Epigenetisches Immunmonitoring: Alternative zur Durchflusszytometrie?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2024.04.09

eit vielen Jahren werden durchflusszytometrische Methoden für das zelluläre Immunmonitoring eingesetzt. Das epigenetische Immunmonitoring kann Aufschluss darüber geben, welche Gene in einer Zelle aus- bzw. angeschaltet sind. In bestimmten Situationen könnte sie die aufwendigere Durchflusszytometrie in Zukunft ersetzen.

Schlüsselwörter: DNA-Methylierungsanalyse, CD3g/d-Gene, TSDR, Foxp3, CD8b-Gen

Für das zelluläre Immunmonitoring werden bis heute fast ausschließlich durchflusszytometrische Methoden verwendet, obwohl diese keine vollständig metrologisch rückführbaren Messungen ermöglichen. Zudem muss das gewonnene, nicht geronnene Blut zügig bearbeitet werden, um die Integrität der Leukozyten zu erhalten. Um diese Schwierigkeit zu adressieren, werden oft periphere mononukleare Zellen (PBMCs) aus antikoaguliertem Blut isoliert, die dann bis zur späteren Messung gefroren aufbewahrt werden können. Diese logistischen Notwendigkeiten schränken die Verwendbarkeit von Durchflusszytometrie, insbesondere in niedrigentwickelten Regionen, ein. Des Weiteren verhindern sie gänzlich die Möglichkeit von Heim-Blutabnahmen und führen dementsprechend auch in hochentwickelten Regionen zu einem hohen Aufwand der Patient:innen.

Die Antigene, die bei der Durchflusszytometrie erfasst werden, befinden sich in unbekannter Anzahl auf der Zellmembran oder im Zytoplasma der Zellen. Um diese einer Zellzahl zuordnen zu können, müssen die Zellen während der Messung intakt und die nicht membrangebundenen Analyten in der Zelle fixiert sein. Ist dies der Fall, können parallel unterschiedliche Antigene gleichzeitig mit verschiedenen Farbstoffen gemessen werden. Dadurch können mehrere Eigenschaften (bzw. Marker) einer Zelle gleichzeitig charakterisiert werden.

Epigenetisches Immunmonitoring

Das epigenetische Immunmonitoring bzw. die DNA-Methylierungsanalyse hingegen identifiziert und bestimmt regulatorisch bedeutsame Genorte, an denen die Methylierung bzw. Nichtmethylierung direkt mit der Schaltung des assoziierten Gens verbunden ist (Abb. 1).

In der Regel ist ein Gen, dessen assoziierter regulatorischer Genort demethyliert ist, angeschaltet, während es jedoch ausgeschaltet ist, wenn der entsprechende Genort methyliert ist. Die genetisch bestimmte und vorgegebene Anzahl an DNA-Kopien pro Zelle erlaubt eine Ableitung von der gemessenen Anzahl an methylierten und nicht methylierten Kopien auf die Anzahl der Zellen mit der jeweiligen Eigenschaft. Basierend auf diesen Prinzipien sind die Durchflusszytometrie und die DNA-Methylierungsanalyse dann austauschbar, wenn die Synthese eines bestimmten Proteins einen Zelltyp definiert und die Expression des Gens durch DNA-Methylierung reguliert ist. Im einfachsten Fall kann damit ein Zelltyp präzise quantifiziert werden.

Methodenvergleich

In Tab. 1 sind Eigenschaften der beiden Methoden beschrieben.

Tab. 1: Eigenschaften der verglichenen Methoden. Die Bewertung bezieht sich auf die einfache Anwendbarkeit der beiden Methoden. „+“ = Methode gut geeignet und verhältnismäßig einfach durchführbar; „0“ = Methode geeignet, Durchführung eher komplex und nicht optimal; „–“ = Methode nicht oder nur begrenzt verwendbar.

