CDK4/6-Inhibition plus oder statt Chemotherapie?
Mit der adjuvanten Zulassung des ersten CDK4/6-Inhibitors (CDK4/6i) für Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven (HR+) und HER2-negativen (HER2–) frühen Mammakarzinom („early breast cancer“; EBC) stellt sich die Frage, ob die CDK4/6-Inhibition die Chemotherapie ersetzen oder aber ergänzend eingesetzt werden kann. Derzeit gebe es keine prospektive Evidenz aus klinischen Studien, um diese Frage validiert beantworten zu können, erläuterte Prof. Frederik Marmé, Heidelberg.
Keine prospektive Evidenz
Marmé verwies auf die beiden adjuvanten Phase-III-Studien monarchE [1] und NATALEE [2]. Darin haben sich zwar klare Wirksamkeitsvorteile für die Kombinationstherapie aus CDK4/6i plus endokriner Therapie (ET) versus einer alleinigen adjuvanten ET bei Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko ergeben, doch wurde die Kombination nicht mit einer Chemotherapie verglichen. Da in beiden Studien der Großteil der Patientinnen (95 % [monarchE] bzw. 88 % [NATALEE]) (neo-)adjuvant chemotherapeutisch vorbehandelt war, ist laut Marmé davon auszugehen, dass der „nachgewiesene Nutzen der adjuvanten CDK4/6i-Therapie zusätzlich zum Chemotherapie-Benefit“ bestehe. Unklar sei, ob dies auch bei einem geringeren Rezidivrisiko der Fall sei.
Unterschiedliche Effekte auf Surrogat-Endpunkte
Aus den Ergebnisse der neoadjuvanten Studien CORALEEN [3] und NeoPAL [4] gibt es laut Marmé Hinweise darauf, dass die Chemotherapie und die CDK4/6-Inhibition (plus ET) bei vergleichbarer Effektivität unterschiedliche Effekte auf definierte Surrogat-Endpunkte erzielen. Das spreche dafür, dass sich beide Therapien ergänzen.
Die neoadjuvante CDK4/6-Inhibition (plus ET) reduzierte die Tumorproliferation im Vergleich zur Chemotherapie stärker. Ausdruck dessen war, dass unter dem CDK4/6i der Prozentsatz der Patientinnen mit einem niedrigen ROR(„risk of recurrence“)-Score (ROR-low) höher war. Zudem fiel der Ki-67-Wert deutlich stärker ab als unter der neoadjuvanten Chemotherapie. Im Chemotherapiearm erzielten mehr Frauen eine pathologische Komplettremission (pCR), und die residuale Tumorlast hatte stärker abgenommen (RCB 0/1). Die Ergebnisse müssten an größeren Fallzahlen validiert werden, forderte Marmé.
Bedeutung für den klinischen Alltag?
Auch betonte er, dass sich im klinischen Alltag derzeit nichts ändere. Für die Mehrheit der Patientinnen mit HR+/HER2– EBC und hohem Rezidivrisiko (N2/3) bleibe die adjuvante Chemotherapie mit nachfolgender ET „gängige Praxis“. Marmé schloss jedoch nicht aus, dass es in diesem Kollektiv eine Patientengruppe gibt, die keinen Vorteil von einer adjuvanten Chemotherapie hat. Eine wichtige klinische Studie, die dies unter anderem validiert, sei die ADAPTcycle-Studie (https://wsg-online.com/studien/).
Bei Patientinnen mit HR+/HER2– EBC und einer N1- beziehungsweise N0-Situation plus Risikofaktoren werde die Chemotherapie-Indikation ja/nein ergänzend anhand des genomischen Risikoprofils oder des endokrinen Ansprechens auf eine vorgeschaltete endokrine Induktionstherapie definiert, betonte er. Wichtige klinische Daten zu diesem Kollektiv werden von der RIBOLARIS-Studie (NCT05296746) und ebenfalls der ADAPTcycle-Studie erwartet.
Bestehen im klinischen Alltag Zweifel am Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie, aber auch Zweifel an der ausreichenden Effektivität der ET, könne nach Meinung von Marmé die CDK4/6-Inhibition im Einzelfall auch eine „alleinige Alternative zur adjuvanten Chemotherapie“ sein. Exemplarisch verwies er auf ältere (≥ 75 Jahre) und/oder komorbide Betroffene mit HR+/HER2– EBC und einer Lebenserwartung von unter zehn Jahren.
Chemotherapie-Indikation beim HR+/HER2– EBC
Angesichts neuer Therapieoptionen stellt sich beim luminalen HER2– EBC auch die Frage, auf welcher Grundlage die Chemotherapie-Indikation zu stellen ist. Laut der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) seien drei Szenarien zu unterscheiden, erläuterte Dr. Johannes Holtschmidt, German Breast Group, Neu-Isenburg. Patientinnen mit einem niedrigen Risiko, bei denen keine Chemotherapie-Indikation besteht, sind nach seiner Darstellung jene mit einem kleinen Primärtumor (≤ cT1c) und maximal drei befallenen Lymphknoten in der Axilla (cN0–1), einem niedrigen Grading (G1/2) und einem niedrigen Ki-67-Wert (≤ 5 %). Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko und eindeutiger Chemotherapie-Indikation seien jene mit einem initial nicht operablen Mammakarzinom beziehungsweise solche mit mindestens vier befallenen Lymphknoten oder einem G3-Tumor plus einem Ki-67-Wert von ≥ 35 %.
