„Die Dermato-Onkologie ist ein sehr lebhaftes Fach“, konstatierte Kongresspräsident Prof. Dr. Edgar Dippel, Ludwigshafen, im Rahmen der Kongress-Pressekonferenz. Es herrsche ein „enormer Informationsbedarf bei gleichzeitiger Informationsflut“, die es bestmöglich zu managen gelte. Dippel berichtete, dass derzeit allein in Deutschland über 50 klinische Studien zu verschiedenen Hautkrebs-Entitäten laufen. Der Kongresspräsident erinnerte daran, dass die Dermato-Onkologie speziell im Bereich der Immunonkologie eine Vorreiterrolle in der Onkologie spiele. „Wir sind fast eine Dekade weiter als andere“, sagte Dippel und verwies auf die große immunonkologische Expertise und Erfahrung seines Fachs, auch im Bereich des Managements von Nebenwirkungen. Durch die großen Erfolge immunonkologischer Therapien mit Checkpoint-Inhibitoren und den hohen Anteil von Langzeitüberlebenden werde speziell für das Melanom bereits über eine Heilung für einen Teil der Patienten mit metastasierter Erkrankung nachgedacht.
Enorme Therapieerfolge beim Melanom: zielgerichtet …
Im Rahmen der Pressekonferenz wurde noch einmal daran erinnert, welche rasanten Fortschritte speziell die Behandlung des metastasierten malignen Melanoms im vergangenen Jahrzehnt gemacht hat. Noch vor etwa zehn Jahren konnten die Patienten nur mit Chemotherapie behandelt werden, die aber nicht besonders effektiv war. Die mediane Überlebenszeit lag bei etwa acht Monaten. Anstelle der kaum wirksamen Zytostatika sind heute zielgerichtete Arzneistoffe und immunologisch wirksame Substanzen die Therapieoptionen der Wahl. Sie erzielen deutlich bessere Überlebensraten und eröffnen einem Teil der Patienten die Chance auf ein Langzeitüberleben. Heute liegt das mediane Überleben für Patienten mit metastasiertem Melanom bei zwei bis drei Jahren, und die Chancen auf Heilung sind enorm gestiegen. Dippel erinnerte daran, dass mittlerweile Triplett-Therapien in klinischer Testung seien, mit denen Ansprechraten von knapp 80% erreicht werden könnten – noch vor einigen Jahren unvorstellbar.
Die neue Zeitrechnung beim Melanom begann im Jahr 2012 mit der Einführung des ersten BRAF-Inhibitors Vemurafenib. Erstmals stand für etwa die der Hälfte der Patienten mit inoperablem Melanom im Stadium IIIC oder IV, die eine BRAF-Mutation (meist eine BRAFV600E-Mutation) im Tumor aufwiesen, eine effektive, zielgerichtete und im Vergleich zur Chemotherapie besonders verträgliche Therapie zur Verfügung. Später wurde die Behandlung mit BRAF-Inhibitoren durch die Kombinationsbehandlung vom BRAF- mit MEK-Inhibitoren ersetzt, wodurch der überaktivierte MAP-Kinase-Signalweg noch effektiver gehemmt werden konnte. Mittlerweile sind drei dieser Kombinationen zugelassen. Dennoch kommt es auch unter dieser wirksamen zielgerichteten Kombinationsbehandlung bei der Mehrzahl der Patienten zu einem Progress, im Mittel nach etwa zwölf Monaten.
Bislang ist eine zielgerichtete Therapie nur für die Patienten mit einem BRAF-V600-mutierten Tumor verfügbar. Für Patienten mit NRAS- oder KIT-Mutationen konnte in Studien bislang kein echter Durchbruch durch den Einsatz von MEK- oder KIT-Inhibitoren erreicht werden. Für eine kleine Subgruppe von Patienten (< 1%) mit einer NTRK-Genfusion gibt es allerdings Hinweise, dass eine zielgerichtete Therapie in Zukunft möglich sein könnte.
… und immunonkologisch
Der zweite Meilenstein in der Melanom-Therapie ist die immunonkologische Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren, zunächst mit Ipilimumab, später mit den in puncto Gesamtüberleben effektiveren PD1-Inhibitoren oder mit der Kombination aus beiden. Anders als bei der zielgerichteten Therapie ermöglicht die Immuntherapie einem Teil der Patienten die Chance auf ein Langzeitüberleben bei vergleichsweise guter Verträglichkeit. Denn Patienten, die auf die Behandlung ansprechen, tun das in der Regel langfristig, wie die Langzeitdaten verschiedener großer Studien mit Checkpoint-Inhibitoren zeigen.
Kombinationstherapien werden voraussichtlich die Überlebenschancen für Melanom-Patienten, zumindest für diejenigen mit BRAF-Mutation, in Zukunft noch weiter verbessern. Hier geht die Entwicklung in zwei Richtungen: die Kombination aus BRAF- und MEK-Inhibition mit einem Checkpoint-Inhibitor als Kombination aus drei Medikamenten, neben der der sequenzielle Einsatz getestet wird, also zunächst mit einer kurzen Anfangsphase mit BRAF-MEK-Inhibitoren, gefolgt von der Immuntherapie und im Falle eines Progresses dann die Re-Exposition mit der BRAF-MEK-Inhibition. Wie das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieser Ansätze ist, wird aktuell in Studien untersucht.