 

Durchflusszytometrie

Epigenetische qPCR

Bewertung | Beschreibung

Bewertung | Beschreibung

Probengewinnung

0

venös

+

kapillär, venös

Probenstabilität

ambient ca. 24 h

+

gefroren, getrocknet

Logistik

unter 24 h

+

unbegrenzt

Sensitivität der Messungen

+

ca. 0,1 % der Leukozyten

+

ca. 0,1 % der Leukozyten

Wiederholbarkeit der Messungen

+

C.V. 5–15 % bei gleichem Set-up

+

C.V. unter 15 %

Vergleichbarkeit versch. Messungen

problematische Gerätevariabilität

+

C.V. unter 20 %

Mögliche Komplexität der Parameter

+

exzellente Kombinierbarkeit

niedrige Kombinierbarkeit

Markerqualität

+

Goldstandard

0

abhängig von Marker

Auswertung

0

komplex

0

normierbar

Aufwand und Kosten pro Probe

0

Auswertung relativ aufwendig

+

standardisierte Methode

Automatisierbarkeit

0

eingeschränkt

+

gut

Dabei wird deutlich, dass die mögliche Kombinierbarkeit unterschiedlicher Marker zur Analyse einzelner Zelleigenschaften die entscheidende vorteilhafte Eigenschaft der Durchflusszytometrie darstellt. Damit – und durch die freie und hohe Verfügbarkeit verschiedener Antikörper – ist die Durchflusszytometrie die unumstrittene Wahl zur Erforschung neuer Zellpopulationen und damit zur Erforschung des Effekts von Medikamenten auf unterschiedliche Immunzellpopulationen. Gleichzeitig birgt diese hohe Flexibilität gemeinsam mit Problemen der Standardisierbarkeit das Risiko in der klinischen Diagnostik zu verwenden, da sie mit schwer beherrschbaren, Experimentator-abhängigen Faktoren konfrontiert ist. Die epigenetische qPCR bietet sich für diese Anwendung als einfach standardisierbar, preiswert und relativ einfach durchführbar an. Für die klinische Entwicklung gilt dies analog. In frühen explorativen Phasen ermöglicht die Durchflusszytometrie die Analyse vieler unterschiedlicher Zellpopulationen und Zelleigenschaften. In späteren Phasen wird dies aber durch aufwändige Logistik, limitierte Stabilität der Proben und variabler Ergebnisse problematisch und die einfache epigenetische qPCR ist hier stark zu empfehlen, da sie auch für die Etablierung von Therapie-begleitenden diagnostischen Methoden (Companion Diagnostics) geeignet ist.

Während die technische, wissenschaftliche und biologische Werthaltigkeit der epigenetischen Methode weithin akzeptiert ist, ist die Umsetzung in die medizinische Praxis noch in den Kinderschuhen. Dahingehend beginnen die ersten Neugeborenen-Screening-Labore die Epigenetik für das 2nd-Tier-Testen von angeborenen Immundefizienzen zu implementieren, um die hohe Anzahl falschpositiver Proben u. a., beim TREC-Test (TREC = T-cell receptor excision islands) besser handhaben zu können [1]. Auch bei Versorgungsengpässen für die CD4-Messung stellt die epigenetische Methode einen möglichen Ausweg dar und befindet sich in der Testung. Trotz der großen Potenziale der Methode läuft ihre Einführung in die klinische Routine sehr langsam ab. Unter anderem problematisch ist dabei die derzeit noch fehlende Möglichkeit zur Abrechnung bei Krankenversicherungen.

