Point-of-Care-Tests bei Infektionserkrankungen: Welcher Test wann?
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2021.03.01Tests für die schnelle Diagnostik von Infektionskrankheiten können die Patientenversorgung, den Umgang mit Antibiotika und die Infektionsprävention verbessern. Nicht jedes Verfahren eignet sich für die Diagnostik und das Therapiemonitoring von verschiedenen Erkrankungen gleich gut.
Schlüsselwörter: POCT, LFIA, NAT, PCR, TMA, SDA, LAMP
Die patientennahe Sofortdiagnostik (Point-of-Care-Test, POCT) bietet in diversen Gebieten der Medizin eine schnelle, genaue und verlässliche Diagnostik und ein einfaches Therapiemonitoring. POC-Tests werden am Ort der Patientenversorgung oder in dessen Nähe durchgeführt; ihre Ergebnisse führen unmittelbar zu einer Diagnose, von der dann eine therapeutische Konsequenz abgeleitet werden kann [1].
In den letzten Jahren gab es für eine Vielzahl von Infektionserregern, die häufige Erkrankungen wie respiratorische, gastrointestinale, sexuell-übertragene sowie unklare fieberhafte Infektionen verursachen, einen Aufschwung bei POCT-Entwicklungen. Die Anwendung eines schnellen POCT ist mittlerweile unerlässlich für die Erstdiagnose von zahlreichen Infektionskrankheiten: Frühzeitig kann eine zielgerichtete erregerorientierte, antimikrobielle/ antivirale Therapie eingeleitet werden. So wird der unnötige Einsatz von Antibiotika verhindert, der zu steigenden Resistenzraten führt. Eine zügige Diagnostik mittels POCT reduziert außerdem überflüssige Nachuntersuchungen sowie die Verweildauer im Krankenhaus und somit auch die Kosten der Krankenversorgung. Darüber hinaus ist eine frühzeitige Diagnostik hochansteckender oder resistenter Erreger sowohl für das Erkennen als auch für die Begrenzung von Ausbrüchen essenziell.
Technologien für POC-Tests
POC-Tests beruhen im Allgemeinen auf zwei Technologien: Lateral Flow Immunoassays (LFIA) und Nukleinsäure-Amplifikations-Tests (Nucleic Acid Test, NAT). Die meisten LFIA basieren auf dem immunchromatografischen Nachweis eines speziellen mikrobiellen Antigens bzw. Antikörpers. NAT-basierte Verfahren nutzen eine große Auswahl an molekularbiologischen Methoden zur diagnostischen Amplifikation von Erreger-DNA bzw. -RNA wie Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Transkriptions-vermittelte Amplifikation (TMA), Strand Displacement Amplification (SDA) oder Loop-vermittelte isotherme Amplifikation (LAMP). Obwohl sich PCR-Assays in den meisten Fällen als Goldstandard erwiesen haben, konzentrieren sich neuere Entwicklungen aufgrund der beschleunigten Nukleinsäure-Analytik vorwiegend auf die isotherme Amplifikation. Die Fortschritte der NAT-Verfahren erlauben die POC-taugliche Anwendung, da die neuen Systeme kein aufwendiges räumliches Umfeld oder anspruchsvolle Arbeitsabläufe voraussetzen und Ergebnisse innerhalb von 1 bis 2 Stunden liefern. Zudem sind NAT-basierte Assays sensitiv und hochspezifisch und bieten oft gleichzeitig die Identifikation von mehreren Erregern. Lateral Flow Assays sind im Gegensatz dazu schnell, kostengünstig und einfach zu verwenden, weisen jedoch niedrigere Sensitivität auf.
Im Folgenden wird der Stellenwert der POCT-Diagnostik bei einigen ausgewählten Erregern dargestellt.
