CAR-T-Zellen: Vielversprechende Therapieoption für B-Zell-Malignome

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.04.08

Das Immunsystem kann bei der Verhinderung der Tumorentstehung oder der Bekämpfung von Tumoren eine bedeutende Rolle einnehmen. Daher werden zahlreiche Immuntherapieoptionen erforscht. Die CAR-T-Zell-Therapie kommt in der Hämatoonkologie bereits seit mehreren Jahren erfolgreich zum Einsatz und hat durchaus auch Potenzial, weitere Einsatzgebiete zu erschließen.

Schlüsselwörter: Chimärer Antigenrezeptor, zytotoxische T-Zellen, natürliche Killerzellen, Leukämie

Tumoren bestehen aus körpereigenen Zellen, die durch Mutationen die Kontrolle über die Regulation ihrer Zellteilung verloren haben. In den meisten Fällen ist eine Zelle selbst in der Lage, derartige Fehler zu erkennen und zu beheben. Dennoch lassen sich zwei Drittel aller Krebserkrankungen auf Fehler bei der DNA-Verdoppelung zurückführen. Mutationen in Genen, die das Wachstum von Zellen steuern und regulieren (Onkogene und Tumorsuppressorgene), könnten dazu führen, dass eine normale Zelle schließlich entartet. Diese Veränderungen werden als Treibermuta­tionen bezeichnet. Auch angeborene Mutationen, Infektionen und Umwelteinflüsse wie Rauchen, Chemikalien, UV- und Röntgenstrahlung können eine Schädigung der DNA und damit die Entstehung von Krebs bewirken.

Täglich entstehen so in unserem Körper etwa 20.000 Mutationen; dennoch erkranken nur relativ wenige Menschen an Krebs. Das liegt daran, dass unsere Zellen über ein effizientes DNA-Reparatursystem verfügen. Wenn Schwierigkeiten bei der Zellteilung auftreten, kann die Zelle den Prozess gegebenenfalls selbst stoppen. Sollten die Fehler jedoch massiv und nicht mehr reparabel sein, können Tumorsuppressoren aktiviert werden, die die Apoptose einleiten. So kann die Entstehung von Krebszellen bereits im Frühstadium verhindert werden.

Die Rolle des Immunsystems

Sollten dennoch Zellen entarten und durch die Maschen des Überwachungsnetzes schlüpfen, ist das Immunsystem zur Stelle. An der Tumorüberwachung sind sowohl Zellen des angeborenen als auch Zellen des erworbenen Immunsystems beteiligt. Erworbene Killerzellen (zytotoxische T-Zellen) sind in der Lage, mit spezifischen T-Zell-Rezeptoren Tumorantigene auf der Zelloberfläche zu erkennen und zu zerstören. Tumorzellen, die Stresssignale zeigen oder denen Rezeptoren fehlen, die für die Überwachung der Zellen notwendig sind (MHC-I-Moleküle; Missing Self), können von angeborenen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) auf die gleiche Weise getötet werden. Auch Antikörper, die an Moleküle auf Tumorzellen binden, können möglicherweise zur Abtötung beitragen, indem sie NK-Zellen, Makrophagen oder Komplementproteine rekrutieren, die diese dann zerstören (antikörpervermittelte Zytotoxizität; ADCC). Erst wenn sich Tumorzellen in einer Weise verändern, dass sie nicht mehr vom Immunsystem erkannt werden, kann sich ein manifester Tumor entwickeln.

Die Erkennung von körpereigenen Zellen als Krebszellen stellt das Immunsystem vor eine besonders große Herausforderung. Die Anzahl der Zielstrukturen, die spezifisch für die Expression durch Tumorzellen sind, ist vergleichsweise gering. Dazu gehören mutierte oder falsch zusammengesetzte Proteine, beispielsweise die p53-Mutation bei Kopf-Hals-Krebs, sowie Proteine von krebsauslösenden Viren. Die Ausprägung kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und sogar innerhalb einer Tumormasse von Zelle zu Zelle variieren. Antigene, die nicht ausschließlich im Tumor vorkommen, sondern zu einem gewissen Grad oder für eine Zeitspanne auch auf anderen Körperzellen vorhanden sind oder waren, spielen eine größere Rolle. Krebszellen können beispielsweise embryonale Gene wieder aktivieren, die bei Erwachsenen nicht mehr angeschaltet sind (z. B. MAGE-A bei Blasenkrebs). In den meisten Fällen kommt es zu einer übermäßigen Expression von Genen, die normalerweise nur in sehr geringen Mengen von gesunden Zellen gebildet werden (z. B. HER2/neu, ein Hormonrezeptor bei Brustkrebs).

