Fortgeschrittenes Mammakarzinom
Rolle der molekularen Paneltestung
Prof. Thomas Bachelot, Lyon, Frankreich, und Prof. Bora Lim, Houston, Texas, USA, diskutierten die Frage, ob eine molekulare Paneltestung bei Patient:innen mit einem metastasierten luminalen (HR+/HER2–) Mammakarzinom routinemäßig durchgeführt werden sollte. Bachelot erachtete eine molekulare Paneltestung für diese Patient:innen als nicht sinnvoll, da die Therapiestrategie in der metastasierten Situation des luminalen Mammakarzinoms klar definiert sei. Eine molekulare Paneltestung bringe keine Vorteile. First-Line-Standard sei die Kombinationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor. Bei Progression gebe es für die Second-Line-Situation derzeit nur zwei zielgerichtete Therapieoptionen: die PARP-Inhibitoren bei Nachweis einer Keimbahnmutation in BRCA1 bzw. BRCA2 (gBRCA1/2) sowie den PI3K-Inhibitor Alpelisib (in Kombination mit Fulvestrant) bei Nachweis einer PIK3CA-Mutation. Für die Therapieentscheidung seien daher eine gBRCA1/2-Testung sowie eine somatische PIK3CA-Testung ausreichend.
Das luminale Mammakarzinom sei kein genetisch getriebener Tumor und die Therapiesequenz gut definiert, betonte auch Lim, die sich dennoch für die molekulare Paneltestung aussprach. Entscheidend sei, dass auch im Therapieverlauf – als Folge der laufenden Behandlung – genetische Veränderungen auftreten könnten, so zum Beispiel unter der Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor. Dies könne Auswirkungen auf die weitere Therapiesequenz haben. Die molekulare Paneltestung sei ein wichtiger Baustein für zukünftige therapeutische Perspektiven und sollte daher schon jetzt eingesetzt werden. Eine günstige Möglichkeit, dies im klinischen Alltag umzusetzen und molekulare Veränderungen im Therapie- und Krankheitsverlauf zu detektieren, biete die Liquid Biopsy.
DAISY-Studie: Biomarkeranalysen zu T-DXd
Aktuelle Studiendaten gab es beim metastasierten Mammakarzinom zu den Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC). Explorative Biomarker-Analysen, die im Rahmen der multizentrischen Phase-II-Studie DAISY zur Wirksamkeit von Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) durchgeführt wurden, bestätigen die HER2-Expression als Schlüsseldeterminante für die Wirksamkeit von T-DXd, erläuterte Prof. Fernanda Mosele, Villejuif, Frankreich. Die Ergebnisse wurden als Late Breaking Abstract (LBA1) vorgestellt [1].
In die 3-Kohorten-Studie waren intensiv vorbehandelte metastasierte Patient:innen mit unterschiedlichem HER2-Status eingeschlossen worden: mit HER2-positivem (Kohorte 1: IHC3+ oder IHC2+/ISH+), mit HER2-low (Kohorte 2: IHC1+ oder IHC2+/ISH-) und mit HER2-negativem (IHC 0) Mammakarzinom (Kohorte 3). Erwartungsgemäß korrelierte das Therapieansprechen mit der HER2-Expression. Die BOR(Best Overall Response)-Rate war in Kohorte 1 mit 71 % am höchsten versus 37,5 % in Kohorte 2 und 30 % in Kohorte 3 (p < 0,0001). Die explorative translationale Analyse bestätigte die Bedeutung der HER2-Expression für die Wirksamkeit von T-DXd. So war T-DXd in HER2-negativen Tumorzellen deutlich weniger nachweisbar als in HER2-exprimierenden Tumorzellen. Die geringe Aufnahme von T-DXd in HER2-negative Zellen lege nahe, dass die Wirksamkeit von T-DXd bei diesen Zellen über den Bystander-Effekt laufe, die Wirksubstanz also über die Zellmembran in die Nachbarzellen diffundiere, erläuterte Mosele. Nur bei Patient:innen mit HER2-positivem Mammakarzinom – nicht aber bei jenen mit HER2-low oder HER2-negativem Mammakarzinom – wurde unter T-DXd eine signifikante Abnahme der PD-L1-Expression gemessen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass nicht nur der Prozentsatz HER2-negativer Tumorzellen im Tumorgewebe, sondern auch deren räumliche Verteilung dafür verantwortlich sei, wie gut Patient:innen auf T-DXd ansprachen. Je näher die HER2-positiven und HER2-negativen Zellen räumlich beieinanderlagen („clustered closer“), desto höher war die Ansprechrate. Bei 65 % der progredienten Patient:innen wurde ein signifikanter Abfall der HER2-Expression gemessen, was auf eine sekundäre Resistenzentwicklung hindeute.