Sowohl Immuntherapie als auch zielgerichtete Therapie sind mittlerweile auch in der adjuvanten Situation zugelassen und tragen dazu bei, das Rezidivrisiko für chirurgisch behandelte Hochrisiko-Patienten deutlich zu vermindern. Die Immuntherapie hat zudem Eingang in die Behandlung des fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinoms gefunden. Ein erster Checkpoint-Inhibitor wurde kürzlich für diese Indikation zugelassen, ein weiterer steht kurz vor der Zulassung.
Die größte Herausforderung für die Dermato-Onkologen bleiben laut Dippel die Melanom-Patienten, die nicht auf eine Immuntherapie ansprechen. „Wir können für knapp die Hälfte der Patienten etwas tun, für die andere Hälfte stehen wir immer noch mit dem Rücken zur Wand“, so der Kongresspräsident. Es gebe bisher beim Melanom keine prädiktiven Faktoren, die den Erfolg einer Immuntherapie mit gesicherter Evidenz vorhersagen könnten. Die Hoffnung sei, dass die laufenden Studien neue Erkenntnisse darüber liefern, warum manche Patienten eine primäre Resistenz gegenüber Checkpoint-Inhibitoren zeigen. In diesem Sinne sei der diesjährige ADO Kongress eine gute Plattform, um sich auch über neue Daten aus der Grundlagenforschung auszutauschen, so Dippel.
Ungebremste Zunahme der Hautkrebs-Inzidenz
Prof. Dr. Ralf Gutzmer, Hannover,
1. Vorsitzender der ADO, erinnerte daran, dass die Inzidenz von Hautkrebs ständig zunimmt, ohne dass eine Trendwende zu erkennen wäre. Das Melanom beispielsweise sei früher ein seltener Tumor gewesen, mittlerweile aber der fünfthäufigste solide Tumor bei Männern und Frauen. Aus seiner Sicht ist die Steigerungsrate eine späte Folge UV-bedingter Hautschäden aus Kindheit und Jugend, bedingt durch ein verändertes Freizeitverhalten. Sonnenbrände in der Kindheit prädestinieren laut Gutzmer für das Melanom, die Auswirkungen sehe man allerdings erst Jahrzehnte später. „Das kann man nicht mehr zurückdrehen“, so der ADO-Vorsitzende.
Im Gegensatz dazu spielt für die Entwicklung des kutanen Plattenepithelkarzinoms – nach dem Basalzellkarzinom der zweithäufigste Hauttumor – offensichtlich die kumulative Sonnenexposition, also das „UV-Lebenszeitkonto“, die entscheidende Rolle. Neben exzessiver Sonnenexposition im Rahmen des Freizeitverhaltens erhöht auch eine langjährige Berufstätigkeit im Freien das Risiko, an einem kutanen Plattenepithelkarzinom zu erkranken. Deshalb sei diese Tumorentität auch als Berufskrankheit anerkannt. Insgesamt sprach Gutzmer von einer „älteren und lichtgeschädigten Gesellschaft“, für die ein hoher und ständig steigender Therapiebedarf bestehe.
Die einzige Möglichkeit, um der zunehmenden Inzidenz von Hautkrebs entgegenzuwirken, sei die Primärprävention in Form eines effektiven Sonnenschutzes. Darunter verstehen die Dermato-Onkologen (und zwar genau in dieser Reihenfolge) die Trias aus
• Sonnenvermeidung, vor allem in der Mittagszeit zwischen 11 und 15 Uhr,
• dichte Kleidung zum Schutz vor Sonne und
• Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor..
Sonnenschutzmittel allein ohne die erwähnten Verhaltensänderungen können laut Gutzmer nicht effektiv vor UV-bedingten Hautschäden schützen. Zudem tragen diese Mittel nur dann wirkungsvoll zum Gesamtpaket Sonnenschutz bei, wenn sie in ausreichender Menge aufgetragen werden. Die empfohlenen
2 mg/cm2 würden allerdings von den wenigsten Menschen eingehalten. Das Problem: Wird weniger aufgetragen, nimmt der Sonnenschutz nicht linear, sondern exponentiell ab. Prof. Dr. Jessica Hassel, Heidelberg, ergänzte, dass sie oftmals von ihren Patienten gefragt werde, ob man Sonnenmilch auch im nächsten Jahr noch verwenden könne. Ihre Antwort laute dann: „Ja, das darf ich, aber wenn meine Sonnenmilch bis zum nächsten Jahr reicht, habe ich etwas falsch gemacht.“ Hassel erklärt ihren Patienten dann anschaulich, dass etwa ein Arm, den man mit Sonnenmilch eincremt, „richtig weiß“ sein müsse. Sie erwähnte, dass bestimmte Sonnenschutzmittel heute eine verbesserte Galenik aufweisen, sodass sie – speziell bei der Anwendung im Gesichtsbereich – besser in die Haut einziehen und nicht mehr als unangenehm fettig empfunden werden.