Tumorzellen sind jedoch in der Lage, sich der Immunüberwachung zu entziehen, indem sie sich verändern, bestimmte Antigene freisetzen oder deren Funktion ausschalten. Dieser Prozess wird als „Immunoediting“ bezeichnet. Ebenso können Tumorzellen inhibitorische Proteine produzieren (IL-10, TGF-β, Immuncheckpoints), die es ermöglichen, angreifende Immunzellen zu deaktivieren. Es wurde beobachtet, dass Tumoren mit einer festen Zellmasse einen biochemischen Schutzschild aus Milchsäure erzeugen und so die Überlebensfähigkeit von Immunzellen deutlich einschränken. Des Weiteren werden Zellen rekrutiert, die das Immunsys­tem hemmen, beispielsweise tumorassoziierte Makrophagen und myeloide Zellen.

Immuntherapie

Neben den klassischen Therapieformen wie der chirurgischen Entfernung (falls möglich), der Bestrahlung oder dem Einsatz diverser Chemotherapeutika existieren schon lange erste Ansätze für Immuntherapien. Zunächst wurde der Versuch unternommen, sowohl die angeborene als auch die erworbene Immunabwehr durch die Gabe von immunstimulierenden Molekülen (z. B. TLR-Agonisten, Interferon-α und Interleukin-2 [IL-2]) zu aktivieren. Leider war dies nicht so erfolgreich wie erhofft. Zudem traten erhebliche Nebenwirkungen und Autoimmunerkrankungen auf, die in einigen Fällen zum Tod von Patient:innen führten. Die Entwicklung therapeutischer Antikörper, welche an Tumorantigene auf der Oberfläche von Krebszellen binden, stellte sich als vielversprechender Ansatz mit bemerkenswerten Ergebnissen heraus. Diese entsprechend markierten Zellen werden von Immunzellen angegriffen, abgetötet oder gefressen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Antikörper mit Wirkstoffen wie beispielsweise Zellgiften oder radioaktiven Isotopen zu koppeln, um Krebszellen auf direktem Weg und relativ spezifisch abzutöten. Diese Medikamente können dazu beitragen, den Behandelten mehr Lebenszeit zu verschaffen, auch wenn eine Heilung leider oft nicht möglich ist.

Bispezifische Antikörper

Die Entwicklung künstlicher bispezifischer Antikörper stellte einen wichtigen Fortschritt bei der Behandlung von Leukämien dar. Sie ermöglichen den direkten Kontakt zwischen Tumor- und Killerzellen, indem sie gleichzeitig an ein Tumorantigen und einen Killerzellrezeptor (CD3) binden. Die Killerzelle wird aktiviert und greift die Tumorzelle unabhängig von ihrer ursprünglichen Spezifität an. Allerdings müssen sich hierfür die Killerzelle, der Tumor und der bispezifische Antikörper in räumlicher Nähe zueinander befinden.

 

Viren und Impfung

Die Erkenntnis, dass bestimmte Viren in Zusammenarbeit mit dem Immunsystem Krebszellen spezifisch zerstören können, führte zu vielversprechenden neuen Therapien, die jedoch nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen zu wirksamen Ergebnissen führten. Erste Impfungen gegen Krebs können vorbeugend einen wichtigen Beitrag leisten (z. B. schützt eine HPV-Impfung vor humanen Papillomaviren, die am häufigsten Gebärmutterhalskrebs auslösen). Für eine aktive Therapie sind sie bisher jedoch nur begrenzt geeignet.

Immuncheckpoint-Inhibitoren

Ein vielversprechender Ansatz zur Aktivierung der zellulären Immunantwort gegen Krebs, insbesondere der Aktivität von Killerzellen, ist die Entwicklung von Immuncheckpoint-Inhibitoren. Diese zielen darauf ab, die Bremsen des Immunsys­tems zu lösen (Inhibitoren gegen Cytotoxic T-Lymphocyte-Associated Protein 4 [CTLA-4] und Programmed Cell Death 1/Ligand 1 [PD1/PD-L1]). Dadurch konnte beispielsweise die Therapie von malignen Melanomen deutlich verbessert werden. Diese Therapie birgt jedoch das Risiko der Auslösung von Autoimmunerkrankungen.

