Immunotyping: Alternative oder Notlösung?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.04.07

Bei der Untersuchung auf Plasmazellneoplasien kommen nach Empfehlung der International Myeloma Working Group die Serumquantifizierung freier Leichtketten, die Serumproteinelektrophorese und die Serum-Immunfixationselektrophorese zum Einsatz. Mit der Immuntypisierung steht ein (semi-) automatisiertes Verfahren zum Nachweis und zur Typisierung von monoklonalen Komponenten zur Verfügung.

Schlüsselwörter: Immunglobuline, Antikörper, Kapillarelektrophorese, Immunsubtraktion, MALDI-TOF/MS

Immunglobuline sind die zentralen Elemente der humoralen Immunantwort. Typischerweise werden für die Erkennung von und die Auseinandersetzung mit Antigenen polyklonale Antikörper gebildet. Der Nachweis einer monoklonalen Antikörperproduktion im Serum – entweder als komplette oder inkomplette Moleküle – ist stets als pathologisch zu betrachten und bedarf einer weiteren Abklärung. Ursächlich sind in der Regel Erkrankungen, die in der aktuellen Version der WHO-Klassifikation hämatolymphoider Tumoren in der Kategorie „Plasmazellneoplasien und andere Erkrankungen mit Paraprotein“ erfasst werden. Daneben kommen auch reifzellige B-Zell-Neoplasien infrage. Ein Teil der monoklonalen Immunglobuline präzipitiert bei niedrigen Temperaturen; solche Kryoglobuline stellen insbesondere an die Präanalytik hohe Anforderungen.

Entgegen der landläufigen Meinung ist die Serumelektrophorese allein nicht ausreichend, um alle Plasmazellneoplasien zu identifizieren (oder auszuschließen). Dies liegt an der unterschiedlichen Sensitivität der Verfahren zur Detektion monoklonaler Antikörper oder deren Fragmente. Es müssen also verschiedene Methoden kombiniert werden, um Sensitivitätslücken der einzelnen Verfahren zu kompensieren. Die Internationale Myelom-Arbeitsgruppe empfiehlt daher für die Untersuchung auf Plasmazellneoplasien

  1.  die Serumquantifizierung freier Leichtketten (FLC),
  2.  die Serumproteinelektrophorese (SPE) und
  3.  die Serum-Immunfixationselektro­phorese (IFE) [1].

Damit ist eine Sensitivität von über 98 % möglich [2]. Die früher weitverbreitete Bestimmung freier Leichtketten im Urin („Bence-Jones-Proteine“) ist beim Screening obsolet, da die Bestimmung im Serum die gleiche klinische Performance bietet. Lediglich beim Verdacht auf eine AL-Amyloidose ist diese Untersuchung in der initialen Diagnostik aus Sensitivitätsgründen weiter notwendig.

 

Freie Leichtketten

Der Nachweis freier Leichtketten im Serum erfolgt in der Regel durch Immunoassays, bei denen Anti-FLC-Antikörper zur spezifischen Erkennung von Epitopen auf Leichtketten eingesetzt werden, die in intakten Immunglobulinen verborgen sind. Diese Assays ermöglichen die Identifizierung, Quantifizierung und indirekte Bestimmung der Monoklonalität durch Bewertung des Kappa/Lambda-Verhältnisses [3]. Dieses Verfahren wurde auch in einer ganzen Reihe von Studien verwendet, in denen die Bedeutung der Bestimmung der freien Leichtketten für das Screening [4], die Diagnose eines Plasmazellmyeloms [5], die Remissionsbeurteilung [6] sowie die Risikostratifizierung von Plasmazellneoplasien [7] herausgearbeitet wurde. Diese Studien waren unter anderem die Grundlage für die Empfehlungen der International Myeloma Working Group (IMWG) zum Einsatz der Bestimmung der freien Leichtketten bei Plasmazellneoplasien aus dem Jahr 2008 [8]. In den aktuellen Krankheitskriterien des Plasmazellmyeloms ist bereits eine deutliche Erhöhung der freien Leichtketten allein ein biologisches Krankheitskriterium (Tab. 1).

Tab. 1: Ausgewählte Erkrankungen mit Nachweis monoklonaler Proteine [5]

 

MGUS

Smoldering

Myeloma

Plasmazellmyelom

Klonale PZ

im Knochenmark

< 10 %

≥ 10–60 %

≥ 10 %

≥ 60 %

und

und/oder

und/oder

oder

Monoklonales

Protein i. S.

< 30 g/l

≥ 30 g/l

nachweisbar

100/100-Kriterium der freien Leichtketten

und

und/oder

und/oder

Monoklonales

Protein i. U.

< 500 mg/d

≥ 500 mg/d

nachweisbar

und

und

und

oder

Endorganschäden

nicht nachweisbar

nicht nachweisbar

nachweisbar

> 1 Herd in der MRT

und

 

 

Sonstiges

abn. freie LK-Quotient

 

CRAB

 

Kritisch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Assays zur Bestimmung der freien Leichtketten mangels metrologischer Rückführbarkeit kaum standardisiert sind. Es muss bei der Einführung solcher Test also zwingend darauf geachtet werden, dass die gleichen klinischen Aussagen gemacht werden können.

