„Age does matter.“ Mit diesen Worten leitete Prof. Demetris Papamichael, Nicosia, Zypern, seinen Vortrag über die Herausforderungen bei der Behandlung und Betreuung älterer Erkrankter mit GI-Tumoren ein. Komorbiditäten, eine oftmals eingeschränkte Funktionalität und Kognition sowie psychosoziale Einschränkungen, die zur verminderten Behandlungstoleranz führten, machten die Betreuung betagter Patienten oftmals zur Herausforderung, erklärte er.
Menschen, die im höheren Lebensalter neu an einem GI-Tumor erkrankten, hätten zudem eine höhere Wahrscheinlichkeit als jüngere, dass bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium vorliege, so der Experte. Interessanterweise gebe es auch Unterschiede hinsichtlich der Tumorbiologie. So seien CRC im höheren Lebensalter eher rechtsseitig lokalisiert und zeigten häufiger eine ausgeprägte Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) und mehr BRAF-Mutationen.
Auch beim Magenkarzinom seien Unterschiede zwischen Jung und Alt dokumentiert: So seien Tumoren bei Älteren häufiger im distalen Drittel lokalisiert, gut bis moderat differenziert und bildeten bevorzugt Lebermetastasen, stellte Papamichael dar.
Diese Komplexität zusammen mit der begrenzten Lebenserwartung der Betroffenen führte dazu, dass ältere Erkrankte mit GI-Tumoren in klinischen Studien deutlich unterrepräsentiert seien und reduzierte Evidenz zu deren Behandlungsmöglichkeiten vorlägen, berichtete Papamichael. Allerdings – darauf wies der Onkologe nachdrücklich hin – handele es sich bei älteren Erkrankten mit GI-Tumoren um eine „physiologisch heterogene“ Population, für die unterschiedliche Behandlungsziele definiert werden müssten.
Als wesentliche Basis für Therapieentscheidungen sei deshalb ein geriatrisches Assessment (GA) zu fordern. Nur so sei es möglich, Unter- und Übertherapien zu vermeiden. Während fitten Erkrankten intensivere Therapien ermöglicht werden sollten, sollten gebrechlichen Erkrankten belastende Therapiestrategien erspart bleiben, betonte Papamichael. Es liege Evidenz aus randomisierten Studien vor, dass GA zu einer reduzierten Toxizität für die älteren Behandelten führen könne. „Das ist heute internationaler Konsensus und in Leitlinien abgebildet“, hob der Experte hervor, wenngleich bislang kein Einfluss auf das Gesamtüberleben gezeigt werden konnte.
Lokalisiertes Rektumkarzinom: Operieren oder nicht?
Die Versorgung von Erkrankten mit lokalisiertem Rektumkarzinom sei derzeit suboptimal, betonte Dr. Isacco Montroni, Ravenna, Italien. Es gelte vielfach immer noch das Dogma, ab einem bestimmten Alter keine großen Operationen (OPs) gegen Darmkrebs mehr durchzuführen, wobei oft nicht zwischen dem chronologischen und dem biologischen Alter der Betroffenen unterschieden werde. Dieses Vorgehen resultiere in erhöhten Todesraten von älteren Patienten mit GI-Tumoren, weil fitten Erkrankten lebensverlängernde Behandlungen vorenthalten würden, meinte er.
Montroni sprach sich für einen „multidimensionalen Multiphase Pathway“ aus, der geriatrische Interventionen vor und nach der OP integriere. Im Vorfeld sei eine ausführliche Anamnese essenziell, um die Frailty des Patienten einzuschätzen. Dabei werde anhand verschiedener Kriterien, welche physische, psychische und soziale Parameter umfassten, beurteilt, ob ein Patient eine OP verkraften würde. Daneben sollten die Charakteristika der Krebserkrankung und der Patientenwunsch in die Therapieentscheidung einfließen, erklärte er.
Falls die Entscheidung für eine OP gefallen sei, müsse ein Teil der Erkrankten darauf vorbereitet werden – etwa durch eine Steigerung der körperlichen Aktivität, durch eine Ernährungsumstellung oder durch psychologische Unterstützung. Mittels einer solchen „Prähabilitation“ erweitere sich der Kreis der Patienten, die einer chirurgischen Intervention zugänglich seien. Im Fokus stehe immer die funktionale Genesung der Betroffenen – also das Ziel, den Alltag auch nach der OP unabhängig bestreiten zu können. Gebrechliche Erkrankte hätten in der Regel keinen Nettobenefit von einer OP und profitierten eher von supportiven Therapiemaßnahmen, sagte Montroni.