Lässt sich das Rezidivrisiko anhand der klinischen Faktoren nicht eindeutig definieren, kann der Genexpressionstest die Therapieentscheidung unterstützen. Bei einem niedrigen genomischen Risiko sollte auf eine Chemotherapie verzichtet werden, wohingegen bei einem hohen genomischen Risiko eine Chemotherapie sinnvoll ist. Alternativ oder ergänzend zum Genexpressionstest kann laut der AGO-Kommission Mamma eine zwei- bis vierwöchige präoperative endokrine Therapie (ET) anhand des Ki-67-Abfalls die endokrine Sensitivität des Tumors vorhersagen. Fällt der Ki-67-Wert auf ≤ 10 %, ist von einem endokrinen Ansprechen des Tumors auszugehen.
Eskalation mit Chemotherapie und Checkpoint-Inhibition?
Eine Möglichkeit der weiteren Therapieeskalation sieht Holtschmidt darin, dass Erkrankte mit HR+/HER2– EBC und einem G3-Karzinom beziehungsweise einer erhöhten Tumorlast (≥ cT3 oder ≥ 4 Lymphknoten) zukünftig zusätzlich zur Chemotherapie einen Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI) erhalten. Er verwies auf die beiden neoadjuvanten Studien KEYNOTE-756 mit Pembrolizumab [5] und CheckMate-7FL mit Nivolumab [6]. Der ICI war jeweils im experimentellen Arm neoadjuvant zusätzlich zur Chemotherapie und postoperativ in Kombination mit einer ET eingesetzt worden.
Die pCR-Rate der Behandelten mit G3 plus ≥ cT3 oder cN+ lag im ICI-Arm deutlich höher. Das Delta zugunsten der zusätzlichen ICI-Gabe vergrößerte sich jeweils mit der Höhe der PD-L1-Expression beziehungsweise mit der Abnahme der Expression des Östrogenrezeptors (ER). Sollten sich die Vorteile durch den zusätzlichen Einsatz eines ICI auch bei den Überlebensdaten bestätigen, werde der Stellenwert neoadjuvanter Therapiekonzepte beim HR+/HER2– EBC zunehmen, resümierte Holtschmidt.
Keine ALND nach axillärem Downstaging?
Kann bei Personen mit einem EBC und einem initial positiven Nodalstatus (cN+) auf eine axilläre Lymphknotendissektion (ALND) verzichtet werden, wenn nach einer primären systemischen Therapie (PST) keine befallenen Lymphknoten in der Axilla nachweisbar sind (ycN0)? Die Ergebnisse einer multizentrischen retrospektiven Datenanalyse mit 720 Patientinnen aus fünf zertifizierten Brustzentren in Deutschland gibt dafür keine Anhaltspunkte. Die Referentin Dr. Maria Thurmann, Berlin-Buch, die die Analyse vorstellte, erhielt einen Preis für den besten freien Vortrag auf der DGS-Jahrestagung.
Im Rahmen der Datenauswertung wurde die lokoregionale Ansprechrate nach einer PST unter anderem in Abhängigkeit vom Nodalstatus untersucht. Hintergrund dafür sei, dass die Chemotherapie in den vergangenen Jahren für die Optimierung der postneoadjuvanten Therapie beim EBC an Bedeutung gewonnen habe, betonte Thurmann. Bezüglich der axillären Chirurgie bestünden jedoch weiterhin Unklarheiten, speziell bei Patientinnen mit einem positiven Nodalstatus vor Therapiebeginn (cN+), die nach einer PST keine befallenen Lymphknoten in der Axilla mehr aufweisen (ycN0). Die Hoffnung sei, bei diesen Frauen auf die ALND verzichten zu können.
FNR von 35 % laut histopathologischem Befund
Die 720 Patientinnen mit mehrheitlich (93,3 %) invasiv duktalem Mammakarzinom hatten zwischen 2018 und 2022 eine PST erhalten. Initial hatte knapp die Hälfte (n = 309/720) befallene axilläre Lymphknoten (cN+; mehrheitlich cN1). Von diesen 309 Patientinnen erreichten 203 unter der PST einen ycN0-Status, der mittels Bildgebung (Ultraschall, Mammografie, Magnetresonanztomografie) verifiziert wurde. Der Pathologe detektierte jedoch in der Histologie bei 71 dieser Patientinnen noch einen Tumornachweis (pN+), was eine Falsch-Negativ-Rate (FNR) von 35 % bedeute, erklärte Thurmann. Bei den 409 Frauen, die initial cN0 waren, betrug die FNR knapp 10 %: Hier entdeckte der Pathologe 40 Patientinnen mit einem Tumornachweis (ypN+).
Axilläre Chirurgie und Nodalstatus
Von den 203 konvertierten Patientinnen (von initial cN+ zu ycN0) erhielten 90 Frauen eine ALND, von denen die Hälfte (n = 49/90) einen histopathologisch bestätigten ypN0-Status aufwies. Bei den Patientinnen ohne eine Lymphknotenkonversion (n = 81/309) wurde mehrheitlich eine ALND durchgeführt (n = 64/81; 79 %), gefolgt von 18,5 % (n = 15/81) mit einer „targeted axillary dissection“ (TAD). Bei 24 der 81 Patientinnen ergab der histopathologische Befund trotz ycN+ und initialer cN+-Situation einen ypN0-Status, was ein FNR von 30 % bedeute, sagte Thurmann.