Anwendungsbeispiele

CD3g/d-Gene

Der bidirektionale Promotor der CD3g/d-Gene ist in T-Zellen zwingend demethyliert, da die Proteinsynthese der entsprechenden Untereinheiten des CD3-Proteins eine definierende Eigenschaft von T-Zellen ist, die mit der Promotoreigenschaft einhergeht. Nicht-T-Zellen synthetisieren dieses Protein nicht und sind im entsprechenden Promotorelement methyliert. Messungen der CD3-Methylierung unterscheiden sich daher nicht biologisch, sondern lediglich durch messtechnische Eigenschaften. Letztlich gilt sehr Ähnliches für die Messung eines spezifischen Genorts in LRP5, dessen Demethylierung hochspezifisch (CD19+)-B-Zellen erkennt.

TSDR und Foxp3

Eine eigene Kategorie der DNA-Methylierungsmarker wird durch die TSDR (Treg Specific Demethylated Region) repräsentiert. Foxp3-Demethylierung wird mittlerweile als die definierende Eigenschaft von „echten“ regulatorischen T-Zellen (Tregs) gesehen. Während die durchflusszytometrische Identifikation regulatorischer T-Zellen eine Reihe unterschiedlicher Marker benö­tigt (CD3, CD4, CD25, CD127 (–) sowie eventuell Foxp3 und/oder HELIOS), ist die Identifikation von Tregs lediglich mit der Demethylierung in Foxp3 präzise und hinreichend. Daraus ergibt sich ein signifikanter Vorteil der epigenetischen DNA-Methylierungsanalyse für die klinische Anwendung, da die Wiederholbarkeit der Messung eines einzelnen, immer gleichen Markers beständig und rückführbar ist.

CD8b-Gen

Andere Marker weisen eine ähnlich hohe Spezifität zwischen Methylierung und Gen­expression auf. Allerdings könnten sie leicht unterschiedliche Zelltypspezifitäten demonstrieren, da die Gene möglicherweise auf verschiedenen Zellpopulationen exprimiert werden. Ein Beispiel dafür ist das CD8b-Gen. Dessen Demethylierung korreliert hervorragend mit der Genexpression, aber das CD8-Protein liegt sowohl auf der zytotoxischen CD3+/CD8+-T-Zell-Population vor als auch auf CD3–/CD16+/CD56+-Zellen, einem Teil der Natural Killer-Zellen.

Exhaustion-/Activation-Marker

Für andere DNA-Methylierungsmarker ist die Spezifität der differenziell methylierten Genorte zwar hochgradig mit der Expression der jeweiligen Gene assoziiert, jedoch sind das Protein und dessen Synthese weniger auf einen bestimmten Zelltyp beschränkt. Dementsprechend erkennt die DNA-Methylierungsanalyse zwar die Anzahl der Zellen mit der analysierten Eigenschaft, entspricht jedoch nicht zwingend einer bestimmten Zellpopulation, die dieses Gen als Protein exprimiert. Dies ist häufig die Frage, die die Durchflusszytometrie zu beantworten sucht. In diesem Fall weichen Ergebnisse beider Methoden voneinander ab. Beispiele hierfür sind Exhaustion- (z. B. PDL1 und LAG3) und Activation-Marker (z. B. CD69), die auf unterschiedlichen Zellpopulationen vorliegen können. Gelegentlich sollen jedoch nur die Exhaustion bzw. Activation bestimmter Subgruppen analysiert werden.

Signalproteine

Intrazelluläre Zytokine und Interleukine (allgemeine Signalproteine) sind ebenfalls von hohem Interesse und können gut mit der epigenetischen Analyse bestimmt werden. Ein Beispiel hierfür ist IL17A, dessen assoziierter Genort in Zellen, die dieses Gen exprimieren, spezifisch demethyliert ist. Um die Proteinsynthese zytometrisch nachweisen zu können, benötigt es eine In-vitro-Stimulation. Zusätzlich wird dies dadurch kompliziert, dass die exprimierten Signalproteine nicht oberflächenassoziiert sind und die Detektion der exprimierenden Zellen nur durch „Einfangen“ der Proteine möglich ist.