Serumproteinelektrophorese

Die SPE wird im diagnostischen Labor heute fast immer als Kapillarelektrophorese (CE) durchgeführt. Das Prinzip liegt in der Bewegung von Analyten in einem elektrischen Feld durch ein mit einer Elektrolytlösung gefülltes Kapillarrohr. Die Trennung basiert auf den unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten der Analyten im elektrischen Feld, das von Faktoren wie Ladung, Größe und Form der Moleküle beeinflusst wird [9]. Die Kapillarelektrophorese bietet eine hohe Trenneffizienz, erfordert geringe Probenmengen, hat niedrige Betriebskosten und ist schnell [10].

Serum-Immunfixations­elektrophorese

Die IFE ist das Standardverfahren zur Identifizierung monoklonaler Proteine in Serum- oder Urinproben. Bei dieser Methode werden die Proteine mithilfe der Elektrophorese nach ihrer Ladung und Größe aufgetrennt. Anschließend werden spezifische Antikörper eingesetzt, um die monoklonalen Immunglobuline innerhalb der Proteinbanden nachzuweisen und zu lokalisieren [11]. Ihre diagnostische Sensitivität ist höher als die der SPE, wobei Studien über eine Sensitivität von bis zu 96 % beim Nachweis monoklonaler Proteine sprechen [12]. Dies beruht darauf, dass durch die Immunreaktion in der IFE geringe Mengen monoklonaler Proteine aus dem Background „herausgehoben“ werden. Sie ist weiterhin bislang die einzige routinetaugliche Möglichkeit für einen direkten Nachweis der Monoklonalität von M-Gradienten [13].

Immunotyping

Im Gegensatz zur CE ist die Durchführung der IFE manuell aufwendig und zeit­intensiv. Die Analyse größerer Serien ist damit erschwert. Es war daher naheliegend, die CE so zu modifizieren, dass die Detektion monoklonaler Proteine auf diesem Weg möglich wird. Das ist mit der Immunsubtraktion – auch Immuntypisierung oder Immunotyping (IT) genannt – gelungen. Bei dieser Methode werden die Immunglobulinketten mit spezifischen Antiseren selektiv ausgefällt, was zu einer Verringerung der Peaks führt, die den jeweiligen Ketten entsprechen. Durch Subtraktion dieser spezifischen Proteine von der Probe ermöglicht die Immunsubtraktion den Nachweis monoklonaler Komponenten. Die Immuntypisierung ist damit ein (semi-) automatisiertes Verfahren zum Nachweis und zur Typisierung von monoklonalen Komponenten wie M-Proteinen in Serum [14, 15]. Für die Laboratoriumsdiagnostik stehen In-vitro-Diagnostika zur Verfügung.

Hinsichtlich der klinischen Leistungs­fähigkeit hat die IT eine vergleichbare Sensitivität wie die Immunfixation, solange es sich hierbei um komplette Immunglobuline handelt. Bei einem Leichtketten-M-Protein ist die Sensitivität etwas geringer [16]. Durch die gleichzeitige Testung auf freie Leichtketten, die die sensitivste Form des Nachweises freier Leichtketten darstellt, ist dies aber nur von geringer klinischer Relevanz, solange nach den Vorgaben der IMWG verfahren wird.

Ein weiterer Nachteil der IT ist, dass kein Screening auf IgD- und IgE-M-Proteine durchführbar ist. Auch dies ist im Alltag von geringer Relevanz, da diese M-Proteine äußerst selten sind. Hier müsste dann gegebenenfalls eine IFE für IgE und IgD ergänzend durchgeführt werden.

MALDI-TOF/Massenspektrometrie

Eine grundlegende Änderung könnte sich aus dem Einsatz der Massenspektrometrie (MALDI-TOF) in der Diagnostik sowie dem Monitoring von M-Proteinen ergeben. Hierbei werden die Identifikation und die Quantifizierung der monoklonalen Antikörperketten in einem Schritt vereint, und gleichzeitig ist die Sensitivität deutlich höher als mit herkömmlichen Methoden. Diese Analytik steht als In-vitro-Diagnostikum zur Verfügung; gegenwärtig ist ihre Einbettung in die herkömmliche Diagnostik noch nicht abschließend geklärt. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der technischen Komplexität und der Kosten [17].

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die IT für die übergroße Mehrzahl der Patient:innen eine verlässliche und besser automatisierbare Alternative zur IFE darstellt. Die genannten Einschränkungen lassen sich durch die Kombination mit anderen Methoden einfach kompensieren. Dennoch kommt es immer wieder zu Interpreta­tionsschwierigkeiten; insbesondere ist die Quantifizierung mit den derzeit zugelassenen Verfahren nicht objektivierbar.