TIL und Immunzelltransfer

Der Versuch, eine Krebstherapie durch die Isolation und die künstliche Vermehrung von zuvor erfolgreich in den Tumor eingedrungenen Immunzellen (tumor­infiltrierende Lymphozyten; TIL) zu entwickeln, die dann in den Betroffenen zurückgegeben wurden, führte leider nicht zum gewünschten Erfolg. In bestimmten Fällen hat sich ein Immunzelltransfer über eine Knochenmarktransplantation als vielversprechende Behandlungsmethode bei Blutkrebs erwiesen. Allerdings muss der Krebs zuvor durch eine Chemotherapie erfolgreich weit zurückgedrängt worden sein.

Zytotoxische T-Zellen

Eine der effektivsten Waffen des Immunsystems gegen Krebszellen sind die zytotoxischen Killerzellen (CD8+-
T-Lymphozyten). Wie James Bond besitzen sie die Fähigkeit und unter bestimmten Umständen auch die Lizenz, körpereigene Zellen zu töten. Ein unkontrollierter Einsatz dieser „Lizenz“ birgt jedoch das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen für den Körper. Deshalb wird sie nur unter bestimmten Bedingungen erteilt und unterliegt einem komplexen Genehmigungsverfahren. Dabei spielen Antigen-präsentierende Zellen (APZ), zum Beispiel dendritische Zellen, eine wesentliche Rolle. Sie verfügen über spezielle Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die es ihnen ermöglichen, fremde oder veränderte Proteinfragmente (Antigene) aus dem Zellinneren wie einen polizeilichen Steckbrief an Immunzellen zu präsentieren (MHC-I) und diese auch zu aktivieren (B7 und 4-1BBL).

Diese Proteinfragmente entstehen, wenn alte Proteine im intrazellulären „Protein-Aktenvernichter“ (dem Proteasom) in kleine Peptide „geschreddert“ werden. Jungfräuliche, noch nicht aktivierte Killerzellen tragen T-Zell-Rezeptoren, die auf MHC-I präsentierte Peptide erkennen und binden können – sofern diese prinzipiell nicht körpereigen sind. Die Bildung dieser T-Zell-Rezeptoren erfolgt in einer beeindruckenden Vielfalt an Erkennungsspezifitäten durch einen zufälligen Prozess, der als somatische Rekombination bezeichnet wird. Allerdings kann jede einzelne T-Zelle nur ein einziges bestimmtes Antigen erkennen. T-Zellen, die während der Produktion im Thymus körpereigenes Peptid erkennen, werden in der Regel sofort aussortiert und in den Selbstmord geschickt, um zu verhindern, dass sie späteren Schaden im Körper anrichten.

Wenn eine jungfräuliche Killerzelle, die aus dem Thymus in Blut und sekundäre Lymphorgane ausgewandert ist, mit ihrem T-Zell-Rezeptor ein präsentiertes Antigen erkennt, wird sie durch die APZ aktiviert. Dies erfolgt durch weitere kostimulierende Signale, wie beispielsweise die Interaktion von B7 und 4-1BBL mit CD28 auf der APZ und 4-1BB auf der T-Zell-Seite. Der Prozess wird zusätzlich durch eine T-Helferzelle unterstützt, welche die APZ aktiviert. Im Anschluss daran beginnt die selektiv aktivierte Killerzelle, sich zu teilen, und wird auf diese Weise durch Klonen vermehrt. Dies ist erforderlich, da nur eine begrenzte Anzahl von Killerzellen entsprechende Bedrohungen erkennen kann und diese dann in großer Menge verfügbar sein müssen, um effektiv zu wirken. Als Effektorzelle ist die Killerzelle nun in der Lage, körpereigene Zellen, die das entsprechende Antigen auf ihrer Zelloberfläche durch ein MHC-I-Molekül präsentieren, anzugreifen und gegebenenfalls zu vernichten.

Es stellt sich jedoch die Frage, warum diese Bereitstellung und Aktivierung tumorspezifischer Killerzellen durch unseren Körper in der Realität oft nicht optimal funktioniert. Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei Tumorzellen um körpereigene Zellen, die für den Körper eigentlich nicht fremd sind. Daher gibt es nur wenige Antigene, die durch T-Zellen erkannt werden dürfen, und zahlreiche Mechanismen, die zu einer Toleranz durch das Immunsystem führen.