Schnelltests bei respiratorischen Infektionen
Atemwegsinfektionen sind weltweit die dritthäufigste Todesursache mit ca. vier Millionen Todesfällen pro Jahr und der häufigste Grund für Antibiotikaverordnungen [2]. 70 bis 90 % der Erkrankungen basieren auf einer viralen Infektion, jedoch ist die Unterscheidung zwischen bakteriell und viral bedingt oft schwierig.
Es gibt mehrere Antigen-Schnelltests für Influenza und Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV); wegen ihrer schlechten Sensitivität ist der klinische Nutzen allerdings relativ eingeschränkt, weshalb sie nicht zum Ausschluss einer Infektion verwendet werden können. Anhand einer aktuellen Metaanalyse betrug die Sensitivität der untersuchten Assays für Influenza nur 61,1 % bei einer Spezifität von 98,9 %. Bei RSV zeigten die Antigen-Assays ebenfalls eine moderate Sensitivität von 75,3 % und eine Spezifität von 98,7 % [3]. Die Sofortdiagnostik für virale Erreger wurde durch diverse NAT-Verfahren signifikant verbessert, da sie Ergebnisse mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität (97–100 %) innerhalb einer Stunde liefern [4]. Clark et al. zeigten, dass die routinemäßige Anwendung eines NAT-basierten POCT während der Grippesaison sowohl die Diagnostik als auch den rechtzeitigen Einsatz einer antiviralen Therapie optimierte. Darüber hinaus verbesserte sich auch das Ausbruchsmanagement, da 70 % der Patienten mit Influenza in der POCT-Gruppe gegenüber 38 % in der Kontrollgruppe frühzeitig isoliert werden konnten [5].
Akute Pharyngitis ist eine der häufigsten Erkrankungen im ambulanten Bereich und vor allem eine der häufigsten Ursachen für eine unnötige Antibiotika-Therapie in der Pädiatrie. Streptokokken der Gruppe A (GAS) machen 20 bis 40 % der Pharyngitiden bei Kindern aus. Im Vergleich zur Rachenkultur bieten Antigen-Schnelltests hochspezifische Ergebnisse (95 %), haben jedoch in der Regel eine relativ geringe und sehr variable Sensitivität (70 bis 99 %) [6]. Ein NAT-basierter POCT ist hochpräzise und empfindlicher als LFIA, im Durchschnitt liegen Sensitivität und Spezifität über 95 %. NAT-Verfahren haben jedoch
im Gegensatz zur Kultur den Nachteil, dass sie keine Informationen über Antibiotikaresistenzen liefern [7].
Schnelltests bei gastrointestinalen Infektionen
Die infektiöse Gastroenteritis ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen [2]. Die Erreger von Diarrhöen sind vor allem Viren (Noro-, Rota-, Adeno-, Astroviren etc.), bakterielle Diarrhöen treten deutlich seltener auf (Salmonella spp., Shigella spp., Shigatoxin produzierende Escherichia coli etc.). Parasitäre Diarrhöen werden vor allem durch Giardia lamblia, Kryptosporidien und Entamoeba histolytica (Reiseerkrankung) ausgelöst. Die Prognose der Gastroenteritis variiert je nach Erreger zwischen einer selbstlimitierenden und einer tödlichen Clostridioidesdifficile- Infektion, die durch toxinbildende Stämme von Clostridioides difficile bei gestörtem Mikrobiom des Darms (z. B. nach Antibiotikatherapie) verursacht wird.
Für die POC-Diagnose von Durchfallerregern stehen mehrere LFIA- und PCRAssays zur Verfügung (siehe Tab. 1).
Tab. 1: POCT-Diagnostik zum Nachweis von Infektionserkrankungen, adaptiert nach [4, 15, 16].
