoten (cN+) bei Erstdiagnose nach neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) plus Trastuzumab/Pertuzumab eine pathologische Komplettremission (pCR), sollte laut SG-BCC-Mehrheitsvotum post-neoadjuvant mit Trastuzumab/Pertuzumab weiter behandelt werden. Ein Verzicht auf Pertuzumab ist dagegen möglich, wenn die Patientin bei Erstdia-gnose keine klinisch suspekten Lymphknoten (cN0) hatte. Hat die Patientin unter NAST keine pCR (non-pCR) erreicht, besteht post-neoadjuvant – unabhängig von der Größe des Tumorrestes – eine klare Indikation für T-DM1.
Für eine non-pCR-TNBC-Patientin nach Standard-NAST empfahlen die Panelmitglieder post-neoadjuvant die Weiterbehandlung mit Capecitabin. Wurde neoadjuvant zusätzlich zur Chemotherapie ein Checkpoint-Inhibitor (CPI) eingesetzt, und erreichte die Patientin eine pCR, besteht laut SG-BCC-Konsensus keine Indikation für die post-neoadjuvante Weiterbehandlung mit einem CPI.
Beim HR+/HER2– Mammakarzinom empfahlen die Panelmitglieder für eine non-pCR-Patientin nach neoadjuvanter endokriner Therapie (NET) post-neoadjuvant eine Chemotherapie. Die Situation, dass eine Patientin mit HR+/HER2- Mammakarzinom neoadjuvant eine Chemotherapie erhalten hat, wurde auf dem SG-BCC nicht diskutiert.
Adjuvante endokrine Therapie
Für die prämenopausale Patientin mit HR+/HER2– Mammakarzinom und hohem Rezidivrisiko empfahlen die Panelmitglieder, in den ersten 5 Jahren die adjuvante endokrine Therapie mit Tamoxifen um die ovarielle Funktionssuppression (OFS) zu erweitern. Ein hohes Risiko besteht z. B. bei initial befallenen Lymphknoten. Laut SG-BCC-Panel steht aber auch eine Chemotherapie-Indikation für ein erhöhtes Risiko und rechtfertigt eine zusätzliche OFS.
Nach 5 Jahren Tamoxifen/OFS sollte die endokrine Therapie angesichts des erhöhten Risikos für weitere fünf Jahre mit Tamoxifen allein oder einem Aromatasehemmer (AI) fortgesetzt werden. Der AI muss allerdings bei einer weiterhin prämenopausalen Patientin mit der OFS kombiniert werden. Trotz fehlender adjuvanter Zulassung sieht gut die Hälfte der Panelmitglieder bei Frauen mit HR+/HER2– Mammakarzinom und mindestens vier befallenen LK eine Indikation für den CDK4/6-Inhibitor Abemaciclib.
Besteht beim HR+/HER2- Mammakarzinom eine Chemotherapie-Indikation, favorisierten die Panelmitglieder in der adjuvanten Situation Anthrazyklin-/Cyclophosphamid-/Taxan-haltige Regime oder das Anthrazyklin-freie TC-Regime (Taxan/Cyclophosphamid).
Adjuvante Therapie beim ER-negativen Mammakarzinom
Keinen Konsens erzielten die SG-BCC-Panelmitglieder bei der Frage, ab welcher Tumorgröße eine adjuvante Anti-HER2-basierte Systemtherapie indiziert ist. Eine knappe Mehrheit von 52 % empfahl dies ab einer Tumorgröße von 5–6 mm, fast genauso viele würden auch bei kleineren Läsionen eine adjuvante Anti-HER2-Therapie einsetzen. Auf die Frage, wann Trastuzumab allein und wann zusätzlich Pertuzumab eingesetzt werden sollte, waren sich die SG-BCC-Panelmitglieder einig, dass bei Patientinnen ohne LK-Befall adjuvant auf Pertuzumab verzichtet werden kann.
Zwei Drittel der Panelmitglieder sahen bei mit Trastuzumab/Pertuzumab- und/oder T-DM1-vorbehandelten Patientinnen eine adjuvante Indikation für Neratinib, sofern ein positiver Hormonrezeptor(HR)-Status vorliegt und hohes Rezidivrisiko besteht. Neratinib wird dann in Kombination mit endokriner Standardtherapie eingesetzt.
In Analogie zur neoadjuvanten Situation stimmten gut zwei Drittel der SG-BCC-Panelmitglieder zu, dass es Patientinnen gibt, die davon profitieren können, zusätzlich zur Anti-HER2-Therapie und Anthrazyklin-freien Chemotherapie sequentiell ein Anthrazyklin zu erhalten. Dies müsse individuell entschieden werden.
Beim TNBC waren sich die SG-BCC-Panelmitglieder einig, dass nicht nur in der post-neoadjuvanten, sondern auch in der adjuvanten Situation derzeit keine Indikation für Checkpoint-Inhibitoren besteht. Aber knapp die Hälfte der Panelmitglieder würde bereits den adjuvanten Einsatz des PARP-Inhibitors Olaparib beim BRCA1/2-assoziierten Mammakarzinom befürworten, falls sich in der OlympiA-Studie beim krankheitsfreien invasiven Überleben nach drei Jahren ein absoluter Vorteil von > 5 % zugunsten des Olaparib zeigt.