CAR-T-Zell-Therapie

Der Pionier Dr. Carl June und andere Forschende hatten nun die Idee, eine neuartige Krebstherapie zu entwickeln, die auf der Herstellung von patienteneigenen T-Zellen beruht, die genetisch darauf programmiert sind, Tumorzellen selektiv anzugreifen und zu vernichten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein künstlicher chimärer Antigenrezeptor (CAR) konstruiert, der gezielt an ein „einprogrammiertes“ Tumorantigen bindet. Eine mit CAR ausgestattete Killerzelle wird bei Kontakt mit einer Tumorzelle unmittelbar aktiviert, zur Vermehrung angeregt und zum Angriff auf die Tumorzelle gezwungen – unabhängig von der Spezifität, die sie durch ihren T-Zell-Rezeptor eigentlich aufweist (Abb. 1).

Bei einem chimären Antigenrezeptor handelt sich um einen künstlichen Rezeptor, der aus verschiedenen Teilen anderer Rezeptoren wie ein „rettender molekularer Frankenstein“ zusammengebaut worden ist. Der Name „chimärer Antigenrezeptor“ verweist auf die mythologische Chimäre, ein Mischwesen, das aus dem vorderen Teil eines Löwen, der Mitte einer Ziege und dem hinteren Teil eines Drachen besteht. Der vordere Teil eines CAR hat die Funktion, an ein festgelegtes Ziel auf einer Tumorzelle zu binden (Tumorerkennung). Dazu wurde auf Basis des vorderen Teils eines Antikörpers eine einzelsträngige Antigenbindungsdomäne entwickelt, die sich praktisch gegen jedes Tumorantigen ausrichten lässt (Programmierung). Im Anschluss folgt eine Brückendomäne, auch „Hinge-Region“ genannt, die den Rezeptor beweglich macht, um den bes­ten Kontakt zum Antigen zu ermöglichen. In den meisten Fällen wird dieser Part vom CD8- oder CD28-Rezeptor (von T-Zellen) oder ebenfalls von einem Antikörper (IgG) kopiert. Anschließend wäre es wünschenswert, den Rezeptor noch auf der Zelle zu verankern. Dies könnte durch eine zellmembrandurchspannende Domäne erreicht werden, die in vielen Fällen ebenfalls vom CD8- oder CD28-Rezeptor abstammt.

Bei Tumorantigenkontakt muss ein Signal in die Killerzelle geleitet werden, das diese sofort aktiviert. Daher wurde in einem nächsten Schritt die intrazelluläre Aktivierungsdomäne (CD3ζ) vom T-Zell-Korezeptor (CD3) kopiert und angefügt (erste CAR-Generation). In der Praxis hat sich jedoch schnell gezeigt, dass dieses Signal allein für eine dauerhafte Aktivierung möglicherweise nicht ausreichend ist. In der Folge wurden zusätzlich eine oder zwei weitere kostimulierende Signaldomänen aus dem CD28-, 4-1BB- oder Ox40-Rezeptor eingefügt (zweite und dritte CAR-Generation). Der finale CAR wird nun als künstliches Gen auf einem DNA-Stück kodiert, das mit einem vermehrungsunfähigen Virus in T-Zellen eingebracht werden kann.

Durchführung

Für eine CAR-T-Zell-Therapie werden der erkrankten Person T-Zellen aus dem Blut entnommen. In einem nächs­ten Schritt wird das CAR-Gen mithilfe eines Virus in die T-Zellen übertragen. Anschließend werden die erzeugten CAR-T-Zellen gereinigt, vermehrt und in einem Beutel verpackt. Schließlich werden sie dem Betroffenen per Infusion zugeführt. Die Herstellung dieses aufwendigen Zelltherapieprodukts nimmt einige Tage bis Wochen in Anspruch. In der Zwischenzeit kann eine Chemotherapie durchgeführt werden, um die Wartezeit zu überbrücken. Die übertragenen CAR-T-Zellen könnten im Körper von Patient:innen durchaus bemerkenswerte Ergebnisse erzielen. Die an die Tumorzellen gebundenen CAR-T-Zellen können diese effektiv abtöten. Diese Therapie markiert einen wichtigen Schritt in der Onkologie und könnte durchaus als eine bedeutende Entwicklung in der Krebstherapie betrachtet werden (Abb.  2).

