Postneoadjuvante Therapieindividualisierung
Bei der Indikation zur adjuvanten Chemotherapie sollte diese neoadjuvant erfolgen. Prof. Wolfgang Janni, Ulm, erläuterte in seinem Überblick zur Systemtherapie primärer Mammakarzinome, dass dies dazu diene, um die operative Invasivität zu reduzieren, aber auch, um die Individualisierung der postneoadjuvanten Therapie zu ermöglichen. Bei Patientinnen, die mit der neoadjuvanten Chemotherapie (NACT) eine pathologische Komplettremission (pCR) erreichen, könne die operative Therapie zu einer „targeted axillary dissection“ (TAD) deeskaliert werden, wenn der Lymphknotenstatus zu N0 konvertiert.
Das „Arbeitspferd“ bei der Chemotherapie früher hormonrezeptorpositiver (HR+) Mammakarzinome sei nach wie vor die sequenzielle Anthrazyklin-Taxan-Therapie, konstatierte Janni. Dabei wird vor allem die dosisdichte Anthrazyklin-Therapie, gefolgt von wöchentlichem Paclitaxel, empfohlen. Das Gleiche gilt für triple-negative Mammakarzinome (TNBC): Hier wird die Addition von Carboplatin angeraten. Dies hat sich in der PEARLY-Studie bestätigt, die beim ASCO 2024 vorgestellt worden ist [1]. Ebenso besteht die Empfehlung für eine Immuntherapie mit Pembrolizumab ab cT2 oder bei Lymphknotenbefall. Bei Hinzunahme der Immuntherapie riet Janni von dosisdichten Chemotherapieregimen ab.
Beim TNBC und HER2-positiven (HER2+) Mammakarzinom sei die postneoadjuvante Therapieindividualisierung besonders wichtig, betonte er weiter. In Abhängigkeit vom Remissionsstatus könne man postneoadjuvant eskalieren oder deeskalieren. Die stärkste Individualisierung sei derzeit bei HER2+ Mammakarzinomen möglich. Bei Erreichen einer pCR kann eine Monotherapie mit Trastuzumab auf ein Jahr komplettiert werden, und bei einer non-pCR sollte das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) eingesetzt werden – dies verbessere das Gesamtüberleben (OS) signifikant [2].
Optimierung der endokrinen Therapie
Bei Patientinnen mit einem HR+ Mammakarzinom und einem erhöhten Rückfallrisiko kommen endokrine Kombinationstherapien sowie eine Chemotherapie zum Einsatz. In der Postmenopause sollte ein Aromatase-Inhibitor (AI) Tamoxifen ergänzen, egal ob als Sequenz oder als Upfront, und bei stark erhöhtem Risiko sollte die Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor – derzeit ist nur Abemaciclib zugelassen – erweitert werden, um das Fernmetastasenrisiko zu senken. Die Risikosenkung durch Abemaciclib in der monarchE-Studie [3] habe der einer Chemotherapie entsprochen, sagte Janni. Die Zulassung von Ribociclib in der Adjuvanz sei dieses Jahr zu erwarten, und zwar auch bei intermediärem Risiko, da in der NATALEE-Studie [4] bei diesen Patientinnen das Metastasierungsrisiko erheblich gesenkt wurde. Janni betonte außerdem die wichtige Rolle der zusätzlichen ovariellen Funktionssuppression (OFS) bei der adjuvanten ET prämenopausaler Patientinnen mit erhöhtem Risiko über zwei bis fünf Jahre „trotz der leider bestehenden Nebenwirkungen“. Am nebenwirkungsreichsten sei die Kombination aus AI und OFS.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Nicht nur beim TNBC, auch bei Patientinnen mit HR+ Mammakarzinom kann in 5 bis 7 % der Fälle eine BRCA-Keimbahnmutation vorliegen, die eine Therapieergänzung mit Olaparib ermöglicht. „Diese Patientinnen profitieren mit einer Verbesserung des OS“, erinnerte Janni.
SERDs in die Adjuvanz?
Ein Symposium beschäftigte sich mit neuen Entwicklungen der adjuvanten endokrinen Therapie (ET). PD Dr. Johannes Ettl, Kempten, eruierte, ob orale „selective estrogen receptor degraders“ (SERDs), die mit der Zulassung von Elacestrant in die Therapie des metastasierten HR+ Mammakarzinoms Einzug gehalten haben, auch in der Adjuvanz Fuß fassen könnten. Die Weiterentwicklung der HR-gerichteten Therapie sei sinnvoll, so Ettl. SERDs könnten effektiver sein, bei frühem Einsatz die Biologie des Krankheitsverlaufs verändern und ein günstigeres Nebenwirkungsprofil als Tamoxifen und AI haben. So könnten sie die Compliance erhöhen, fasste er mögliche Vorteile zusammen.
Zu den bisher überwiegend aus der metastasierten Situation bekannten Nebenwirkungen der SERDs gehören gastrointestinale Beschwerden, Bradykardien und Sehstörungen, aber auch Arthralgien, Fatigue und Hitzewallungen, zählte Ettl auf.
Daten zum frühen Einsatz von SERDs lieferte die Phase-II-Studie coopERA Breast Cancer [5]. Darin wurde das SERD Giredestrant neoadjuvant in einer Window-of-Opportunity-Phase untersucht. 221 Patientinnen erhielten entweder Giredestrant oder Anastrozol, dann jeweils dieselbe Therapie weiter plus Palbociclib über vier Zyklen. Die mittlere relative Ki-67-Reduktion nach zwei Wochen betrug –75 % unter Giredestrant und –67 % unter Anastrozol (p = 0,043).
Die häufigste Grad-3/4-Nebenwirkung war Neutropenie (26 %) unter Giredestrant plus Palbociclib versus 27 % unter Anastrozol plus Palbociclib. Schwerwiegende Nebenwirkungen waren mit 4 % unter Giredestrant doppelt so häufig wie unter Anastrozol (2 %). Arthralgien jeglichen Grades waren im Giredestrant-Arm seltener (11 vs. 19 %). Nur im Giredestrant-Arm traten Bradykardien auf (4,5 % alle Grade).
Weiter unbekannt sind die Toxizitätsprofile verschiedener SERDs bei längerer Einnahme. In einer Reihe laufender Studien untersucht man derzeit die Effektivität oraler SERDs im adjuvanten Setting: lidERA mit Giredestrant, CAMBRIA-1 mit Camizestrant, TREATctDNA mit Elacestrant und EMBER-4 mit Imlunestrant.