CAR-NK-Zellen im Einsatz der Immunonkologie

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2020.04.01

Die adoptive Immuntherapie ist ein vielversprechender Ansatz im Kampf gegen Krebs. Nach dem großen Erfolg und ersten Erfahrungen mit der Verwendung von CAR (chimärer Antigen-Rezeptor)-T-Zellen stehen weitere Immunzellen im Fokus der Wissenschaft. NK-Zellen sind durch ihr angeborenes Potenzial zur Vernichtung von Tumorzellen sowie virusinfizierten Zellen verheißungsvolle Kandidaten. Die Ausrüstung mit einem chimären Antigen-Rezeptor kann dieses Potenzial noch verstärken. Das geringe Nebenwirkungsprofil bei allogener Gabe prädestiniert sie als „off-the-shelf“-Produkt. Die Entwicklung des Produktes und Überwindung von Tumor-Immun-Escape-Mechanismen sowie die Optimierung der Herstellung stehen aktuell im Mittelpunkt wissenschaftlicher Bemühungen. Erste Ergebnisse klinischer Studien mit CAR-NK-Zellen belegen deren Wirksamkeit und Sicherheit. Dies kann den Weg für eine weitere hocheffiziente Therapie in der Immunonkologie ebnen.

Schlüsselwörter: CAR-NK-Zellen, chimärer Antigen-Rezeptor, natürliche Killerzellen, Immuntherapie, Arzneimittel für neuartige Therapien

Das Potenzial der NK-Zelle

Natürliche Killer (NK)-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil des angeborenen Immunsystems und eine starke Waffe unseres Körpers im Kampf gegen entartete Krebszellen und virusinfizierte Zellen. Ihr prozentualer Anteil im peripheren Blut innerhalb der Lymphozytenpopulation beträgt ca. 10–15 %. Charakteristisch für NK-Zellen ist die Expression des Antigens CD56 und das Fehlen von T-Zell-assoziierten CD3-Antigenen auf der Zelloberfläche. In Abhängigkeit von der Stärke der CD56-Expression werden zwei Subpopulationen unterschieden, wovon die eine zytotoxische Aktivität aufweist und die zweite durch die Sekretion von Zytokinen (z. B. IFNy, TNFα) immunregulatorische Aufgaben übernimmt. Im Gegensatz zu anderen Immunzellen sind NK-Zellen zu einer spontanen Lyse ohne vorherige Sensibilisierung befähigt. Daher spielen sie eine wichtige Rolle in der frühen Phase einer Immunantwort. Diese kann über das direkte Freisetzen zytotoxischer Granula (Perforin/Granzym B) oder das Auslösen eines Apoptosepathways durch Beteiligung von CD95L und TRAIL (Tumor Necrosis Factor Related Apoptosis Inducing Ligand) erfolgen. Welchen Weg die NK-Zelle wählt, unterliegt keinem Zufall, sondern ist gesteuert. So beobachteten Prager et al. das Umschalten von einem schnellen, durch zytotoxische Granula induzierten Zelltod auf eine langsamere Todesrezeptor-vermittelte Tötung, die eine Art Backup-Strategie für die NK-Zelle darstellt [1]. Ihre Stimulierung wird durch ein Repertoire an verschiedenen inhibierenden (Killer Cell Immuno­globulin-like Receptors, KIRs) und aktivierenden (Natural Cytotoxicity Receptors, NCRs; Natural Killer Group 2 Member D, NKG2D) Rezeptoren reguliert [2, 3]. Über die KIRs werden Zellen nach der von Kärre und Ljuggren aufgestellten „missing self“-Hypothese, die keine oder eine nur unzureichende Anzahl von MHC-Klasse-I-Molekülen (MHC = Major Histocompatibility Complex) auf ihrer Oberfläche aufweisen, erkannt und eliminiert [4]. NK-Zellen, deren KIRs keine entsprechenden Liganden auf der Zielzelle finden, können bei einem sogenannten KIR-Mismatch nicht effektiv inhibiert werden und greifen an. Ein weiterer funktionaler Mechanismus ist die Antikörper-abhängige zellvermittelte Toxizität (ADCC), möglich durch die Ausrüstung der NK-Zelle mit einem niedrig affinen Fcγ-Rezeptor III (CD16), der an den Fc-Teil eines IgG-Antikörpers binden und somit eine Immun­antwort auslösen kann. In der Summe zeugen diese natürlichen Fähigkeiten der NK-Zelle von ihrem hohen therapeutischen Potenzial (Abb. 1).

