Steigende Hautkrebszahlen
Maligne Neubildungen der Haut führen die Deutschen Krebsstatistiken mit großem Abstand an. Hauptursache ist die natürliche wie künstlich erzeugte UV-Strahlung. Derzeit erkranken in Deutschland jährlich mehr als 330.000 Menschen neu an Hautkrebs, wobei maligne Melanome etwa 46.000 und die nicht melanozytären Hautkrebsarten 284.000 Fälle ausmachen [1]. In den vergangenen 20 Jahren sind die Fallzahlen von Hautkrebsneuerkrankungen deutschlandweit um 70 % gestiegen. Die Zahl der Todesfälle durch Hautkrebs wuchs im gleichen Zeitraum um 55 %, während sich die Todesfälle aufgrund von Krebserkrankungen insgesamt nur um 10 % erhöhten. Auch die Anzahl der Krankenhausbehandlungen von Hautkrebserkrankungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 2021 wurden 105.700 Menschen mit einer Hautkrebsdiagnose im Krankenhaus stationär versorgt – das waren knapp 75 % mehr Fälle als noch im Jahr 2001 [2].
Infolge klimatischer Veränderungen, die mehr Sonnenstunden und weniger Bewölkung zur Folge haben, steigt die Exposition der Bevölkerung mit natürlicher UV-Strahlung [3]. Die Prävalenz von Hautkrebs wird dadurch und im Hinblick auf demografische Entwicklungen der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich noch stärker ansteigen als in der Vergangenheit.
Verknappung ärztlicher Kapazitäten
Für die Versorgung von Hautkrebspatientinnen und -patienten stehen aktuell 6.382 Dermatologinnen und Dermatologen zur Verfügung [4]. In vielen Fällen sind Fachärztinnen und Fachärzte dort tätig, wo sie am wenigsten gebraucht werden. Dazu zählen wohlhabende Stadtteile in den Ballungszentren, die oft überversorgt sind. Im Vergleich dazu sehen sich ländliche Gegenden und ärmere Stadtteile mit einer zunehmenden Unterversorgung konfrontiert. Schon seit längerer Zeit ist im ländlichen Raum mit langen Wartezeiten für einen Hautarzttermin zu rechnen. Dazu sind zeitaufwendige Anfahrten quer durch die Region oder bis zur nächstgrößeren Stadt in Kauf zu nehmen.
Zahlreiche Fachärztinnen und -ärzte erreichen im Moment das Alter für die Pensionierung. Berufsverbände fürchten, dass der Nachwuchs für das Fach Dermatologie ausbleibt. Insgesamt gibt es eine zu geringe Anzahl an Studienplätzen in der Medizin. Deswegen gibt es nicht genug examinierte Medizinerinnen und Mediziner, die sich aber einer stetig wachsenden Bevölkerung gegenübersehen.
Des Weiteren ist die fachärztliche Ausbildung extrem lang, schwierig und arbeitsaufwendig; nicht alle sind dazu bereit. In Anbetracht dieser Entwicklungen, der hohen Fallzahlen von Hautkrebs mit steigender Prognose und der Tatsache, dass auf Hautkrankheiten spezialisiertes Fachpersonal neben Hautkrebs eine Vielzahl unterschiedlicher Hauterkrankungen behandeln muss, droht langfristig deutschlandweit eine Unterversorgung von Hautkrebsbetroffenen.
Prävention: Hautkrebs verhindern statt nur heilen
Angesichts dieser Herausforderungen im Gesundheitswesen bietet die primäre Prävention – die Vermeidung des Auftretens von Hautkrebs – das größte Potenzial, die Krankheitslast in der Bevölkerung zu verringern, ärztliche Kapazitäten zu schonen und Kosten einzusparen.
Für die Entstehung von Hautkrebs spielt die UV-Strahlung die entscheidende Rolle. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat daher im Jahr 2009 sowohl die natürliche als auch die künstliche UV-Strahlung – neben Asbest und Tabak – als Karzinogen der Gruppe 1 eingeordnet [5]. UV-Strahlung ist damit in die Gruppe von Substanzen und Strahlenqualitäten eingeteilt, die für den Menschen das nachweislich höchste karzinogene Potenzial besitzen. Als natürlicher Bestandteil der Sonnenstrahlung ist eine immer wiederkehrende UV-Exposition unvermeidbar und betrifft deshalb die gesamte Bevölkerung in allen Lebenslagen. Folgerichtig werden von der World Health Organisation (WHO) Empfehlungen zur Krebsbekämpfung in der EU herausgegeben [6], die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen: der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung. Zum Umgang mit UV-Strahlung wird Folgendes empfohlen:
- Vermeidung übermäßiger UV-Exposition, insbesondere bei Kindern,
- Anwendung von Sonnenschutzmaßnahmen und
- keine Nutzung von Solarien.
Risiken- und Nutzenwahrnehmung von UV-Strahlung
Das Wissen um UV-Risiken ist insgesamt in der Bevölkerung vorhanden und realistisch. Die Einschätzung der Schwere von gesundheitlichen Folgen durch UV-Exposition (z. B. Sonnenbrand, Hautkrebs und Hautalterung) ist zwar insgesamt hoch ausgeprägt, die ganz persönliche Gefährdung durch UV-Exposition wird hingegen manchmal auch unterschätzt und ist im Alltag nicht so präsent. Insbesondere Männer verfügen im Vergleich zu Frauen über weniger Wissen zum UV-Schutz und weisen eine geringere Risikowahrnehmung diesbezüglich auf. Auch Jugendliche und junge Erwachsene haben Wissensdefizite in puncto UV-Schutz und nehmen die Gesundheitsrisiken, die mit der UV-Strahlung verknüpft sind, nicht so gravierend wahr wie ältere Personen.