Pathogen | Material | Methodik | Sensitivität in % | Spezifität in % | Informationen |
---|---|---|---|---|---|
Atemwegsinfektionen | |||||
Gruppe A Streptokokken | Rachenabstrich | LFIA PCR LAMP | 53–99 95–100 90,5–98,1 | 62–100 80–99 91,1–97,6 | NAT verbesserte Sensitivität, kultureller Bestätigungstest verzichtbar bei Erwachsenen |
Influenza | NP oder Rachenabstrich | LFIA PCR | 20–55 | 99 | LFIA geringe Sensitivität |
Legionella pneumophila | Urin | LFIA | 20–55 | 99 | LFIA geringe Sensitivität |
Respiratory Syncytial Virus | NP oder Rachenabstrich | LFIA PCR | 59–97 100 | 75–100 97 | LFIA mit geringerer Sensitivität bei Erwachsenen |
Streptococcus pneumoniae | Urin | LFIA | 66–70 | 90–100 | Bessere Sensitivität für schwere Pneumonien mit Bakteriämie |
Gastrointestinale Infektionen | |||||
Norovirus | Stuhl | PCR | 97–98 | 98 | Hohe Leistungsfähigkeit für die Genogruppe I und II |
Rotavirus | Stuhl | LFIA | 75–99 | 95 | |
Adenovirus | Stuhl | LFIA | 22 | 84 | LFIA mit schwacher Leistung |
C. difficile | Stuhl | LFIA PCR LAMP | 49–90 92–99 88 | 95–96 99–100 97 | LFIA weniger sensitiv als Kultur und NAT |
Giardia lamblia | Stuhl | EIA | 58–98 | 97–98 | LFIA mit variabler Sensitivität |
Sexuell übertragbare Infektionen | |||||
Chlamydia trachomatis Neisseria gonorrhoeae1 | Urin, Vaginalabstrich | LFIA PCR | 83 96–98 | 99 99 | NAT bleibt Goldstandard |
HIV | Vollblut, Kapillarblut, orale Flüssigkeiten | LFIA PCR | 99–100 | 99–100 | Analytische Leistungsfähigkeit wie Laborbasierte Teste, NAT ist bei akuten Infektionen bevorzugt |
Treponema pallidum | Vollblut | LFIA | 67–98 | 97–99 | Der Nachweis von Antikörpern bei akuten Infektionen möglicherweise nicht geeignet |
Trichomonas vaginalis | Vaginaltupfer | LFIA PCR | 83–90 93–100 | Der schnelle Antigentest ist mit einer Sensitivität von etwa 90 % spezifisch | |
Systemische fieberhafte Erkrankung | |||||
Malaria | Vollblut | LFIA PCR LAMP | 87–100 100 98 | 52–100 93–100 94 | Beste Leistungsmerkmale bei Plasmodium-falciparum-Infektionen |
Der schnelle Nachweis der C.-difficile-Toxine A und B kann sogar mit einigen LFIA mit einer Sensitivität von 90 % bei einer Spezifität von > 99,5 % erfolgen [8]. PCR-basierte NAT liefern Informationen über Toxin B und ein zusätzliches binäres Toxin mit hoher Sensitivität und Spezifität. Vielversprechende neue Entwicklungen sind Multiplex-PCR-Panels, die den parallelen Nachweis (teilweise über 20 pathogene Erreger) der häufigsten viralen, bakteriellen und parasitären Erreger innerhalb von einer Stunde ermöglichen [9].
Schnelltests bei sexuell übertragbarer Infektionen
Eine schnelle Diagnose von Geschlechtskrankheiten kann aufgrund der hohen Ansteckungsfähigkeit das Übertragungsrisiko sowie die Folgen von unbehandelten Infektionen senken.
Für die HIV-Diagnose stehen einige POCT-Tests mit hoher Sensitivität und Spezifität zur Verfügung, die mit den konventionellen 4.-Generations-Tests (HIV-Antigen/Antikörper-Kombinationstests) vergleichbar sind. Die meisten Schnelltests weisen überwiegend Anti-HIV-Antikörper nach und zeigen eine gute Leistungsfähigkeit bei Patienten mit chronischen Infektionen. Antigen/Antikörper-Kombinationstests, die simultan das p24-Antigen und Anti-HIV-Antikörper bestätigen, sind auch verfügbar, besitzen aber eine geringere Sensitivität zum Nachweis einer akuten HIV-Infektion als molekulare Verfahren [10].