Von der autologen zur allogenen NK-Zelltherapie

Basierend auf den Erfahrungen der Stammzelltransplantation und den Limitationen der Donor-Lymphozyten-Infusionen (DLI) zur Rezidivprophylaxe und -behandlung rücken NK-Zellen zunehmend in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. 1985 beschrieben Rosenberg und seine Kollegen ein positives Ansprechen nach der Applikation autologer Lymphokin-aktivierter Killerzellen (LAK) und Interleukin-2 bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen [5]. Antileukämische Effekte, resultierend auf einem KIR-Mismatch, konnten vor allem nach haploidenter (nicht HLA-identischer) Stammzelltransplantation bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) verzeichnet werden [6, 7]. Als Folge dieser wissenschaftlichen Erkenntnis sind seit 2015 die KIR-Merkmale ein wichtiger Bestandteil des DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei)-Spenderprofils [8]. Durch neue Herstellungstechniken zur Anreicherung von NK-Zellen kam es zur Initiierung erster Studien mit adoptivem NK-Zell-Transfer, anfänglich noch mit geringen Patientenzahlen. Diese sollten die bisherigen Hypothesen eines antileukämischen Effektes ohne das Risiko des Auftretens einer Graft-versus-Host-Disease (GvHD) untermauern. Bekannt ist, dass die Proliferation und die Effizienz von NK-Zellen mithilfe von Zytokinen und Feeder-Zellen gesteigert werden kann. Eine weitläufig genutzte Methode ist die In-vitro-Stimulation und Expansion mit Interleukin-2. So konnte in einer präklinischen Studie bei Kindern nach haploidenter Stammzelltransplantation und adoptivem Zelltransfer hochaufgereinigter und IL-2-stimulierter NK-Zellen ein Ansprechen bis hin zu einer kompletten Remission erreicht werden, ohne das Auftreten einer nennenswerten GvHD-Symptomatik [9, 10]. Der anfänglich weitverbreitete Einsatz von Interleukin-2 fördert jedoch die Stimulation regulatorischer T-Zellen und zeigt einige Nebenwirkungen wie Myalgien und das vaskuläre Leak-Syndrom. Dies limitiert den Nutzen des Einsatzes von Interleukin-2 in der Tumortherapie. Die am meisten untersuchten Zytokine sind derzeit IL-2 und IL-15, aber auch IL-12, IL-18 und IL-21 werden getestet [11]. Trotz der Manipulation zur Steigerung der Zytotoxizität behindern die Bedingungen des Tumormikromilieus und diverse Tumor-Immun-Escape-Mechanismen (TIEM), wie die Sezernierung inhibierender Zytokine und das Abwerfen von Stressliganden, die Effizienz der NK-Zellen. Bei einer klinischen Phase-I/II-Studie mit adoptiver NK-Zelltherapie gerichtet gegen das Neuroblastom wurde das Shedding von löslichem MICA/B beobachtet. Damit können die Tumorzellen der Lyse, vermittelt über den die NK-Zelle aktivierenden NKG2D-Rezeptor, entgehen [12]. Um diese Abwehrmechanismen des Tumors zu durchbrechen, werden verschiedene therapeutische Strategien verfolgt. Der Einsatz monoklonaler Antikörper ist bereits im klinischen Alltag angekommen. Rituximab (anti-CD20) oder Trastuzumab (anti-ErbB2/HER2) unterstützen die funktionale Steuerung einer ADCC-Antwort der NK-Zellen. Immuncheckpoint-Inhibitoren, wie PD-1/PD-L1, NKG2A, CD94, TIM3, LAG-3, TIGIT und CD96, zielen auf die Rezeptoren der NK-Zelle oder deren Liganden auf der Tumorzelle und fördern damit das Durchdringen des Tumor Micro­environment durch die NK-Zellen. Resultierend aus Beobachtungen des Auftretens von Resistenzmechanismen setzt man in jüngster Zeit auf BiKEs und TRiKEs (Bispecific und Trispecific Killer Cell Engagers), eine neue Generation von Antikörpern, die eine oder auch mehrere spezifische Bindungen zwischen Krebs- und NK-Zelle herstellen und zur Aktivierung der Immunzelle führen [13, 14].