Lebermetastasen beim mCRC resezieren? Die fünf großen I helfen bei der Einschätzung
Dr. Stephen W. Fenwick, Liverpool, Großbritannien, widmete sich in seinem Vortrag der Frage, ob bei älteren Patienten mit CRC und Lebermetastasen eine Resektion der hepatische Filiae möglich sei. Auch bei dieser Entscheidung für oder gegen den potenziell lebensverlängernden Eingriff stehe die Abschätzung der Frailty der Erkrankten im Fokus, allen voran eine möglicherweise vorliegende Sarkopenie. Fenwick schlug einen neuen Ansatz zur perioperativen Betreuung von Patienten mit möglicherweise geplanter OP vor, den „Liverpool Perioperative Care for Older People undergoing Surgery (POPS) Service“. Anhand dieses Ansatzes sollten alle älteren Patienten mit geplanter Lebermetastasenresektion gescreent werden. POPS erfasst laut Fenwick die fünf großen I:
- Immobilität
- Instabilität
- Inkontinenz
- Impaired Intellect (eingeschränkte intellektuelle Leistungsfähigkeit)
- Iatrogene Schäden
Mit einem solchen modernen Ansatz sei es möglich, realistische Therapieziele zu definieren und diese im Behandlungsteam zu diskutieren – unter Berücksichtigung der Polypharmazie der Betroffenen. So könnten laut Fenwick Patienten, die unmittelbar fit für die Metastasenresektion sind, von jenen unterschieden werden, die eine Prähabilitation benötigen, sowie jenen, die nicht von einer OP profitieren. Würden diese Frailty-Kriterien dagegen missachtet, schade das den Erkrankten, mahnte er. Vulnerable Personen, die übertherapiert würden, seien anschließend oft von fremder Hilfe abhängig. Nach Fenwicks Erfahrung sollte ein begleitendes GA zur Abschätzung der Gebrechlichkeit bei älteren Patienten mit CRC und geplanten OPs der Behandlungsstandard werden. Minimalinvasive Ansätze sollten bei älteren Erkrankten – falls möglich – bevorzugt werden.
Lokalisiertes Magenkarzinom: Wann perioperative Chemotherapie?
Dr. Mark Baxter, Dundee, UK, betonte, dass Personen mit operablem Magenkarzinom mit zunehmendem Alter seltener eine perioperative Chemotherapie erhielten. Dabei seien praktisch nur Informationen von jüngeren Patienten im Alter um die 60 Jahre verfügbar, die in klinischen Studien eine adjuvante oder perioperative Chemotherapie erhalten hätten. „Wir brauchen dringend Studienevidenz“, auch für ältere Erkrankte, forderte er. „Denn unsere Population mit Magenkarzinom altert.“
Auf Basis seiner klinischen Erfahrung sieht Baxter eine perioperative Chemotherapie mit dem FLOT-Regime in reduzierter Dosierung für fitte Erkrankte mit lokalisiertem Magenkarzinom, die sich als geeignet für die OP erwiesen haben, als „möglich, sicher und effektiv“ an. Zukünftige Studien müssten klären, ob gegebenenfalls eine Dosisreeskalation sinnvoll sein könnte. Vor der Therapieentscheidung sei aber „eine objektive Beurteilung der Gebrechlichkeit beziehungsweise der Notwendigkeit einer Prähabilitation von entscheidender Bedeutung.“ Auch eine alleinige OP könne in Erwägung gezogen werden, sagte Baxter.
GIANT: Studien bei älteren, vulnerablen Patienten sind möglich
Patienten mit Pankreaskarzinom über 70 Jahre erhalten seltener Resektionen, perioperative Therapien und palliative Chemotherapien als jüngere. Darauf wies Prof. Efrat Dotan, Philadelphia, PA/USA, hin. Bei älteren, die es bis zur Resektion geschafft hätten, seien allerdings die Outcomes kaum schlechter als bei jüngeren.
Auch Dotan forderte eine bessere klinische Evidenz für ältere Betroffene mit Pankreaskarzinom. Ein erster Schritt sei mit der kürzlich publizierten Phase-II-Studie GIANT gemacht worden [1]. Darin waren erstmals im randomisierten Setting bei 176 älteren, vulnerablen Erkrankten ab 70 Jahren mit neu diagnostiziertem Pankreaskarzinom zwei Therapieschemata miteinander verglichen worden: Gemcitabin (1.000 mg/m2)/nab-Paclitaxel (125 mg/m2) alle 14 Tage versus 5-Fluorouracil (2.400 mg/m2 über 46 h)/Leucovorin (400 mg/m2)/liposomales Irinotecan (50 mg/m2) alle 14 Tage. Die Definition der Vulnerabilität umfasste in der Studie: milde Beeinträchtigung des Funktionsstatus und der Kognition in einem GA, das Vorliegen von Komorbiditäten oder ein Alter von ≥ 80 Jahre. Die Studie ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Regimen hinsichtlich der Effektivität oder Toxizität und konnte damit wertvolle Evidenz für die vulnerable Population generieren. Vor allem aber zeigte GIANT laut Dotan beispielhaft: Klinische Studien sind bei entsprechender Planung auch mit älteren und gebrechlichen Erkrankten durchführbar.