Neoadjuvantes Konzept ist Standard
Beim frühen, nicht metastasierten Mammakarzinom hat die AGO Mamma erneut das neoadjuvante Therapiekonzept als Standardvorgehen bestätigt, wenn eine Chemotherapie-Indikation besteht. Die im Rahmen des neoadjuvanten Konzepts eingesetzten systemischen Therapien orientieren sich weitestgehend an den adjuvanten Standardschemata.
- Anthrazyklin/Taxan-basierte Regime sind unverändert Standard für die adjuvante und neoadjuvante Chemotherapie. Neu ist, dass nab-Paclitaxel gegenüber konventionellem Paclitaxel aufgewertet wurde [LoE (Level-of-Evidenz) 1aA, AGO (Empfehlungsgrad) +].
- Beim HER2-positiven (HER2+) Mammakarzinom erhielten zudem die etablierten Anthrazyklin-freien Schemata jetzt auch den höchsten Empfehlungsgrad [AGO ++] und sind damit den Anthrazyklin-haltigen Regimen gleichgestellt. Hintergrund dieser Aufwertung sind Studiendaten, wonach unter Taxan/Platin-haltiger Chemotherapie (ohne Anthrazyklin) plus Trastuzumab/Pertuzumab 60–70 % der Patientinnen eine pathologische Komplettremission erzielen [2–4]. Der hohe Empfehlungsgrad („Doppelplus"-Bewertung) für den neoadjuvanten Einsatz von Trastuzumab/Pertuzumab wurde präzisiert mit dem Hinweis, dass dies für Hochrisiko-Patientinnen gilt, definiert als jene mit hoher Tumorlast (cT2–4 und/oder cN+) [LoE 2bB, AGO ++].
- Beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) wurde der Empfehlungsgrad für den neoadjuvanten Einsatz der Platinsalze unabhängig vom BRCA1/2-Status aufgewertet [LoE 1aA, AGO +]. Neu ist zudem, dass die neoadjuvante Chemotherapie (NACT) mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI) als Option für den Einzelfall berücksichtigt wurden [LoE 1bB, AGO +/-]. In den Studien IMpassion031 und KEYNOTE-522 hatte der zusätzliche neoadjuvante Einsatz des jeweiligen CPI die pCR-Rate deutlich erhöht [5, 6].
Adjuvante Chemotherapie im Fokus
In der adjuvanten Situation des HER2+ Mammakarzinoms vergab die AGO Mamma für Trastuzumab/Pertuzumab den höchsten Empfehlungsgrad bei Patientinnen mit axillärem Lymphknotenbefall [AGO ++]. Die doppelte Antikörper-Blockade sollte vorzugsweise simultan zum Taxan [LoE 1aA, AGO ++] oder sequentiell (bis zu drei Monate nach Chemotherapie) eingesetzt werden [LoE !bB, AGO +]. Neu ist, dass die doppelte Antikörper-Blockade jetzt auch simultan zur Radiotherapie als Option empfohlen wird [LoE 2bB, AGO +]. Je nach Wahl des Arztes oder der Patientin kann sie intravenös oder subkutan als Fixkombination appliziert werden [LoE 1aA, AGO ++].
Im Rahmen der Aufwertung von nab-Paclitaxel (gegenüber konventionellem Paclitaxel) bewertete die AGO Mamma das sequentielle dosisdichte Regime mit nab-Paclitaxel (125 mg, 8–12 Zyklen) gefolgt von vier Zyklen Epirubicin/Cyclophosphamid (E90C), alle zwei Wochen, jetzt als sog. Kann-Option [LoE 1bB, AGO +]. Das Schema ist laut Prof. Ute-Susann Albert, Würzburg, insbesondere für Patientinnen mit Unverträglichkeiten gegenüber konventionellem Paclitaxel eine effektive Alternative.
Analog zur neoadjuvanten Situation ist die zusätzliche Gabe von Platin beim TNBC auch adjuvant eine Option, speziell dann, wenn auf ein Anthrazyklin verzichtet werden muss [LoE 1b B, AGO +]. Der zusätzliche (neo)adjuvante Einsatz von Capecitabin (zur Standardtherapie) wurde als Option für den Einzelfall [LoE 1a A, AGO +/-] zurückgestuft. Davon unberührt ist der post-neoadjuvante Einsatz von Capecitabin bei TNBC-Patientinnen, die keine pCR erreicht haben [LoE 1a, AGO +].
Neoadjuvante endokrine Therapie
Anders als die NACT ist die klassische neoadjuvante endokrine Therapie (NET), die über 4–6 Wochen bzw. bis zum besten Ansprechen durchgeführt wird, kein Standardvorgehen in Deutschland. Sie ist laut AGO Mamma primär eine Option für Patientinnen mit inoperablem Tumor sowie für jene, die eine Chemotherapie grundsätzlich ablehnen.
Von der klassischen NET ist die 2–4-wöchige endokrine Induktionstherapie abzugrenzen, welche die AGO Mamma neu in ihre Empfehlungen aufgenommen hat. Sie dient dazu, bei ausgewählten Patientinnen – maximal drei befallene Lymphknoten und mittleres genomisches Risiko – anhand des Ki-67-Verlaufs die endokrine Sensitivität des Tumors zu erkennen und daran die weitere Therapie auszurichten. Die AGO Mamma sieht in diesem Vorgehen eine Kann-Option [LoE 1bB, AGO +].