Anwendung

Die erste Erkrankung, bei der die CAR-T-Zell-Therapie mit vielversprechenden Ergebnissen zum Einsatz kam, war die akute B-Zell-Leukämie im Endstadium – eine Erkrankung, die vor allem Kinder betrifft. Dazu wurde ein CAR entwickelt, der das CD19-Antigen auf den entarteten B-Zellen erkennt. Das damals sechsjährige Mädchen Emily Whitehead wurde nach einer 16-monatigen, leider erfolglosen Chemotherapiebehandlung, bei der die Mediziner:innen keine Chance auf Heilung sahen, als erste Patientin mit dieser Therapie dann doch erfolgreich behandelt. Sie ist seit 2012 krebsfrei. Dieses lebende Arzneimittel (Tisagenlecleucel) wurde im August 2017 von der FDA zu einem Listenpreis von 475.000 US-Dollar zugelassen und aufgrund der hohen Kosten am Anfang nur für Kinder und Jugendliche als letzte Therapieoption zur Verfügung gestellt. Die erfreulich hohe Ansprechrate der Therapie von über 80 % hat jedoch dazu geführt, dass die Behandlung heute allen Menschen offensteht. Derzeit sind fünf weitere CAR-Produkte auch in Deutschland für die Behandlung verschiedener Immunzelltumoren (Leukämien, Lymphome und Multiples Myelom) zugelassen.

Nebenwirkungen

Auch bei dieser hochwirksamen Therapie können Nebenwirkungen auftreten. Im Rahmen der Leukämie-Therapie, die sich gegen das CD19-Antigen richtet, besteht das Risiko, dass auch normale B-Zellen eliminiert werden, was zu einem Mangel an Antikörpern führen kann. In der Regel kann dieser Zustand jedoch mit einer Antikörperersatztherapie behoben werden. Patient:innen am Anfang der Therapie weisen eine gewisse Anfälligkeit für Infektionen auf. Es ist deshalb ratsam, bei dem kleinsten Verdacht eine Antibiotika-Behandlung einzuleiten.

Eine weitere, potenziell lebensbedrohliche Komplikation ist der sogenannte Zytokinsturm (Zytokinfreisetzungssyndrom; Cytokine Release Syndrome; CRS). Die aktiven Killerzellen setzen im Kampf gegen den Tumor eine Vielzahl von entzündungsfördernden Botenstoffen – also Zytokine – frei. Dies kann dazu führen, dass Blutgefäßzellen und Monozyten ebenfalls aktiviert werden. Die Folge kann Fieber, Atemnot, Blutdruckabfall, Schock und letztlich der Tod sein. Nach unseren Erfahrungen tritt ein CRS vor allem zwischen Tag 0 und Tag 10 nach der Infusion von CAR-T-Zellen auf. Durch die Einführung von Antikörper- und Rezeptor­antagonisttherapien (Tocilizumab und Anakinra), die den Rezeptor bestimmter Zytokine (wie IL-6 und IL-1) blockieren, besteht die Möglichkeit, diesen Prozess erfolgreich zu stoppen. Der botenstoffbedingte Entzündungsprozess kann beim immuneffektorzellassoziierten Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) auch das zentrale Nervensystem betreffen. Auch dieses kann erfolgreich behandelt werden.

Bei einer plötzlichen, massiven Abtötung von Tumorzellen durch CAR-T-Zellen können unter Umständen große Mengen an intrazellulären Bestandteilen freigesetzt werden (Tumorlysesyndrom), welche die Funktion von Herz und Nieren beeinträchtigen können. Diese Komplikation kann jedoch ebenfalls erfolgreich behandelt werden, sodass die CAR-T-Zell-Therapie heute als vergleichsweise sicher gilt.

