Die Bedeutung kommensaler Organismen – immerhin 2 kg Mikroorganismen, die auf der Darmschleimhaut verteilt sind – sei nicht hoch genug einzuschätzen, sagte Zitvogel. Die Mikroben seien nicht nur entscheidend an der Aufnahme von Nährstoffen im Darm beteiligt, sondern auch an der Reifung des Immunsystems (durch Elimination pathogener Arten). Zudem vermittelten sie Toleranz gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, indem sie Nahrungsmittelantigene „sichtbar“ machten und so die Integrität der Epithelbarriere sicherten. Diese natürlichen Prozesse seien beim CRC gestört, erklärte sie. Die Erkrankung sei mit einer Dysbiose der normalen kommensalen Darmmikrobiota assoziiert. So könnten das übermäßige Wachstum pathogener Arten sowie die Bildung von Biofilmen, die Metaboliten, Genotoxine und Antigene produzieren, die Karzinogenese und/oder die Bildung von Krebsmetastasen befeuern – insbesondere im rechtsseitigen Kolon [1].
Dysbiose: negativer Einfluss auf Immuntherapie
Eine gestörte Balance der Darmmikroben könne zudem das Ansprechen auf eine ICI-Behandlung negativ beeinflussen, die in jüngster Zeit im neoadjuvanten und metastasierten Setting verstärkt zum Einsatz kämen, sagte die Expertin. Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms sei dabei „der Schlüssel zum Ansprechen“. So sei bekannt, dass der Einsatz von Antibiotika zwei Monate vor bis 42 Tage nach der Immuntherapie den Behandlungserfolg relevant beeinträchtige [2]. Forschende arbeiteten derzeit intensiv daran, Wege zu finden, um das Ausmaß einer Dysbiose bei Patienten mit CRC zu beurteilen sowie die negativen Auswirkungen der mikrobiellen Dysbalance auf die ICI-Therapie zu minimieren.
Prognostische und prädiktive Mikrobiotamarker
Inzwischen wurden spezifische taxonomische Mikrobiomsignaturen identifiziert, die den Erfolg einer ICI-Therapie bei verschiedenen Entitäten positiv oder negativ beeinflussen. Auf dieser Basis wurden bereits prognostische und prädiktive Mikrobiotamarker vorgeschlagen. Ein solcher Marker sei das lösliche mukosale Adressin-Zelladhäsionsmolekül-1 (sMAdCAM-1), das von Venolen der Lamina propria exprimiert werde, erklärte Zitvogel. Eine intestinale Dysbiose wirke laut Zitvogel in diesem Kontext zweifach ungünstig: Zum einen wird die ileale Expression des MAdCAM-1-Gens vermindert, und zum anderen wandern MAdCAM-1-Rezeptor-tragende immunsuppressive regulatorische T-Zellen aus dem Darm in den Tumor hinein. Beides beeinträchtige sowohl die Immunüberwachung als auch die Wirksamkeit von ICI [3]. Die Analyse der sMAdCAM-1-Werte im Serum von Patienten sei daher ein guter Marker für eine Dysbiose im Darm und möglicherweise auch für eine Resistenz gegenüber einer ICI-Therapie, meinte Zitvogel.
Einer der wichtigsten Bestandteile eines gesunden Darmmikrobioms ist laut Zitvogel der Keim Akkermansia muciniphila (Akk), der adaptive Immunreaktionen unterstütze und zusammen mit anderen Arten den Erfolg von Immuntherapien fördere [1, 2]. Bei einigen Krebsentitäten sei es bereits gelungen, Patienten anhand der Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms – einschließlich Akk – zu stratifizieren und Assoziationen zur Wirksamkeit einer Immuntherapie herzustellen [4]. Das längerfristige Ziel sei es, Patienten mit einer schlechten Darmmikrobiota-Zusammensetzung zu identifizieren, ihr Mikrobiom therapeutisch zu beeinflussen – beispielsweise durch Nahrungsergänzungsmittel mit nützlichen Keimen oder die Transplantation von fäkalen Mikrobiota – und dadurch möglicherweise das Ansprechen auf eine Immuntherapie zu verbessern.