Post-neoadjuvante Therapie beim HR+/HER2- Mammakarzinom
Erreicht eine Patientin mit HR+/HER2–negativen (HER2–) Mammakarzinom unter NACT keine pCR, ist laut AGO Mamma die postneoadjuvante Therapie mit Abemaciclib in Kombination mit einer endokrinen Standardtherapie eine Option für den Einzelfall [LoE 2bB, AGO +/-]. Das gilt nicht für Palbociclib, da sich nur in der monarchE-Studie mit Abemaciclib ein statistisch signifikanter Vorteil beim invasiven krankheitsfreien Überleben (DFS) bei zusätzlicher Abemaciclib-Gabe gezeigt hatte.
Da Abemaciclib derzeit nicht zugelassen ist, ist es eine Einzelfallentscheidung, die mit der aufgeklärten Patientin besprochen werden muss.
Adjuvante endokrine Therapie nach primärer Operation
Im Fokus der adjuvanten endokrinen Therapie beim HR+/HER2– Mammakarzinom standen die prämenopausale Patientin und der Stellenwert einer zusätzlichen ovariellen Funktionssuppression (OFS). Weiterhin ist bei niedrigem Rezidivrisiko die 5-jährige Tamoxifen-Gabe eine Standardoption [LoE 1aA, AGO ++]. Bei erhöhtem Risiko hat die AGO Mamma die zusätzliche OFS aufgewertet. Sie sieht darin auch die Möglichkeit, der Patientin eine Chemotherapie zu ersparen oder diese ggf. hinauszuzögern, wie Prof. Sibylle Loibl, German Breast Group, Neu-Isenburg, erläuterte.
Die OFS wird primär zusätzlich zu Tamoxifen (für 2–5 Jahre) empfohlen [LoE 2bC, AGO ++]. Ebenfalls eine Option bei erhöhtem Risiko ist der Einsatz eines Aromatasehemmers (AI), der bei der prämenopausalen Patientin zwingend mit einer OFS kombiniert werden muss. Da im direkten Vergleich die Kombination Tamoxifen/OFS der Kombination AI/OFS überlegen war und zudem Langzeitdaten fehlen, erhielt die Kombination AI/OFS einen niedrigeren Empfehlungsgrad [LoE 1bB, AGO +].
Um die Therapieadhärenz zu gewährleisten, wies Loibl darauf hin, dass die Patientinnen regelmäßig einbestellt, die Verträglichkeit der endokrinen Therapie besprochen und die Behandlung ggf. angepasst werden sollte. Die zusätzliche OFS erhöhe das Nebenwirkungsrisiko, doch meist reguliere sich dies im Therapieverlauf. Auch dies müsse mit der Patientin besprochen werden.
Bei der adjuvanten endokrinen Therapie der postmenopausalen Patientinnen gab es kaum Änderungen. Neu ist – in Analogie zum post-neoadjuvanten Setting –, dass bei erhöhtem Rezidivrisiko im Einzelfall der CDK4/6-Inhibitor Abemaciclib über zwei Jahre zusätzlich zur endokrinen Standardtherapie eingesetzt werden kann [LoE 2bC, AGO +/-]. Vo-raussetzung ist, dass die Patientin den Einschlusskriterien der monarchE-Studie entspricht und darüber aufgeklärt ist, dass Abemaciclib derzeit beim frühem HR+/HER2– Mammakarzinom noch nicht zugelassen ist.
Metastasiertes HR+/HER2–Mammakarzinom
In der metastasierten Situation hat die AGO Mamma bei prämenopausalen Patientinnen mit HR+ Mammakarzinom den Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren zusätzlich zur endokrinen Therapie mit dem höchsten Empfehlungsgrad als Standard bestätigt [LoE 1aA, AGO ++]. In Kombination mit einem GnRH-Analogon plus Fulvestrant kann jeder der drei zugelassenen CDK4/6-Inhibitoren eingesetzt werden [AGO ++]. Für die Kombination GnRH-A plus Aromatasehemmer wurde nur für Ribociclib der höchste Empfehlungsgrad vergeben [LoE 1bB AGO ++]. Die Kombinationen GnRH-A/AI plus Palbociclib bzw. Abemaciclib wurden etwas schwächer bewertet [LoE 3bC bzw. 5C, AGO +]. Prof. Achim Wöckel, Würzburg, wies darauf hin, dass nur in der MONALEESA-7-Studie mit Ribociclib explizit prä-/perimenopausale Patientinnen eingeschlossen waren: Deshalb sei die Datenlage für Ribociclib stärker als für die anderen beiden CDK4/6-Inhibitoren.
Bei der postmenopausalen Patientin mit HR+/HER2– metastasiertem Mammakarzinom werden CDK4/6-Inhibitoren je nach Vorbehandlung mit einem nicht-steroidalen AI oder mit Fulvestrant kombiniert [LoE 1bB, AGO ++], erläuterte Prof. Bernd Gerber, Rostock. Weitere Optionen, die den Kombinationen mit CDK4/6-Inhibitoren nachgeordnet sind, stellen die Kombination Alpelisib/Fulves-trant für Patientinnen mit PIK3CA-Mutation dar sowie der zusätzliche Einsatz von Everolimus zu Exemestan [LoE 1bA, AGO +], Tamoxifen [LoE 2bB, AGO +] oder Fulvestrant [LoE 2bB, AGO +] sowie im Einzelfall auch in Kombination mit Letrozol [LoE 2bB, AGO +/-]. Sie werden primär für die zweite Therapielinie empfohlen (Abb. 1).