Impfstoffentwicklung gegen die Pandemie: Erste Impfstoffe auf der Zielgeraden

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2020.04.03

Gegen COVID-19 werden mittlerweile mehr als 220 Impfstoffkandidaten entwickelt. Für zwei davon läuft bei der EMA das Zulassungsverfahren mit Chance auf Zulassung Ende Dezember/Mitte Januar; für zwei weitere werden die Ergebnisse aus Tier- und ersten Humanstudien schon in einem „rolling review“ geprüft, während die Phase-III-Ergebnisse noch ermittelt werden. Deutsche Unternehmen und Institute sind mit zwölf eigenen Impfstoffen und Beiträgen zur Entwicklung und Produktion weiterer Impfstoffe beteiligt.

Schlüsselwörter: COVID-19, SARS-CoV-2, Impfstoff, mRNA, Vektorviren

Trotz hoher Dringlichkeit hatten sich die meisten Zulassungsbehörden – darunter die von EU, USA und Japan – darauf verständigt, kein Zulassungsverfahren nur auf Basis von Phase-II-Daten in Betracht zu ziehen. Auch neun führende Hersteller erklärten am 8. September, Zulassungen erst nach Vorliegen von Wirksamkeits- und Verträglichkeitsdaten aus den mehrere zehntausend Teilnehmer umfassenden Phase-III-Studien anzustreben [3]. Sie widersetzen sich damit politischem Druck vor allem aus den USA.
Nur in China und Russland wurden einige Impfstoffe bereits nach Phase II zugelassen [1]. Die Entwickler erproben diese Impfstoffe aber auch noch weiter in Phase III. In der EU haben sie bislang keine Zulassung beantragt.

Advantage mRNA?

Die zwei fortgeschrittensten Projekte arbeiten mit mRNA-Impfstoffen. Ihre Phase-III-Studien ergaben 95 % (BioNTech/Pfizer) bzw. 94 % (Moderna) Wirksamkeit hinsichtlich der Verhinderung symptomatischer und laborbestätigter COVID-19-Erkrankungen [4, 5]. Das setzt eine anspruchsvolle Benchmark. Es ist zugleich auch der Proof of Principle, dass überhaupt bei Menschen mit mRNA-Impfstoffen eine Schutzwirkung erzielt werden kann. Bisher wurde ja noch kein solcher Impfstoff dieser Art fertig entwickelt.
Ebenfalls weit fortgeschritten sind Projekte von AstraZeneca und Janssen mit Vektorvirus-Impfstoffen. Für eins der erprobten Dosierungsschemata hat Astra­Zeneca in einer Zwischenauswertung 90 % Wirksamkeit ermittelt [6]. Unter den übrigen Projekten in Phase III finden sich weitere Impfstoffe mit Vektorviren sowie mit inaktivierten SARS-CoV-2 und rekombinanten Virusantigenen [1]. Sie alle könnten nur Wochen bis Monate nach BioNTech/Pfizer ebenfalls zu einer Zulassungseinreichung kommen. Und von allen diesen Impfstoffen müssen wichtige Effektivitätskriterien erst noch geklärt werden:

  • ob sie Geimpfte auch davor schützen, selbst symptomlos andere anzustecken,
  • wie lange sie immunisieren,
  • ob sie manche Personengruppen nur schlecht immunisieren,
  • und ob sie auch für Minderjährige geeignet sind, und in welcher Dosierung.

Bei einem adjuvantierten Subunit-Impfstoff wurde allerdings in Phase I/II festgestellt, dass er bei Senioren nur eine schwächere Immunantwort hervorruft [7]. Mit einer geänderten Formulierung soll das verbessert werden. Insgesamt ist es noch zu früh, um eine bestimmte Technologie für über- oder unterlegen einzustufen.
Hinsichtlich der Applikation unterscheiden sich die fortgeschrittenen Impfstoffe übrigens nicht; alle müssen injiziert werden. Oral anwendbare Impfstoffe haben erst Phase I erreicht; nasale sind noch nicht in klinischer Erprobung.

Deutschlands Bedeutung wächst weiter

Die Mitwirkung von Unternehmen und Forschungsgruppen speziell in Deutschland wächst mit jedem Monat weiter. So stammen mittlerweile zwölf Impfstoffkandidaten aus deutschen Laboren. Unternehmen und Institute unterstützen darüber hinaus noch viele weitere Projekte für Impfstoffe, die in anderen Ländern erfunden wurden, mit Beiträgen zur Entwicklung oder Produktion. Das zeigt auch eine interaktive Karte unter www.vfa.de/corona-impfstoffe.

Autor
Dr. Rolf Hömke
Forschungssprecher
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V.
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