Das Mammakarzinom ist der solide Tumor, der am zweithäufigsten in das zentrale Nervensystem (ZNS) metastasiert [1]. Rund 30 % aller Patient:innen mit Mammakarzinom entwickeln Hirnmetastasen, wobei sich das Risiko zwischen den verschiedenen intrinsischen Subtypen unterscheidet. Besonders häufig finden sich ZNS-Metastasen beim HR-negativen, HER2-positiven und triple-negativen Subtyp (triple-negative breast cancer, TNBC) [2–5]. Patient:innen mit TNBC entwickeln nicht nur besonders häufig ZNS-Metastasen, diese treten auch früher im Krankheitsverlauf auf [6]. Insgesamt nimmt die Inzidenz von Hirnmetastasen beim Mammakarzinom stetig zu. Ursächlich hierfür sind nicht nur bessere Bildgebungsverfahren, sondern auch das verbesserte Langzeitüberleben der Patient:innen durch intensivere systemische Therapien.
Von der Blut-Hirn-Schranke zur Blut-Tumor-Schranke
Während früher davon ausgegangen wurde, dass die Blut-Hirn-Schranke die medikamentöse Therapie von ZNS-Metastasen weitgehend verhindere und die meisten Substanzen sie nicht überwinden könnten, weiß man heute, dass die Blut-Hirn-Schranke bei ZNS-Metastasen verändert ist. Die Blut-Tumor-Schranke ist damit für eine Reihe von Substanzen – Zytostatika, Antikörper-Drug-Konjugate und Tyrosinkinase-Inhibitoren – unterschiedlich permeabel, vor allem, wenn Makrometastasen im ZNS vorliegen [7–9]. Entscheidend scheint das Ausmaß der Neovaskularisierung der ZNS-Metastasierung zu sein, welche die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen und zur Blut-Tumor-Schranke machen kann [9, 10]. Bei Mikrometastasen im ZNS und leptomeningealem Befall (Meningeosis carcinomatosa) hingegen liegt (noch) eine geringere Neovaskularisierung vor, was sie medikamentös schlechter erreichbar machen könnte [9].
Diskordanz der molekularen Eigenschaften
Die ZNS-Metastase zeigt nicht notwendigerweise den gleichen molekularen Subtyp wie der Primärtumor. Eine solche Diskordanz des molekularen Subtyps ist nicht selten, wobei bedacht werden muss, dass nur wenige Hirnmetastasen biopsiert oder reseziert werden. In einer großen Analyse wurde in 36,3 % der Fälle eine Diskordanz hinsichtlich Hormonrezeptor- oder HER2-Status beobachtet. Bei 22,8 % änderte sich dadurch der Mammakarzinom-Subtyp. Dabei kam es häufiger vor, dass eine HER2-Expression in der ZNS-Metastase hinzugewonnen wurde (8 %), als dass diese verloren wurde (2,5 %). Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren wurden in ZNS-Metastasen deutlich häufiger verloren als gewonnen [11].
Prognose
Das Überleben von Patient:innen mit ZNS-Metastasen unterscheidet sich stark. Mit dem Graded Prognostic Assessment (GPA) steht ein Instrument zur Abschätzung des Überlebens zur Verfügung [12].
In einer retrospektiven Analyse von 16.703 Patient:innen mit metastasiertem Mammakarzinom der französischen ESME(Épidémio-Stratégie Médico-Économique)-Datenbank traten in 4.118 Fällen ZNS-Metastasen auf. Nach einer 30-monatigen Beobachtungszeit betrug das mediane Überleben dieser Patient:innen 7,9 Monate, mit folgenden Unterschieden nach molekularem Subtyp [13]:
- ER-positiv/HER2-negativ: 7,1 Mon.
- ER-positiv/HER2-positiv: 18,9 Mon.
- ER-negativ/HER2-positiv: 13,1 Mon.
- ER-negativ/HER2-negativ: 4,4 Mon.
Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen die unterschiedlichen im untersuchten Zeitraum verfügbaren systemischen Therapieoptionen berücksichtigt werden. Die schlechten OS-Zahlen beim Luminal-A-Subtyp könnten auch darin begründet sein, dass hier eine ZNS-Metastasierung erst spät im Krankheitsverlauf auftritt und die Patient:innen dann in schlechtem Allgemeinzustand mit eingeschränkten Therapieoptionen waren [9].