Genetisch modifizierte (CAR-)NK-Zellen

Die genetische Modifizierung nach dem Vorbild der CAR-T-Zelle ist ein weiterer Ansatz, um die Wirksamkeit des adoptiven NK-Zelltransfers zu verbessern und die TIEMs zu überwinden. So könnte die Therapie von einigen Vorteilen der NK-Zellen profitieren: (i) reduziertes Risiko einer malignen Transformation wegen der kürzeren Lebensdauer, (ii) geringeres GvHD-Risiko und (iii) Möglichkeit eines allogenen „off the shelf“-Produktes. Das Grundgerüst des CARs besteht aus einer extrazellulären Antigen-erkennenden Domäne, einer transmembranen Domäne und einer intrazellulären Signaldomäne. Die Signaldomäne CD3ζ und ein oder mehrere unterschiedliche kostimulatorische Signaldomänen, wie CD28 oder CD137 (4-1BB), werden für die Signalübertragung benötigt. Zur Optimierung der Signalübertragung werden NK-Zell-spezifischere Domänen wie NKG2D, CD244 (2B4) oder DAP10 und DAP12 getestet [15, 16]. Von Natur aus lässt sich die NK-Zelle nicht so einfach transduzieren. Die Effizienz der Transduktion ist von diversen Einflussfaktoren abhängig. So sind neben der Wahl des Vektorsystems auch die Wahl des Zeitpunktes und der Reagenzien nach einer Aufreinigung und Aktivierung für eine erfolgreiche Transduktion ausschlaggebend. Bei den viralen Vektorsystemen kommen lenti- oder retrovirale Vektoren zum Einsatz. Unter optimierten Bedingungen konnten mit alpha-retroviralen Vektoren Transduktionsraten von bis zu 60 % erreicht werden [17]. Alternativ werden nicht-virale präzisere Genom-Editing-Techniken wie CRISPR/Cas9- oder Sleeping Beauty (SB)- Transposon-Systeme getestet. In präklinischen und klinischen Studien adressieren die genetisch modifizierten NK-Zellen verschiedene Antigene. Ähnlich den CAR-T-Zellen finden sich darunter zur Behandlung von Leukämien und Lymphomen CD19, CD20, CD138, CD319 (SLAMF7 = Signalling Lymphocytic Activation Molecule Family Member 7), BCMA (B-Cell Maturation Antigen), CD3, CD5, CD7, CD33 und CD123. Bei der Behandlung solider Tumoren stehen unter anderem Kandidaten wie Mesothelin, PSMA (Prostata-spezifisches Membran­antigen), ROBO1 (Roundabout Guidance Receptor), MUC1, HER2/ErbB2 (humaner epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor) und GD2 (Disialoganglioside) auf der Liste. Aber auch alternative CARs, die nicht auf ein spezifisches Antigen abzielen, sondern beispielsweise zur Verstärkung der NKG2D-Rezeptorexpression beitragen, sollen helfen, die Zytotoxizität zu steigern. Gängige Quellen für die Isolation primärer NK-Zellen sind peripheres Blut, Apheresat, Knochenmark und Nabelschnurblut. In einem ca. 14-tägigen aufwendigen Herstellungsprozess werden unter GMP-Bedingungen die Zellen isoliert, aktiviert, transduziert, expandiert und final formuliert. Erste Arbeitsgruppen bemühen sich um eine Automatisierung der Herstellung [18]. Präklinisch testet man die Ableitung von CAR-NK-Zellen aus induzierten pluripotenten oder auch embryonalen Stammzellen, deren Herstellung ebenfalls sehr komplex ist. Eine weitere zur Verfügung stehende Quelle sind humane NK-Zelllinien, wie zum Beispiel NK-92. Sie sind gut charakterisiert, leichter verfügbar und nicht so aufwendig in der Herstellung. Ihr klonaler Ursprung erfordert jedoch als spezielle Sicherheitsmaßnahme die Bestrahlung zur Proliferationskon­trolle. Obwohl bisher bei einem adoptiven CAR-NK-Zelltransfer keine schweren Nebenwirkungen wie Zytokinsturm oder Neurotoxizität zu beobachten waren, erfolgt aus Sicherheitsgründen bei einigen CAR-NK-Zellprodukten der Einbau einer induzierbaren Caspase 9. Dieses sogenannte Suizidgen kann bei Bedarf pharmazeutisch aktiviert werden und führt zur Apoptose der Zellen. Der Nachteil der zu kurzen In-vivo-Persistenz wird durch eine zusätzliche genetische Ausrüstung mit einem IL-15-Gen optimiert [19]. Diese Reihe von Fortschritten in den Entwicklungen zur Optimierung sowie zuversichtliche präklinische Forschungsergebnisse haben weitere klinische Studien mit CAR-NK-Zellen auf den Weg gebracht.