Laut Prof. Peter Fasching, Erlangen, der die Ergebnisse vor Ort kommentierte, leisten diese Erkenntnisse einen Beitrag zur weiteren Personalisierung der Anti-HER2-Therapie. Die räumliche Verteilung der HER2-exprimierenden und nicht-HER2-exprimierenden Tumorzellen helfe möglicherweise, für das Therapieansprechen prädiktive Biomarker zu beschreiben. Zudem zeigten die Daten, dass die HER2-Expression unter anti-HER2-gerichteter Therapie dynamisch sei. Neben der HER2-Expression scheine auch die PD-L1-Expression beim HER2-positiven Mammakarzinom eine Rolle zu spielen.
ADC plus Immuntherapie in der klinischen Prüfung
Widersprüchliche Ergebnisse gab es zur Kombinationstherapie mit ADC und Immuntherapie. In einer Phase-Ib-Studie bei Patient:innen mit inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom erzielte die Kombination aus T-DXd mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Nivolumab im historischen Vergleich keinen Wirksamkeitsvorteil [2]. Die Patient:innen waren bereits mit T-DM1 vorbehandelt. In der Phase-Ib/II-Studie BEGONIA [3] wurde Durvalumab mit dem anti-TROP2-gerichteten ADC Datopotamab-Deruxtecan (Dato-DXd) als Erstlinientherapie beim inoperablen lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) kombiniert. Die ersten Ergebnisse sind hier vielversprechend. In der derzeit laufenden Studie erreichte die Kombination aus Durvalumab und Dato-DXd nach einem medianen Follow-up von 3,9 Monaten bei 20 von 29 behandelten Patient:innen eine jeweils anhaltende objektive Tumorrückbildung (ORR: 74 %), darunter zwei komplette Remissionen (CR: 7 %), berichtete Prof. Peter Schmid, London, Vereinigtes Königreich. Das Therapieansprechen war unabhängig vom PD-L1-Status. Schmid bezeichnete die Kombination als sicher und gut handhabbar; dosislimitierende Toxizitäten traten nicht auf. Spekuliert wird unter anderem, dass die zusätzliche Immuntherapie in einer früheren Therapielinie bei weniger stark vorbehandelten Patient:innen bessere Ergebnisse erzielt.
Destiny Breast03: HRQoL bleibt unter T-DXd erhalten
In der fortgeschrittenen und metastasierten Situation spielt neben Wirksamkeit und Sicherheit die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) der Patient:innen eine wichtige Rolle bei der Therapieentscheidung. Eine aktuelle Auswertung der randomisierten Phase-III-Studie DESTINY-Breast03 [4] zeigt, dass die HRQoL unter T-DXd erhalten bleibt, erläuterte Prof. Giuseppe Curigliano, Mailand, Italien. Diese wurde anhand des EORTC QLQ-C30-Fragebogens sowie diverser Subskalen ermittelt.
Die Studie verglich T-DXd mit T-DM1. Die Patient:innen hatten ein inoperables lokal fortgeschrittenes bzw. metastasiertes HER2-positives Mammakarzinom und waren mit einer Trastuzumab/Taxan-basierten Therapie vorbehandelt. Die signifikanten Vorteile von T-DXd gegenüber T-DM1 beim progressionsfreien Überleben (PFS; HR 0,28; p = 7,8x10-22) gingen mit einer deutlich längeren medianen Therapiedauer einher (14,3 vs. 6,9 Monate). Die lange Therapiedauer beeinträchtigte die HRQoL der Patient:innen nicht. Im Gegenteil: Der allgemeine Gesundheitszustand (GHS: Global Health Status) blieb unter T-DXd im Median 9,7 Monate stabil versus 8,3 Monate im Kontroll-arm (HR 0,88; p = 0,2829).
Zum Teil signifikante Vorteile gegenüber T-DM1 zeigten sich bei den körperlichen (p = 0,0529), emotionalen (p = 0,0049) und sozialen Funktionen (p = 0,3577) (Abb. 1).