Unverändert stehe beim primären Ovarialkarzinom die primäre Operation mit dem Ziel der makroskopischen R0-Resektion im Fokus, an die sich die adjuvante medikamentöse Therapie anschließe, so Prof. Sven Mahner, München. Die R0-Resektion sei ein entscheidender Faktor für die weitere Prognose. Was hier versäumt wird, lasse sich im weiteren Therapie- und Krankheitsverlauf „nicht mehr aufholen“, betonte er. Für das neoadjuvante Konzept mit primärer Chemotherapie und nachfolgender Intervalloperation fehle die Evidenz, weshalb dies nur im Einzelfall eine Option sei, wie bei nicht operablen Tumoren/bei nicht zu erwartender R0-Resektion.
Primäre operative Therapie
Mit Spannung werden laut Mahner die Ergebnisse der internationalen Phase-III-Studie TRUST erwartet, die beim fortgeschrittenen, operablen primären Ovarialkarzinom (FIGO-Stadium IIIB–IVB) die primäre Operation mit dem neoadjuvanten Konzept vergleicht. Das Ergebnis dieser Studie werde den Therapiestandard definieren – egal, welches Ergebnis sie zeige, prophezeite Mahner.
Oft vernachlässigt, aber ganz wichtig ist laut Mahner der Nachweis von serösen tubaren intraepithelialen Karzinomen (STIC), die ein erhöhtes Risiko für ein „high-grade“ seröses Ovarialkarzinom (HGSOC) darstellen. Mit betroffenen Frauen sollte die Möglichkeit einer Staging-Operation diskutiert werden. Zwar gebe es noch keine Studiendaten, dass sich die Prognose durch die Operation verbessern lasse, aber die biologische Rationale sei sinnvoll. Die Hoffnung sei, über den Nachweis von STICs Ovarialkarzinome früher zu diagnostizieren und damit seltener fortgeschrittene Ovarialkarzinome mit entsprechend ungünstigerer Prognose behandeln zu müssen.
Medikamentöse Therapie des primären Ovarialkarzinoms
Etwa 25 % der Patientinnen haben bei Erstdiagnose ein frühes auf das Ovar beschränktes Karzinom, erläuterte Prof. Barbara Schmalfeldt, Hamburg-Eppendorf. Wichtig sei, dass dies anhand eines kompletten Stagings mit Exploration des gesamten Abdomens bestätigt wurde. Bei niedrigem Risiko könne auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden. Liegt jedoch ein „high-grade“ Karzinom mit positiver Spülzytologie vor, bestehe eine Indikation für eine adjuvante Carboplatin-basierte Chemotherapie.
Im primär fortgeschrittenen Stadium (Stadium II–IV) ist laut Schmalfeldt unverändert die Kombination Carboplatin/Paclitaxel (sechs Zyklen; alle drei Wochen) Erstlinienstandard. Ab dem Stadium III sollte zusätzlich eine Erhaltungstherapie erfolgen. Von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab über 15 Monate (= Standard) profitieren laut Schmalfeldt insbesondere Frauen mit hoher Tumorlast sowie jene mit „high-grade“ serösem Ovarialkarzinom beziehungsweise jene im FIGO-Stadium IV.
Erhaltungstherapie mit Bevacizumab oder PARP-Inhibitor
Bei hoher Tumorlast/weit fortgeschrittener Erkrankung ist die Erhaltungstherapie mit Bevacizumab auch für Patientinnen mit einem „low-grade“ Ovarialkarzinom eine Option, so diese mit Carboplatin/Paclitaxel plus Bevacizumab behandelt wurden. Zudem sei beim fortgeschrittenen „low-grade“ serösen Ovarialkarzinom eine endokrine Erhaltungstherapie nach vorheriger Chemotherapie ein interessanter Ansatz, meinte Schmalfeldt.
Bei den „high-grade“ serösen Ovarialkarzinomen findet sich ein hoher Prozentsatz an Patientinnen mit Keimbahnmutationen oder somatischen Mutationen in den BRCA1/2-Genen (gBRCA1/2 bzw. sBRCA1/2) oder anderen Defekten der homologen Rekombination (HRD+), welche die Rationale für den Einsatz eines PARP-Inhibitors sind. Bei Erstdiagnose sollten Patientinnen mit Ovarialkarzinom über dieses Risiko aufgeklärt werden. Auch sollte ihnen eine genetische Testung angeboten werden. Jene mit einem „high-grade“ serösen Ovarialkarzinom sollten laut Schmalfeldt zusätzlich auf HRD getestet werden. Für den klinischen Alltag gelte derzeit, dass die Patientinnen bei negativer Testung nach Erstlinienchemotherapie plus Bevacizumab für ein Jahr eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab erhalten sollten. Bei BRCA1/2-Mutationsnachweis und/oder HRD+ bestehe eine Indikation für Bevacizumab/Olaparib. Ist Bevacizumab nicht indiziert, folgt auf die Erstlinienchemotherapie (ohne Bevacizumab) ein PARP-Inhibitor (Olaparib bei Nachweis einer genetischen oder somatischen BRCA1/2-Mutation für zwei Jahre; Niraparib unabhängig vom BRCA1/2- und HRD-Status für drei Jahre). Der Stellenwert der Erhaltungstherapie mit Bevacizumab oder einem PARP-Inhibitor oder der Kombination Bevacizumab/PARP-Inhibitor wird in der OVAR-28-Studie beim fortgeschrittenen primären Ovarialkarzinom (Stadium IIIB/IV) nach Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel validiert.