Verschiedene POC-Tests sind für Chlamydien, Gonorrhoe, Syphilis und Trichomoniasis mit unterschiedlicher Testleistungsfähigkeit erhältlich [11]. Die Antigen-Schnelltests für C. trachomatis und N. gonorrhoeae weisen mangelnde Sensitivität und Spezifität auf und können nicht empfohlen werden. NAT-basierte
Schnelltests für Chlamydien und Gonokokken besitzen dagegen ähnliche diagnostische Genauigkeit wie die Standarddiagnostik.
Die Standarddiagnostik der Syphilis erfolgt als Stufendiagnostik mittels serologischer Untersuchungen. Die verfügbaren Schnelltests sind allerdings weniger sensitiv und spezifisch als laborbasierte Screeningtests. In einer Meta-Analyse, die insgesamt 18 verschiedene Schnelltests verglich, lag die Sensitivität und Spezifität zwischen 74,3 % und 90,0 % bzw. 94,2 % und 99,6 % [12]. Im Weiteren wird der klinische Nutzen der verfügbaren Schnelltests, v. a. in Populationen mit hoher Prävalenz, dadurch eingeschränkt, dass zwischen einer Seronarbe und akuter Infektion im Falle eines positiven Schnelltests nicht unterschieden werden kann [10].
Schnelltests bei unklarer fieberhafter Erkrankung – Malaria
Eine akute unklare fieberhafte Erkrankung stellt vor allem bei Reiserückkehrern eine diagnostische Herausforderung dar. Der Goldstandard-Test ist nach wie vor der mikroskopische Parasitennachweis; dieser erfordert aber hochqualifiziertes Personal. Die immunchromatografischen Tests haben eine Nachweisgrenze von > 100 Parasiten/ml und eine Sensitivität > 95 % bei Patienten mit Blutparasitenzahlen ≥ 0,001 %. Bei Blutparasitenzahlen < 0,001 % sinkt allerdings die Sensitivität auf 70 bis 80 % im Vergleich zur Mikroskopie [13]. Nichtsdestotrotz wird im Falle einer positiven LFIA weiterhin die Mikroskopie empfohlen, um die Spezies zu identifizieren und die Parasitämie zu berechnen. Derzeit ist kein POC-tauglicher PCR-Assay kommerziell erhältlich, jedoch bietet die LAMP-Technik eine vielversprechende Methode für die POC-Diagnostik von Malaria. Sie hat eine niedrige Nachweisgrenze (0,2–2 Parasiten/ml) und eine hohe Sensitivität sowie Spezifität (76,1–98,5 % bzw. 89,6–100 %). In einer prospektiven Studie bei Reiserückkehrern zeigte LAMP mit einer Genauigkeit von nahezu 100 % eine hervorragende analytische Leistung im Vergleich zur Mikroskopie [14].
Fazit
POC-Tests besitzen einen hohen Stellenwert in der Infektionsdiagnostik. Die Zahl der mit POCT durchführbaren Analysen sowie ihre Implementierung außerhalb der klinischen Diagnoselabore nimmt stetig zu. Die sofortige Diagnose von Infektionskrankheiten kann Triage-Entscheidungen erleichtern, unnötige Labordiagnostik reduzieren und eine frühzeitige und zielgerichtete Therapie unterstützen.
Die relevantesten Nachteile von aktueller POCT sind die geringe klinische Sensitivität mancher LFIA und die hohen Kosten NAT-basierter Verfahren. Die stetige Weiterentwicklung der NAT-POCTTests wie isothermale Amplifikation und die Miniaturisierung durch mikrofluide Systeme könnte zu einer schnellen Diagnostik mit hoher klinischer Sensitivität bei reduzierten Kosten beitragen. Mit dem Fortschritt der NAT-Systeme werden die analytischen Leistungslücken zwischen POCT und Labor-basierten Tests geschlossen.