Für die Brustkrebsversorgung wäre eine Betreuungsstruktur vorteilhaft, in der ein Kompetenzteam auf die digital erfassten Daten der Patientin zurückgreifen kann. Die Patientin könnte dann das Kompetenzteam wechseln, ohne dass Informationen verloren gehen oder aber eine Zweitmeinung einholen, die auf den vollständigen Daten beruht. Auf der anderen Seite könnten die Daten dieser umfangreichen Datenbank auch der Wissenschaft dabei helfen, die Medizin mithilfe von KI oder anderen Analysen weiterzuentwickeln und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Um beides möglich zu machen, müssen die Daten in eine Struktur gebracht werden, die auf der einen Seite die Krankenversorgung ermöglicht und auf der anderen Seite zulässt, dass Daten verschiedener Patientinnen zusammengeführt werden, um sie zu analysieren oder mit KI auszuwerten.
Die Wissenschaft voranbringen
Diesen Ansatz verfolgt das Projekt DigiOnko, für das die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml die Schirmherrschaft übernommen hat und das von ihrem Ministerium gefördert werden wird. Mit diesem Projekt, das Mitte 2020 startet, sollen Brustkrebspatientinnen in Nordostbayern zukünftig besser behandelt werden und gleichzeitig mit ihren Daten die Wissenschaft vorwärtsbringen. Prof. Peter Fasching, Erlangen, stellte Ziele vor, die mit dem Projekt erreicht werden sollen.
So soll die integrierte Versorgung von Patientinnen in Früherkennung und Screening implementiert werden, um besser über weitere Präventionsprogramme zu informieren und das Bewusstsein für Prävention zu stärken. In einem strukturierten, qualitätsgesicherten, digitalen Projekt werden dafür Früherkennungsmaßnahmen koordiniert und dokumentiert und der Patientin mit allen Informationen übersichtlich dargestellt. Genomische und molekulare Tests werden integriert, um die Sensitivität und Spezifität des Mammografie-Screenings zu verbessern. Schließlich sollen nicht-invasive-Screeningmethoden für weitere Erkrankungen wie Lungen- und Kolonkarzinom, malignes Melanom und verschiedene Unterleibskarzinome implementiert werden.
Apps nutzen
Durch den technischen Fortschritt wird es zunehmend möglich, diagnostische Tests zu Hause durchzuführen. Auf diese Weise könnten den Patientinnen Arztbesuche erspart bleiben – bei gleichzeitiger Erhöhung der Therapiesicherheit. Deswegen sollen z. B. EKGs, Leukozytenmessungen, Blutzuckermessungen und genomische Tests zu Hause durchgeführt und elektronisch erfasst werden. Mit digitaler Heimversorgung können auch Nebenwirkungen schneller erfasst und die Lebensqualität kontrolliert werden. In den vergangenen 10 Jahren hat sich darüber hinaus gezeigt, dass viele Maßnahmen, die die Gesundheit verbessern oder Krankheiten überwachen sollen, mit Apps durchgeführt werden. Dazu zählen etwa Schlafmonitoring,die Überwachung von Aktivitätsmustern und achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Entsprechende Apps sollen eingeführt und validiert werden, um so Therapie-Management, Gesundheits-Monitoring, Patienten-Arzt-Kommunikation und Lebensqualität zu verbessern.
Um die Krankenversorgung zu vereinfachen und die Qualität zu verbessern, ist geplant, die Daten mit KI zu analysieren. So lassen sich auch bisher unbekannte Zusammenhänge aufdecken. Die digitale Pathologie kann etwa die Daten für eine detaillierte molekulare Klassifikation nutzen, digitale Radiologie kann KI auf bisher unbekannte Texturmerkmale trainieren und in Studiendaten können unbekannte Nebenwirkungsmuster erkannt werden.
Datensouveränität beachten
Bei allen diesen Vorhaben muss natürlich die Datensouveränität der Patientinnen gewahrt bleiben, betonte Fasching. Er stellte zwei denkbare Modelle vor, die das gewährleisten könnten: Im ersten Modell werden die Daten zeitnah nach der Erfassung an einen zentralen Server weitergegeben und die Patienten entscheiden anschließend, wer welche Daten wofür nutzen darf. Im alternativen Modell werden die Daten erst z. B. auf dem Handy der Patientin gespeichert und nach einer positiv beschiedenen Anfrage zur Auswertung an einen Server weitergegeben.
Roland Müller-Waldeck
Veranstaltung "DigiOnko – auf dem Weg zu einer integrativen Versorgung von Brustkrebspatientinnen" des Innovationsbündnisses gegen Krebs am 05.02.2020 in Nürnberg, unterstützt von Novartis Pharma GmbH.