Immuntherapie – eine Perspektive?
Bei HRD– bietet laut Schmalfeldt die Immuntherapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI) eine neue Perspektive. Zusätzlich zum PARP-Inhibitor eingesetzt, könne der ICI besser wirken, da der PARP-Inhibitor die Bildung von Neoantigenen unterstütze. In der DUO-O-Studie [1] verlängerte der ICI (Durvalumab), der zusätzlich zur Erstlinienchemotherapie plus Bevacizumab eingesetzt und im Rahmen der Erhaltungstherapie mit Bevacizumab plus einem PARP-Inhibitor kombiniert wurde, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) der HRD– Patientinnen statistisch signifikant. Da die Daten noch nicht publiziert sind, können sie laut Schmalfeldt aktuell nicht in die S3-Leitlinie einfließen.
Rezidivsituation im Fokus
In der Rezidivsituation erhalten derzeit nur etwa 10 bis 15 % der Patientinnen eine Tumorresektion, was laut Prof. Felix Hilpert, Hamburg, deutlich zu wenig sei. Auch bei rezidivierten Patientinnen müsse die Operationsfähigkeit abgeklärt werden. Ziel sei – analog zur Erstliniensituation – die makroskopische Komplettresektion (R0). Diese sei eine der wenigen Optionen, die in der Rezidivsituation die Gesamtüberlebenszeit nachweislich verbessern könnten.
Carboplatin sei auch in der Rezidivsituation die wichtigste, weil es die effektivste Substanz beim Ovarialkarzinom sei, betonte Hilpert. Carboplatin sollte so lange eingesetzt werden, bis es nicht mehr wirke oder nicht mehr vertragen werde. Es gebe kein „Line-Limit per se“. Manche Patientinnen profitierten von Carboplatin über vier bis fünf Therapielinien. Die kalendarische Einteilung in platinsensitives/platinresistentes Ovarialkarzinom mit dem Cut-off von sechs Monaten für das platin-/therapiefreie Intervall (TFIp) sei ein ungenauer Diskriminator und nicht mehr zeitgemäß.
Für platingeeignete Patientinnen seien unverändert Carboplatin/Gemcitabin, Carboplatin/Paclitaxel oder Carboplatin/liposomales pegyliertes Doxorubicin (LPG) – je mit oder ohne Bevacizumab – Standardoptionen in der Rezidivsituation. Zudem müsse der Einsatz einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab oder einem der drei zugelassenen PARP-Inhibitoren Olaparib, Niraparib oder Rucatinib geprüft werden. Eine Indikation für einen PARP-Inhibitor sieht Hilpert bei BRCA1/2-Mutationsnachweis oder HRD+, wenn das Ansprechen auf Platin sehr wahrscheinlich ist und wenn kein hoher Therapiedruck besteht, sowie bei Kontraindikationen gegen Bevacizumab. Bevacizumab sei vorzugsweise bei hohem Therapiedruck indiziert, wenn ein schnelles Ansprechen nötig sei, sowie bei Therapieversagen auf eine vorangegangene PARP-Inhibitor-Therapie.
Kommt der Einsatz von Platin nicht infrage, zum Beispiel bei schweren abdominellen Symptomen, sei eine zytostatische Monotherapie beispielsweise mit Gemcitabin, mit wöchentlicher Paclitaxel-Gabe, mit PLD oder mit Topotecan eine Option. Paclitaxel, PLD und Topotecan können gegebenenfalls in Kombination mit Bevacizumab eingesetzt werden, so bei Patientinnen ohne gastrointestinale Per-foration in der Vorgeschichte, ohne Subileus-Symptomatik und/oder mit gutem Ansprechen auf eine vorangegangene Platintherapie.
Eine potenzielle neue Option für „low-grade“ seröse Ovarialkarzinomrezidive sieht Hilpert in dem MEK-Inhibitor Trametinib, der in der Phase-II/III-Studie GOG 281 gegenüber dem Kontrollarm mit verschiedenen Standardtherapien das mediane PFS signifikant verlängert hatte [2]. Auch diese Daten sind noch nicht publiziert und werden aktuell keinen Eingang in die S3-Leitlinie finden können.