Klinische CAR-NK-Zell-Studien

Im Vergleich zu mehr als 500 in ClinicalTrials.gov registrierten klinischen Studien mit CAR-T-Zellen sind hingegen nur einige wenige CAR-NK-Zell-Studien gelistet (Tab. 1).

Tab. 1: Registrierte klinische CAR-NK-Studien (https://clinicaltrials.gov/, abgerufen am 16.07.2020).

 

Erste Ergebnisse innerhalb einer Phase-I/II-Studie (NCT03056339), wenn auch vorerst noch mit geringen Patientenzahlen (n = 11), präsentieren vielversprechende Resultate. So zeigte sich bei 73 % der Patienten nach der Gabe von HLA-mismatched anti-CD19 CAR-NK-Zellen (CD19-CD28-zeta-2A-iCasp9-IL15), hergestellt aus Nabelschnurblut, ein positives Ansprechen bei rezidivierten bzw. refraktären CD19-positiven Non-Hodgkin-Lymphomen oder chronisch-lymphatischer Leukämie ohne das Auftreten größerer toxischer Nebenwirkungen. Die infundierten Zellen persistierten bis zu einem Jahr [20]. Eine zulassungsrelevante Studie soll voraussichtlich im Jahr 2021 starten. Laut Dr. Katy Rezvani besteht das Ziel in einer ambulanten gebrauchsfertigen Verabreichung. Erste Grundlagen wurden durch die geplante Zusammenarbeit von Takeda (Takeda Pharmaceutical Company Limited, Japan) und dem MD Anderson Cancer Center der Universität Texas zur Entwicklung einer Plattform für CAR-NK-Zelltherapien geschaffen. Die Firma Fate Therapeutics und die Universität von Kalifornien in San Diego starteten im Jahr 2019 eine erste Studie mit einem iPS-abgeleiteten off-the-shelf Zellprodukt. In weiteren klinischen Studien testet das Chan Soon-Shiong Institute for Medicine transduzierte hochaffine NK-92-Zellen (t-haNK), ein off-the-shelf Produkt der Firma NantKwest. Neben den Vorreitern aus den USA ist China bei der Durchführung von CAR-NK-Zellstudien zahlenmäßig weltweit führend. Die einzige in Europa laufende Studie ist eine Phase-I-Studie mit einer intrakraniellen Injektion von NK-92/5.28.z-Zellen bei Patienten mit rezidiviertem HER2-positivem Neuro­blastom. Aufgrund der aktuell weltweiten Ausbreitung von COVID-19 und den fehlenden Therapieoptionen begrenzt sich der Einsatz von CAR-NK-Zellen nicht mehr nur auf das Gebiet der Immunonkologie. Im März dieses Jahres erfolgte der Start einer Phase-I/II-Studie mit universalen off-the-shelf NKG2D-ACE2 CAR-NK-Zellen zur Behandlung schwerer Corona-Infektionsverläufe. Die genmodifizierten NK-Zellen zielen auf das S-Protein des Virus und den NKG2D-Liganden auf der Oberfläche infizierter Zellen.

Fazit

Um die Vor- und Nachteile von CAR-NK-Zelltherapien diskutieren zu können, bedarf es der Initiierung weiterer klinischer Studien mit größeren Patientenkohorten. Resultierend aus den Erfahrungen des allogenen NK-Zelltransfers sollten Überlegungen zu effektiven Kombinationstherapien folgen. Die Konstruktion des idealen Vektors, die Modifikation der Signalkaskade und die eingesetzten Techniken zur genetischen Manipulation unterliegen derzeit weiteren Optimierungsprozessen und müssen hinsichtlich der Auswirkungen auf die NK-Zelle untersucht werden. Die Herausforderungen der Prozessoptimierung bis hin zur Automatisierung und Digitalisierung der Herstellung werden ein weiterer Schwerpunkt von Entwicklungsarbeiten sein müssen. Nur dann sind die Grundlagen geschaffen, dass die CAR-NK-Zelltherapie ein Erfolgsmodell in der Immun­onkologie wird.

Interessenkonflikt
Ulrike Köhl gibt an, als Beraterin in der Immunonkologie tätig zu sein für AstraZeneca, Affimed, Glycostem und GammaDelta sowie hinsichtlich der Herstellung von CAR-T-Zellen in Kooperationen zu stehen mit den Firmen Novartis und Miltenyi Biotec.

 

Autoren
Andrea Quaiser
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie
Dr. Lubomir Arseniev
Institut für Zelltherapeutika
Medizinische Hochschule Hannover
Prof. Dr. Ulrike Köhl
Universität Leipzig, Medizinische Hochschule Hannover und Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie
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