Zusätzlich ist die Nutzenwahrnehmung der UV-Exposition bei einem Großteil der Bevölkerung nach wie vor hoch:
- Gebräunte Haut wird als attraktiv wahrgenommen, und
- Sonne auf der Haut wird als positiv empfunden.
Dies erschwert die Motivation, Schutzmaßnahmen umzusetzen, auch wenn die Risiken weitestgehend bewusst sind [7].
Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von kosmetischen UV-Schutz-Produkten. Die beliebteste UV-Schutz-Maßnahme der Deutschen ist die Anwendung von Sonnenschutzmitteln. Knapp 80 % der Bevölkerung zwischen 14 und 45 Jahren nutzen kosmetische Produkte zum Schutz der Haut vor UV-Strahlung, zumindest an sonnigen Sommertagen und wenn der Aufenthalt draußen länger als 15 Minuten dauert. Ein Unterscheidungsmerkmal zu den Personen gleichen Alters, die selten oder niemals Sonnenschutzmittel verwenden, ist das gezielte Bräunen. Menschen, die sich bräunen, tragen eher kosmetische UV-Schutz-Produkte auf als jene, die keine Sonnenbäder nehmen [8].
Hier wird die Diskrepanz zwischen Risikobewusstsein und Nutzenwahrnehmung deutlich. Die beste Strategie, sich vor Hautkrebs zu schützen, wäre die konsequente Vermeidung von Sonnenbädern. Sonnenschutzmittel können – richtig angewandt – lediglich das Auftreten von Hautrötungen und Sonnenbränden verzögern; DNA-Schäden, aus denen sich im Laufe des Lebens Hautkrebs entwickeln kann, entstehen dennoch. Hier stellt sich zusätzlich die Frage, ob der Bevölkerung dieser Zusammenhang hinreichend bewusst ist.
Potenzial der ärztlichen UV-Schutz-Beratung
Bisher sind Medien die zentrale Informationsquelle für Hautkrebs, UV-Strahlung und UV-Schutz innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die Informationsqualität ist häufig gering. In Teilen wird irreführend oder falsch informiert, insbesondere über Vitamin D und UV-Schutz-Maßnahmen [7].
Gleichzeitig weist mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine geringe Gesundheitskompetenz auf. Von den vier Schritten bei der Informationsverarbeitung (Finden, Verstehen, Beurteilen, Anwenden) fällt der Bevölkerung die Beurteilung von Informationen am schwersten: Fast drei Viertel der Deutschen finden die Einschätzung von Gesundheitsinformationen problematisch. Das deutet an, dass die seit geraumer Zeit zu beobachtende Ausweitung von Informationen – auch die von Fehl- und Falschinformationen – für die Bevölkerung erhebliche Probleme aufwirft und dazu führt, dass auch die Anwendung von Gesundheitsinformation zunehmend schwierig wird [9].
Ärztinnen und Ärzten wird nach wie vor großes Vertrauen entgegengebracht. Ärztliche Informationen haben einen hohen Stellenwert innerhalb der Bevölkerung. Aus mehreren Studien liegt Evidenz dafür vor, dass individualisierte Interventionen (individuelle Risikobewertung, ärztliches Gespräch) die Chancen für eine Beeinflussung des Verhaltens erhöhen. Eine Untersuchung zeigte bereits im Jahr 2011, dass eine persönliche Beratung zum Sonnenschutzverhalten während einer ärztlichen Konsultation auch drei Jahre nach der Intervention noch zu einem verbesserten Sonnenschutzverhalten führt [7]. Folglich könnten Ärztinnen und Ärzte eine zentrale Rolle innerhalb der Primärprävention von Hautkrebs spielen. Insbesondere die Fachrichtungen Dermatologie, Allgemeinmedizin und Pädiatrie würden mit einer planmäßigen UV-Schutz-Beratung viel bewirken. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dieses Potenzial erkannt. Regelhaft sind UV-Schutz-Beratungen innerhalb des gesetzlichen Hautkrebs-Screenings (HKS) durch die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie [10] sowie im Rahmen der Kinder-Früherkennungsuntersuchung U5 durch die Kinder-Richtlinie bereits vorgesehen [11].
Die Nutzung ärztlicher Gespräche für Hinweise auf die richtigen UV-Schutz-Maßnahmen wäre – insbesondere in den Frühlings- und Sommermonaten – auch außerhalb dieser beiden Konsultationsanlässe wünschenswert.
Ärztliche UV-Schutz-Beratung: Was ist wichtig?
Ärztinnen und Ärzte haben im Deutschen Gesundheitssystem begrenzte zeitliche Kapazitäten für beratende Tätigkeiten. Der gesamte Kontakt dauert im Durchschnitt knapp acht Minuten pro Patientin oder Patient [12]. Mit der richtigen Strategie kann die UV-Schutz-Beratung kurz und knapp gehalten und innerhalb von wenigen Minuten erledigt werden. Es ist dabei ausreichend, die Inhalte auf die wesentlichen Kernbotschaften zu reduzieren (Abb. 1).