Behandlungskosten

Um die hohen Kosten der Therapie zu senken, wird zurzeit mit ersten Erfolgen versucht, das Gen des CAR ohne die Hilfe eines Virus in die T-Zellen zu transferieren. Es besteht die Aussicht, dass sich die Kosten der Behandlung, die derzeit etwa 280.000 Euro betragen, um den Faktor 10 reduzieren lassen. Dies eröffnet die Möglichkeit, diese Behandlung auch früher durchzuführen, nämlich dann, wenn ein erster klassischer Ansatz nicht erfolgreich war. Denn leider zeigt sich in der Praxis, dass die T-Zellen von Betroffenen durch eine zu intensive Chemotherapie erschöpft und ausgelaugt werden können. Infolgedessen sind sie mit genetischen „Hightech-Waffen“ in einigen Fällen leider nicht mehr in der Lage, den Krebs zu besiegen. Zudem wäre es aus medizinischer Sicht wünschenswert, T-Zellen nicht mehr aus kranken und massiv vorbehandelten Personen entnehmen zu müssen, sondern von gesunden Spender:innen (allogene Therapie). So könnten die Zellprodukte sofort abrufbereit „aus dem Regal“ zur Verfügung stehen.

Wie bereits erwähnt, nimmt die Herstellung patienteneigener Zelltherapieprodukte einige Tage bis Wochen in Anspruch. Auch wenn diese Zeit mit einer Chemotherapie überbrückt werden kann, kommt es immer wieder vor, dass Betroffene in diesem Zeitraum versterben. Es besteht noch einiges an Forschungsbedarf, um zu klären, ob sich eine allogene Therapie mit T-Zellen realisieren lässt. Dabei gilt es, die Gefahr eines Angriffs der fremden Killerzellen auf den Körper der Empfängerin oder des Empfängers zu berücksichtigen, wie sie bei der Organtransplantation beobachtet wurde (Graft versus Host Disease). Eine andere potenziell geeignete Zellpopulation wären die angeborenen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), die keinen T-Zell-Rezeptor besitzen.

Ausblick

Die CAR-T-Zell-Therapie stößt derzeit noch an ihre Grenzen, wenn es darum geht, solide Tumoren zu behandeln. Deshalb besteht hier ein ein großer Bedarf an weiteren klinischen Studien, beispielsweise beim bisher kaum heilbaren Pankreas­karzinom, dem kleinzelligen Lungenkarzinom und bei Hirntumoren wie dem Glioblastom. Ein Aspekt, der ebenso weiterer Forschung bedarf, ist die Tatsache, dass diese Tumoren sich in vielen Fällen gut gegen einen Immunangriff verteidigen können und die CAR-T-Zellen meist in der Tumorumgebung ausschalten oder kaum in den Tumor eindringen lassen. In diesem Zusammenhang sei auf eine vierte Generation von CARs verwiesen, die bei Aktivierung einen selbststimulierenden Botenstoff freisetzt, beispielsweise IL-12 (T Cells Redirected for Universal Cytokine-Mediated Killing; TRUCK). Dennoch muss konstatiert werden, dass die Ergebnisse bisher noch keinen wirklichen Durchbruch zeigen. Auch eine fünfte CAR-Generation befindet sich in Entwicklung: Sie basiert auf der zweiten Generation und beinhaltet eine Aktivierungsdomäne des Membranrezeptors IL-2Rβ. Diese hat eine Bindungsstelle für STAT3, wodurch zusätzlich der JAK-STAT3/5-Signalweg direkt aktiviert werden kann (Abb. 3).

Ein vielversprechender Ansatz sind die Generierung und der Einsatz von Makrophagen als CAR-Makrophagen. Diese Zellen könnten in feste Tumoren rekrutiert, aktiv gehalten und dazu gebracht werden, CAR-vermittelte Tumorzellen zu „fressen“.

Es besteht Anlass zu vorsichtigem Optimismus, was die Anwendung von CAR-Zell-Therapien bei anderen Krankheiten betrifft. Es wurden bereits vielversprechende Ergebnisse bei Personen mit schweren Autoimmunerkrankungen erzielt, bei denen fehlgeleitete B-Zellen mit Autoantikörpern den eigenen Körper angreifen. So konnten bei Menschen mit schwerem Lupus erythematodes die schädlichen Zellen durch CAR-T-Zellen erfolgreich vernichtet werden. Auch schwere, kaum behandelbare Infektionen (z. B. mit Pilzen) könnten möglicherweise bald mit spezifischer CAR-Zell-Therapie kuriert werden. Zudem gibt es erste experimentelle Studien, die die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung durch CAR-Makrophagen in Aussicht stellen.

Autoren
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Dr. rer. med. habil. Maik Friedrich
Universität Leipzig – Medizinische Fakultät
Institut für Klinische Immunologie
Prof. Dr. med. Ulrich Sack
Universitätsklinikum Leipzig
Institut für Klinische Immunologie
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