Therapie
Insgesamt ist die Datenlage zur Behandlung von ZNS-Metastasen beim Mammakarziniom unbefriedigend. Von der Teilnahme an randomisierten klinischen Studien zu neuen systemischen Therapien waren diese häufig ausgeschlossen [10]. Vorliegende Studiendaten zur Therapie von ZNS-Metastasen wiederum sind oft nicht Mammakarzinom-spezifisch.
Die Therapie der Patient:innen richtet sich nach Anzahl, Lage und Größe der Hirnmetastasen. Als singulär bezeichnet man eine einzige Metastase im Gehirn bei gleichzeitig nachweisbaren Metastasen in anderen Organen; liegt ausschließlich eine singuläre zerebrale Metastase vor, wird diese als solitäre Hirnmetastase bezeichnet. Neben Resektion, Radiochirurgie, Strahlentherapie, z. B. als stereotaktisch geführte, lokale Strahlentherapie oder als Ganzhirnbestrahlung, kommt heute auch eine am intrinsischen Subtyp orientierte medikamentöse Tumortherapie mit Chemotherapie und zielgerichteten Substanzen infrage [9]. Dabei stehen für die systemische Therapie von ZNS-Metastasen HER2-positiver Mammakarzinome mit verschiedenen zielgerichteten Substanzen mehr wirksame Optionen zur Verfügung als beim TNBC.
Lokale Therapieansätze
Lokale Therapien – neben der Operation stereotaktische Radiochirurgie (stereotactic radiosurgery, SRS) und fraktionierte stereotaktische Radiotherapie (fractionated stereotactic radiotherapy, FSRT) – sind indiziert in Abhängigkeit von Lokalisation, Größe, Anzahl, Vorbehandlung, Karnofsky-Performance-Status und Gesamtprognose. Bei singulären (oder solitären) Hirnmetastasen bis zu einer Größe von 4 cm sowie Oligohirnmetastasen sollte eine lokale Therapie zum Einsatz kommen. Nach einer Metastasenresektion sollte eine Bestrahlung des Tumorbetts folgen. Die Ganzhirnbestrahlung (whole brain radiation therapy, WBRT) zusätzlich zur SRS verbessert die intrakranielle Kontrolle ohne Verlängerung der Zeit der funktionellen Unabhängigkeit und des Gesamtüberlebens. Eine alleinige WBRT sollte Patient:innen mit multipler Hirnmetastasierung, ungünstiger Prognose und/oder schlechtem Allgemeinzustand vorbehalten bleiben. Generell sollte eine Hippocampus-Schonung zur Reduktion neurokognitiver Defizite angestrebt werden.
Systemische Therapien
Neben der lokalen Therapie sollte auch eine systemische Therapie – zusätzlich zur Strahlentherapie oder Radiochirurgie oder alleine – zum Einsatz kommen, wobei sich die medikamentöse Therapie sowohl bei soliden Hirnmetastasen als auch bei leptomeningealer Metastasierung an den molekularen Eigenschaften des Primärtumors orientieren sollte [14]. Die Behandlung sollte interdisziplinär geplant werden. Bei Auftreten von Hirnmetastasen sollte bei extrazerebral gut kontrollierter Erkrankung die derzeitige systemische Therapie weitergeführt werden. Bei leptomeningealer Metastasierung werden intrathekale Therapien nicht mehr allgemein empfohlen [14, 15].
Etwa 30 % der Patient:innen mit HER2-positivem Mammakarzinom entwickeln Hirnmetastasen [16]. Bei ihnen ist die Datenlage zum Ansprechen der ZNS-Metastasierung auf die systemische Therapie deutlich besser geworden, alle derzeit eingesetzten Therapieregime haben ein Ansprechen gezeigt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in die Studien meist entweder Patient:innen mit asymptomatischen oder mit bereits behandelten, stabilen Hirnmetastasen eingeschlossen waren. Tab. 1 gibt einen Überblick zur klinischen Einordnung von Hirnmetastasen. Außerdem ist zu beachten, dass ein Teil der vielversprechenden Daten zur Effektivität von Anti-HER2-Therapien aus explorativen, retrospektiven Subgruppenanalysen stammt.