Aktueller Stand

Die Verwendung der jeweiligen Technologie ergibt sich daher aus unterschiedlichen Parametern, insbesondere der technischen Machbarkeit, den Kosten und der (übereinstimmenden oder abweichenden) biologischen Spezifität.

Für den Fall gleichwertiger biologischer Spezifität dürfte die epigenetische Messung zu bevorzugen sein, da sie sich durch eine leichtere Inter-Labor-Vergleichbarkeit, eine maßgeblich einfachere Probenlogistik und eine variablere Probennahme (Kapillarblut oder venöses Blut) bei ähnlicher Sensitivität und Präzision auszeichnet [2]. Proben müssen nicht frisch an die verarbeitenden Labore geschickt werden, sondern können gefroren, getrocknet oder antikoaguliert bei ambienter Temperatur verschickt werden. Zudem ist die epigenetische DNA-Methylierungsanalyse, im Vergleich zur Durchflusszytometrie, eine preisgünstige Methode des Immunmonitorings.

Derzeit sind die meisten diagnostischen Anwendungen eher mit einfacheren Markern assoziiert. So müssen beispielsweise bei HIV CD4+-T-Zellen und bei SCID (Severe Combined Immuno Deficiency) verschiedene Lymphozytenpopulationen (T-, B-, NK-Zellen) quantifiziert werden, wohingegen bestimmte Infektionskrankheiten mit neutrophilen Granulozyten assoziiert sind. Auch wenn die DNA-Methylierungsanalyse die kompliziertere Durchflusszytometrie in den einfacheren Anwendungen gänzlich ersetzen könnte, bleibt Letztere eine unverzichtbare Methode, unter anderem für komplexe Zell­analysen, wenn mehrere Marker einen Zelltyp spezifisch charakterisieren.

Klinische Studien

Für die Verwendung der beiden verglichenen Methoden in klinischen Studien kann dahingehend gesagt werden: In frühen Phasen, in denen die Rolle eher kleinerer Populationen analysiert und ein grundlegendes Verständnis der Reaktionen des Immunsystems in Bezug auf die Krankheit und insbesondere das Medikament geschaffen werden soll, dominiert die Durchflusszytometrie als Standardmethode. In späteren Phasen klinischer Studien, in denen häufig die Mechanismen bekannt sind und die Patienten- und Klinikzahlen steigen, sind durchflusszytometrische Analysen häufig nicht mehr bezahlbar und auch logistisch einschränkend. Die epigenetische Methode bietet hierbei eine sehr gute Alternative. In der späteren Phase der Kommerzialisierung neuartiger Medikamente könnte die epigenetische Analyse immunologische Companion Diagnostics darstellen, da sie eine leichte Verfügbarkeit, Standardisierbarkeit und Vergleichbarkeit bietet.

Fazit

Epigenetisches Immunzellmonitoring kann aufgrund seiner relativ einfachen Verwendbarkeit, seiner logistischen und preislichen Vorteile sowie seiner messtechnisch konkurrenzfähigen „Performance“ viele Bereiche der Durchflusszytometrie ergänzen oder ersetzen. Gewinnt die Methode an Bekanntheit und setzt sie sich durch, kann sie Lücken in der Versorgung – durch schwierige Zugänglichkeit der Immunzelldiagnostik in ländlichen oder niedrigentwickelten Regionen – schließen. Des Weiteren kann eine effiziente Nutzung dieser Methode die Diagnostik sowohl erschwinglicher als auch weitreichender machen.  

Autoren
Dr. Sven Olek
Ivana Türbachova Labor für Epigenetik
Precision for Medicine Gmbh
Nico Olek
Technische Universität München

Conflict of Interest: Jessica Michalska und Sven Olek sind Angestellte der Precision for Medicine GmbH, einer CRO, die im Rahmen von Auftragsforschungsarbeiten auch epigenetisches Immunmonitoring anbietet. 

Aus der Rubrik
PDF Download
Die ganze Ausgabe als PDF herunterladen