Schwerpunkt Sepsis: Wirklich Neues steckt noch in der Pipeline
Etwa alle drei Jahre berichten wir in dieser Zeitschrift voller Hoffnung auf den großen Durchbruch über Fortschritte der Sepsisdiagnostik – zuletzt in Heft 1/2016 mit dem damals neu erschienenen SOFA- Score, der auf wenigen klinischen Daten basierte oder in Heft 3/2019 mit einem Update zu umfassenden Laborpanels.
Nach drei Jahren ist es also wieder einmal soweit und wenn wir ehrlich sind, müssen wir konstatieren: Allzu viel hat sich seither nicht getan. Die Sepsis bleibt weiterhin die Todesursache Nr. 1 auf Intensivstationen und die frühzeitige Erkennung eines septischen Geschehens ist weiterhin höchst problematisch. Ganz klar: Wenn erst einmal der gefürchtete Zytokinsturm ausgebrochen ist, bieten Klinik und Labor eine reiche Palette aussagekräftiger Messwerte, um den Status zu bewerten und das Schlimmste abzuwenden, aber nach wie vor wissen wir nicht wirklich, was wann den fatalen Schalter umlegt, der aus einer harmlosen Infektion heraus in eine schwere systemische Inflammation mit potenziell letalem Ausgang führt.
Lehren aus der Pandemie
SARS-CoV-2 hat uns immerhin Bekanntes noch einmal deutlich vor Augen geführt: dass es nicht immer Bakterien sein müssen, die eine Sepsis auslösen und welche überragende Rolle dem Gerinnungssystem in der Pathogenese des Multiorganversagens zukommt. Insbesondere hat uns die Pandemie aber gezeigt, welch ungeheure Forschungsanstrengungen nötig sind, um die pathophysiologischen Zusammenhänge auch nur für ein einziges Krankheitsbild aufzuklären. Keine Frage, dass diese je nach Auslöser unterschiedlich sind, und dass es folglich noch erheblicher Grundlagenarbeit bedarf, um der Sepsis ihre Schrecken nachhaltig zu nehmen.
Was erwartet uns?
Aber erfreulicherweise sind viele neue Methoden und Biomarker in der Pipeline, um die Vorhersage und Beurteilung der Sepsis und ihrer Komplikationen zu etablieren. Neue Biomarker bieten hier Einblicke in komplexe pathophysiologische Zusammenhänge, die dem klinischen Auge verborgen bleiben. Sie sollten idealerweise am „Point of Care“ im Sinne einer patientennahen Präzisionsmedizin verfügbar gemacht werden [1].
So macht der sofortige direkte Erregernachweis im Blut inkl. Resistenzgenen und deren Produkten über PCR und MALDI-TOF enorme Fortschritte, und auch Multiplex-Analysen für Proteomics und Metabolomics mittels NMR und Massenspektrometrie halten zunehmend Einzug in die Routinediagnostik. Im Bereich der zellulären und humoralen Immunologie stehen bereits miniaturisierte Durchflusszytometer und Antikörperarrays zu Verfügung, die den Wunsch nach patientennaher Präzisionsdiagnostik erfüllen könnten [2]. Große Hoffnungen werden derzeit auf die quantitative Expressionsanalytik zur Erkennung spezifischer mRNA- und microRNA-Muster im Blut gesetzt; wir sind gespannt, ob es dafür bis zum nächsten Sepsisschwerpunkt in drei Jahren bereits klinische Anwendungen gibt.
Am Ende wird wohl ein kleines Panel von Biomarkern stehen, das dann mit einfachen und schnellen POCT-Techniken oder Line-Assays am Krankenbett abgearbeitet werden kann und sofort mögliche Sepsisursachen identifiziert, gezielte Behandlungsoptionen für die verschiedenen Sepsistypen ausweist und den Therapieerfolg zu kontrollieren erlaubt.